Ende Mai fand in Verona der 13. Weltkongress für Familien (WCF) statt, eine Zusammenkunft von Rechten, religiösen FanatikerInnen, Adligen – kurz gesagt, vom größten Abschaum dieser Erde. Von Sonia Previato.


Obwohl es sich um nicht mehr als 300 Menschen handelte, gelang es ihnen heuer zum ersten Mal, eine Lawine der Entzürnung gegen sich loszutreten, eine Gegendemonstration mit hunderttausenden TeilnehmerInnen, die in der Geschichte dieser kleinen Stadt keine Parallele kennt.

Warum ist das passiert? Nehmen wir diese Versammlung etwas genauer unter die Lupe. Im Mittelpunkt steht, wie der Name der Veranstaltung uns nahelegt, die Familie. Es geht um die Einheit und Koordination aller Kräfte, die die „natürliche“ Familie verteidigen. Sie gaben alles, um die dunkle Seite dieser Verteidigung auszublenden – doch das erwies sich als unmöglich. Auf die erste, beschwichtigende Rede von Brian Brown, einem Freund Donald Trumps und früheren Beamten der Regierung Ronald Reagan, erklärte ein gewisser Allan Carlson, das Ziel der Versammelten sei „ein Krieg gegen all unsere Feinde“. Der Spanier und Gründer einer Anti-Abtreibungs-Assoziation, Ignacio Arsuaga, ging noch weiter: „Unsere Feinde“ sind überall, in den Institutionen, in den linken Parteien, aber auch in den rechten; sie kontrollieren wichtige Institutionen wie die Vereinten Nationen und die Europäische Union, es sind FeministInnen und Liberale, die Erben Antonio Gramscis, die lediglich den Klassenkampf durch den Geschlechterkampf ersetzt haben. Der Hauptslogan war „Gott, Vaterland, Familie“. Als Teil einer Kampagne gegen das Recht auf Abtreibung wurden Abbildungen blutiger Föten verteilt. Es tummelte sich überall das Personal der extrem rechten Parteien. Während einige sagten: „Unmöglich, die Politik und die Gesetzgebung zu beeinflussen“, sagte der Vertreter Spaniens klar und deutlich: Wir wollen die Macht übernehmen. Dazu haben wir zwei Optionen: Entweder nehmen wir an Wahlen teil und arbeiten in den Institutionen, oder wir kontrollieren – er favorisierte diese Option – die Mächtigen indirekt, indem wir die herrschenden Parteien kontrollieren.

Es ist nicht überraschend, dass diese kleine Versammlung bisher immer in abgelegeneren Ländern stattgefunden hat. Dieses Jahr wurde sie nicht zum ersten Mal in einem Land veranstaltet, das Gründungsmitglied der Europäischen Union ist. Es ist diesen Leuten auch gelungen, sich damit unter die Schirmherrschaft der Stadt, der Provinz, der Region, ja sogar des italienischen Familienministeriums zu stellen. Zu den BesucherInnen zählten mindestens 100 PolitikerInnen, darunter MinisterInnen, BürgermeisterInnen und Abgeordnete. Sie kamen hauptsächlich aus europäischen Ländern: Die ungarische Familienministerin und ihr italienischer Kollege, der italienische Bildungsminister, ein Abgeordneter des französischen Rassemblement National (der Formation Marie Le Pens) im Europäischen Parlament, Führungspersönlichkeiten der deutschen AfD, Mitglieder der russischen Regierung und der russisch-orthodoxen Kirche. Der neue Held der Rechten ist – zumindest in Europa – Matteo Salvini. Er hat all das möglich gemacht.

In Wirklichkeit spielt er dabei sein eigenes Spiel im Hinblick auf die Europawahlen. Er nutzt die Brexit-Krise aus und versucht dabei, sich als Attraktionspol zu etablieren. Die AfD hat er gewinnen können, doch Orbán gab ihm einen Korb. Auch der Führer der polnischen Nationalisten, Kaczynski, hat nicht teilgenommen. Die FPÖ blieb wegen der Probleme zuhause, die sie wegen ihrer Verbindungen zu den Identitären hat, von denen sie sich zu distanzieren versucht. Es nahmen nur ein paar Adlige teil, wie etwa Eduard Habsburg-Lothringen, der Botschafter Ungarns in Italien. Vor zwei Jahren, als der Kongress in Ungarn stattfand, beehrte die Erzherzogin Catharina von Habsburg-Lothringen die Gäste mit ihrer Anwesenheit.

Salvini hätte gerne eine ordentliche, seriöse, attraktive Versammlung der Rechtsparteien vorgezeigt, doch am Ende erhielt er nur einen Haufen Abschaum, sodass der Präsident des Europäischen Parlaments gezwungen war, die Einladung abzulehnen. Letztendlich war der diesjährige WCF ein völliger Fehlschlag. Als wichtigstes Hindernis für seine Pläne stellte sich jedoch der riesige Protest heraus, der in Verona stattgefunden hat. Verona war eigentlich immer eine rechte Stadt. Während der Nazibesetzung war dort das Hauptquartier der Gestapo. Noch nie hat es in Verona so eine große, linke Demo gegeben. Gut gemacht, Salvini! Wenn du so weitermachst, gewinnt die Revolution bestimmt!

(Funke Nr. 173/Mai 2019)


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