Egal, ob in Russland oder der Ukraine – die Räuberregierungen beider Länder gehen mit harter Unterdrückung gegen jegliche Regimekritik vor und versuchen ihre wackelige Machtposition zu festigen. Vor allem trifft dies die organisierte Arbeiterbewegung. Christoph Pechtl und Daniel Ghanimi berichten.
Seit dem Kriegsbeginn berichten westliche Medien über Proteste von Teilen der russischen Bevölkerung gegen den Krieg in der Ukraine. Demonstrationen werden gewaltvoll niedergeschlagen. Jede Form der Kritik wird als „Nationaler Verrat” gebrandmarkt. Vom Staatsapparat unabhängige Medien werden reihenweise geschlossen. Kleingeredet oder verschwiegen wird im Westen jedoch das Vorgehen der Regierung Selenskyjs. Elf Parteien, darunter die größte Oppositionspartei des Parlaments, sind illegalisiert worden – unter dem Vorwand, sie würden mit Russland zusammenarbeiten. Hierfür wurden keinerlei Beweise vorgelegt. Andere Parteien ohne parlamentarische Vertretung scheinen verboten worden zu sein, weil ihr Name die Worte „Sozialistisch“ oder „Links“ enthält, oder ihre Wahlkreise mehrheitlich von ethnischen RussInnen bewohnt werden. Außerdem sind alle Fernsehsender des Landes zu einem einzigen zusammengefasst worden – unter der Kontrolle des Staatsapparats.
Im Westen nichts Neues?
Repression gegenüber der Arbeiterbewegung und RegimekritikerInnen ist kein neues Phänomen in der Ukraine. Seit dem Zerfall der Sowjetunion regieren dort verschiedene Oligarchencliquen, die ihre persönliche Agenda nur durch Unterdrückung der Arbeiterklasse und Intrigen unter ihresgleichen durchsetzen können.
Als im Zuge der Euro-Maidan-Bewegung eine pro-europäische Oligarchenclique die Macht übernahm, stützte sich die neue Regierung auf nationalistische und faschistische Elemente als Stoßtrupps, um jeglichen Widerstand zu beseitigen. Die Zusammenarbeit des Staatsapparats mit diesen Bewegungen, bzw. seine wohlwollende Passivität gegenüber ihnen, ermöglichte eine Hetzjagd auf die organisierte Arbeiterbewegung – im Interesse des neuen Regimes. Linke, KommunistInnen und GewerkschafterInnen wurden attackiert, entführt und umgebracht, ihre Räumlichkeiten geplündert und niedergebrannt. Dies kulminierte am 2. Mai 2014 im Massaker von Odessa, bei dem mindestens 48 Menschen (Mitglieder von KPU, Komsomol und Borotba) von faschistischen Gangs ermordet und hunderte verletzt wurden. Zusammen mit der direkten staatlichen Repression, dem Verbot der KPU und ihren Symbolen wurden die meisten kommunistischen AktivistInnen in den Untergrund gedrängt. Auf Basis dieser Zersplitterung der Arbeiterbewegung konnten die geplanten Einsparungsprogramme und Privatisierungen durchgeführt werden.
Weitere Repression unter dem Vorwand der Invasion
Selenskyj und seine Regierung nutzen den jetzigen Krieg zynisch aus, um ihre Angriffe auf die Arbeiterbewegung fortzusetzen und jegliche Opposition zu zerschlagen. So wurden bereits am 6. März die Brüder Mikhail und Aleksandr Kononovich vom Ukrainischen Geheimdienst (SBU) festgenommen – unter dem Vorwand, russische Agenten zu sein. Beide sind führende Genossen des Komsomol in der Ukraine, dem Leninistisch-Kommunistischen Jugendverband. Die Öffentlichkeit erfuhr nach einer Woche, dass sie zwar am Leben sind, aber schwer misshandelt und gefoltert wurden. Seitdem gibt es keine neuen Informationen zu ihrer Situation.
