Nachdem Anfang Juni die auf allen Ebenen gescheiterte Premierministerin Theresa May ihren Rücktritt bekannt gab, begann in der Konservativen Partei (den Tories) das Wettrennen um ihre Nachfolge. Schlussendlich setzte sich Boris Johnson durch, der vor allem als Befürworter eines harten Brexits bekannt ist. Sein Politisches Auftreten wie seine Frisur lassen ihn als eine Karikatur Donald Trumps erscheinen. Von Felix Feldbern.
Die Mitglieder der Tories konnten zwischen Johnson und Jeremy Hunt als ihren neuen Vorsitzenden wählen. Der als vernünftig geltende Hunt wäre eigentlich der Wunschkandidat des britischen Kapitals gewesen. Schließlich hat er beim Brexit-Referendum 2016 für ein Verbleiben in der EU geworben. Ihm traute man zu, ein „No-Deal-Brexit“-Szenario verhindern zu können und die Interessen der britischen Wirtschaft zu vertreten. Jedoch erhielt der respektable Kandidat der britischen Bourgeoisie am Ende nur ein Drittel der Stimmen der 160.000 wahlberechtigten Tory-Mitglieder. Wahlsieger Boris Johnson widmete seine ganze Kampagne nur einem Thema: Brexit, und zwar so schnell wie möglich und um jeden Preis.
Das Ergebnis spiegelt die Stimmung unter der Mitgliedschaft der Tories wider. Die historisch wichtigste Partei des britischen Bürgertums ist mit der zunehmenden Bedeutungslosigkeit der ehemaligen Weltmacht Großbritannien heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie ist eine Ansammlung der reaktionärsten Elemente der britischen Gesellschaft geworden. Die Mehrheit der Mitglieder spricht sich beispielsweise für die Wiedereinführung der Todesstrafe und gegen gleichgeschlechtliche Ehen aus. Der Austritt aus der EU ist ihnen so wichtig, dass sie scheinbar alles dafür opfern würden. So sagten ca. 60% der Mitglieder in einer Umfrage, dass sie für den Austritt aus der EU in Kauf nehmen würden, dass die britische Wirtschaft erheblichen Schaden nimmt und Schottland die Unabhängigkeit erklärt. Selbst die Abspaltung von Nordirland wäre für sie akzeptabel.
Mit dem Versprechen, Großbritannien nach einem „harten Brexit“ wieder an die Spitze der Weltwirtschaft zu bringen, konnte Johnson bei diesem Klientel punkten. Zahlreiche konservative ParlamentarierInnen sprachen sich mit dem Hintergedanken für Johnson aus, dass sich so die Wahrscheinlichkeit für ihre Wiederwahl erhöhe. Persönliche Interessen über die Interessen des gesamten Systems zu stellen, ist nur ein weiteres Symptom der Degeneration der Tories.
Boris Johnson ist ein rassistischer und reaktionärer Demagoge, er ist aber auch ein Politiker der Reichen. Seine wenigen politischen Statements neben der Brexit-Frage beinhalten Senkungen der Einkommenssteuer für Jahreseinkommen über 54.000 €, was ein Loch von 21 Mrd. € in den britischen Staatshaushalt reißen würde. Außerdem möchte er die Grundsteuer und die Körperschaftssteuer senken. Mit ihm als Premier kann man sich sicher sein, dass die nächsten Sparpakete unmittelbar bevorstehen.
Bei aller Skepsis gegenüber Johnson als Premier gibt es ein Szenario, das die Bürgerlichen noch weit mehr fürchten: Eine Labour-Regierung. Denn die Chancen, dass bei Neuwahlen der künftige Premierminister Jeremy Corbyn heißen könnte, stehen nicht schlecht. Deshalb wird vonseiten der Tories trotz innenpolitischem Chaos und einem in wichtigen Fragen entscheidungsunfähigen Parlament panisch versucht, Neuwahlen zu verhindern.
Diese Regierung wird nicht freiwillig abtreten. Es liegt daher an der britischen Arbeiterbewegung nachzuhelfen. Bereits am Tag von Johnsons Angelobung protestierten bis zu 10.000 Personen unter dem Motto „F*ck Boris“ gegen den neuen Premier. Die Labour Partei organisierte am Tag darauf eine Demonstration für Neuwahlen. Diese Kampagne gilt es auszuweiten und zu verstärken. Die Labour Partei sollte durch Großdemonstrationen und Streiks Neuwahlen erzwingen und durch ein sozialistisches Programm, das eine Alternative zu den Sparmaßnahmen der Tories bietet, eine positive Perspektive aufzeigen.
(Funke Nr. 176/28.8.2019)