Eine staatsnahe ukrainische Interessensgruppe macht Druck, fünf von sechs Vorstandsmitgliedern der österreichischen Raiffeisenbank International (RBI) auf eine Sanktionsliste zu setzen. Emanuel Tomaselli recherchierte.

Der sechste im Vorstands-Bunde, Andrii Stepanenko, entgeht dem heiligen Zorn der Initiative, obwohl er im Vorstand der russischen Tochter der Raiffeisenbank sitzt. Man darf vermuten, dass diese selektive Beurteilung in Sachen „Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten“ damit zusammenhängt, dass Stepanenko Ukrainer und seit jeher gut in Kiews Machtzirkeln vernetzt ist.

Die materielle Situation ist so: die RBI ist seit 1992 in der Ukraine und seit 1996 in Russland aktiv und spielt in beiden Ländern eine wichtige Rolle. Die Russlandtochter der größten heimischen Bank hat eine Bilanzsumme von 18 Mrd. €, 9.000 Beschäftigte, 2,3 Mio. Einzelkunden und u.a. wichtige Industriebeteiligungen im Rohstoffsektor (Gazprom, Lukoil, Novatek, Rosneft und Tatneft). Die RBI ist aktuell die zehntgrößte Bank Russlands. Die Raiffeisen-Ukraine hat eine Bilanzsumme von 3 Mrd. €, fast 7.000 Beschäftigte, 2,9 Mio. Einzelkunden und ist fünftgrößte Bank des Landes. In Kiew werden auch operative Leistungen für den Gesamtkonzern erbracht, etwa die Entwicklung der IT.

Der Krieg und die Sanktionen veränderten das Geschäftsumfeld, machten es aber nicht weniger gewinnbringend. Im Gegenteil. Als eine der wenigen Banken in Russland (neben der italienischen Unicredit, der amerikanischen Citibank sowie der russischen Gazprombank), ist die RBI nicht vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen und hat damit sogar ein neues Geschäftsfeld erschlossen: die Abwicklung von Zahlungen mit entsprechend hohen Gebühren. Die RBI erwirtschaftete laut Geschäftsbericht im „Osteuropasegment“ in den drei ersten Quartalen 2022 1,442 Mrd. € an Gebühren, im Vorjahreszeitraum waren es noch 391 Mio. €. Sanktionen gegen Russland lassen bei einigen Banken also die Kassen klingeln. Weiters sind ihre Industriebeteiligungen wegen der gestiegenen Rohstoffpreise lukrativer geworden, und der gestiegene Rubelkurs bläht den Gewinn weiter auf. So wird die kommende Jahresbilanz zeigen, dass Österreichs führendes Kreditinstitut trotz der Reduktion des Kreditgeschäfts eine wahre Kriegs- und Sanktionsgewinnerin ist.

Die Freude in der RBI-Zentrale ist aber durch einige Umstände getrübt. Die Überweisung der Gewinne von Moskau nach Wien bedarf nunmehr der Zustimmung der russischen Behörden, und die werden kein Interesse daran haben, dass diese Profite nach Österreich abfließen, welches mittels EU den Krieg mitfinanziert. Die RBI kann diese Geschäfte aber auch kaum machen, ohne am weitgefächerten westlichen Sanktionsregime anzustreifen. Wäre es etwa legal, dass die Wiener RBI-Zentrale US-amerikanische Lizenzsoftware an ihre russische Tochter weitergäbe? Solche Erwägungsentscheidungen würden in Washington gefällt werden. Dabei wird der amerikanische Staatsapparat allein das Kriterium der eigenen strategischen Interessen im Auge haben. „Die Presse“ hat erfahren, dass „hinter den Kulissen das US-amerikanische Finanz- und das Außenministerium Bankengiganten wie J.P. Morgan und Citigroup sogar aufgefordert [haben], weiterhin Geschäfte mit bestimmten strategischen russischen Firmen zu machen. Die Regierung von Joe Biden hat wiederholt erklärt, sie wolle, dass Banken und Unternehmen das Geld in nicht sanktionierte Sektoren der russischen Wirtschaft fließen lassen.“ Eine ukrainische Kampagne gegen die Citibank ist aber nicht bekannt, wohl weil man sich nicht gegen die Interessen die US-Regierung als Hauptinvestor des Krieges stellen will.

Nun zerplatzt die ganze moralische Seifenblase. Letztendlich geht es gar nicht um die Verteidigung der Demokratie und die Namhaftmachung von bösen Buben, sondern um Profite und darum, wer die Profite wo machen darf. Welche Räuber hier gewinnen, ist uns aber egal. Die RBI wird versuchen, derweil ihr Geld weiter diskret unter dem Radar der Mächtigen in Washington und Moskau zu scheffeln, ab und an einen Minister der Republik in eine Hauptstadt ausschicken. Falls sie aber trotzdem stolpert, wird die Republik sie wie schon 2012 wieder retten. Das ist, was „der Funke“ von Anfang an argumentiert: Im Krieg in der Ukraine handelt es sich um einen innerimperialistischen Konflikt zur Neuregelung von Einflusszonen und Profiten zulasten der Arbeiterklasse aller Länder. Wir stehen für die internationale Solidarität und die Enteignung aller Banken und Konzerne unter Kontrolle der Arbeiterklasse.

(Funke Nr. 210/19.1.2023)


Unsere Arbeit kostet Geld. Dabei sind wir exklusiv auf die Unterstützung unserer LeserInnen und UnterstützerInnen angewiesen. Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, zögere nicht und lass uns deine Solidarität spüren. Ob groß oder klein, jeder Betrag hilft und wird wertgeschätzt.

Der Funke  |  IBAN: AT48 1513 3009 5102 5576  |  BIC: OBKLAT2L

Artikel aus der Kategorie