Oder besser gesagt: Eine Kriegserklärung an die Labour-Linke
Nach langem Herumwursteln sah sich Boris Johnsons Regierung dazu gezwungen, mit Anfang November einen neuen landesweiten Lockdown auszurufen. Diese Entscheidung löste (wieder einmal) eine Revolte innerhalb der regierenden Konservativen Partei aus. Zahlreiche Parlamentsabgeordnete aus den eigenen Reihen warnten ihren Premierminister, dass ein neuerlicher Lockdown von der Bevölkerung nicht akzeptiert würde, und stimmten gegen den Gesetzesentwurf. In Wahrheit sind fast zwei Drittel der Briten der Meinung, dass der Lockdown viel zu spät kommt. Mit „Bevölkerung“ meinen die konservativen Rebellen offensichtlich diejenigen Fanatiker, von denen es in ihrer Parteibasis nur so wimmelt.
Für die herrschende Klasse ist diese Krise innerhalb der Regierungspartei keine angenehme Sache. Nach dem Brexit-Chaos, dem jahrelangen Schreckgespenst einer möglichen Labour-Regierung unter dem Linken Jeremy Corbyn und der jetzt unkontrolliert wütenden Corona-Pandemie wünscht sich das britische Kapital endlich einmal, zumindest für eine Weile, stabile Verhältnisse.
Sir Keir Starmer, Chef der Labour Partei, steht bereit, die britische Bourgeoisie aus ihrer Zwickmühle zu befreien. Um seine Loyalität unter Beweis zu stellen, hat er es bisher vermieden seine Rolle als Oppositionsführer einzunehmen. Stattdessen sah er seine Berufung darin, der Regierung mit „konstruktiver Kritik“ bei der Bewältigung der Coronakrise zur Seite zu stehen.
Während er aber Johnson mit Samthandschuhen anfasst, geht er mit der innerparteilichen Opposition hart ins Gericht. Starmer, der sich als Kandidat der „Einheit“ präsentierte und ein Ende der „Fraktionskämpfe“ versprach, eröffnete jetzt das Gefecht gegen den linken Flügel, indem er den ehemaligen Vorsitzenden Jeremy Corbyn suspendierte. Dabei stützt er sich auf den Bericht einer Untersuchungskommission, der Corbyns Antisemitismus belegen soll. Der Bericht stellt eigentlich fest, dass sich der Umgang mit Antisemitismus in Corbyns Amtszeit verbessert hat – mangels irgendwelcher glaubwürdigen Argumente wird er jetzt aber trotzdem als Vorwand gegen Corbyn herangezogen.
Damit wurde zum Generalangriff geblasen. Mit dem Vorwurf des Antisemitismus wird jetzt gegen alle Linken in der Partei mobilgemacht. Labour-Angestellte wurden damit beauftragt, die Social-Media-Profile von Labour-Mitgliedern zu durchforsten und diejenigen zu melden, die den Antisemitismus-Bericht kritisch kommentieren.
Die Perspektive Starmers und des rechten Flügels ist es, der krisengebeutelten Johnson-Regierung einen rettenden Anker hinzuwerfen, indem die Labour Partei in eine nationale Einheitsregierung eintritt. Angesichts der sich abzeichnenden Spaltung bei den Konservativen ist das eine Option, die für bürgerliche Strategen zunehmend attraktiver wird. Vorbedingung dafür ist allerdings die Ausschaltung jeder potenziellen Opposition.
Die Linke findet bisher keine Antworten auf diese Provokationen. Anstatt eine Gegenoffensive einzuleiten, appellieren die Führer des linken Flügels an das „fair-play“ der Parteirechten – eine Strategie, die überhaupt erst dazu geführt hat, dass die Parteiführung wieder in rechter Hand ist. Diese Bittstellerei sorgt wiederum dafür, dass linke AktivistInnen an der Parteibasis (hunderttausende von ihnen sind in den letzten Jahren in die Partei geströmt) zunehmend frustrieren und keine Zukunft mehr für Labour sehen.
Stattdessen bräuchte es eine volle Mobilisierung eben jener Parteibasis, um dem Vorstoß der Rechten eine linke Offensive entgegenzusetzen. Dazu gehört es, die pro-kapitalistische Ausrichtung und die schäbigen Manöver der Starmer-Clique offen zu benennen und für ein sozialistisches Programm in der Labour Partei zu kämpfen. Die GenossInnen von Socialist Appeal, der IMT in Großbritannien, tun genau das.
(Funke Nr.188/11.11.2020)