Weitere Berichte zeugen von zügelloser Gewalt gegen linke AktivistInnen, etwa gegen Alexander Matjuschenko, einem Antifaschisten und Mitglied des linken Bündnisses „Liwizja” („Linke”) in Dnipro. Er wurde vom SBU misshandelt und später abgeführt. Ein SBU-Agent veröffentlichte Fotos und Videos des blutüberströmten Matjuschenko, wobei er das Emblem einer faschistischen paramilitärischen Organisation (Regiment Asow) in die Kamera hält. Es ist unmöglich, das Ausmaß der brutalen Gewalt gegen linke AktivistInnen und die Anzahl der skrupellosen Festnahmen genau zu bestimmen. In den Worten eines linken Aktivisten: „Wir müssen alle um unsere Freiheit und unser Leben fürchten.”
Repression in Russland
Trotz der pausenlosen Propaganda der russischen Medien kam keine patriotische Kriegshysterie in Russland auf. Um die Illusion von Rückhalt aufrechtzuerhalten, muss jede Form von Protest unterdrückt werden. Nicht nur Demonstrationen werden verboten und gewaltsam aufgelöst, auch einzelne Personen verfolgt der Staatsapparat gezielt. Auf diversen Webseiten werden schwarze Listen von angeblichen SpionInnen veröffentlicht. Die Behörden rufen die Bevölkerung offen dazu auf, alle KritikerInnen der „Spezialoperation” gegen die Ukraine zu melden.
Die offene Arbeit von MarxistInnen und anderen linken AktivistInnen ist in der jetzigen Situation unmöglich. Selbst das Verteilen von Flugblättern vor einem Fabrikeingang oder der Aufruf, kritischen Gewerkschaften beizutreten, kann zur Verhaftung und Misshandlungen durch die Polizei führen. Es wäre die Aufgabe der organisierten Arbeiterbewegung, sich kollektiv gegen diese Repression und den imperialistischen Krieg zu stellen. Doch die Führung der größten Organisation der russischen Arbeiterklasse, der KPRF, steht mit beiden Beinen im chauvinistischen Lager Putins.
Die Parteibürokratie, verwachsen mit den russischen Oligarchen und dem Staat, unterstützt den Ukraine-Krieg. In der Parteibasis schwelt jedoch Widerstand. In einer Erklärung brandmarkt Jewgeni Stupin, ein KPRF-Abgeordneter im Moskauer Regionalparlament, den Krieg als imperialistisch und nationalistisch. Die KPRF wird darin aufgerufen, sich an den Antikriegsprotesten zu beteiligen. Mehr als 500 Mitglieder und SympathisantInnen der Partei unterschrieben diesen Appell. Die Führung denunziert sie als VerräterInnen bzw. FaschistInnen und unterbindet jede offene Debatte. Auch in der Jugendorganisation der Partei (LKSM) versucht man den Widerstand mit bürokratischen Mitteln zu brechen. So wurden die UnterstützerInnen der International Marxist Tendency, der auch der Funke angehört, aus der Parteijugend ausgeschlossen.
Internationale Solidarität
Die Repression des ukrainischen und des russischen Regimes gegenüber Linken ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass keine der beiden Seiten in diesem Krieg eine progressive Rolle spielt. Die Atomisierung der ukrainischen Arbeiterklasse und der Verrat der KPRF-Bürokratie verhindern einen umfassenden Kampf gegen die staatlichen und die faschistischen Unterdrückungsmaßnahmen, sowie den Krieg im Allgemeinen. Unsere Solidarität gilt den verfolgten AktivistInnen auf beiden Seiten der Fronten. Nur ein internationalistischer Standpunkt, der sich nicht von Chauvinismus und Staatspropaganda blenden lässt, kann den ArbeiterInnen aller Länder einen Ausweg aus dem kapitalistischen Elend und der imperialistischen Kriegstreiberei bieten.
(Funke Nr. 203/22.4.2022)