Sevilla ist eine Stadt im Süden von Spanien mit etwa 700.000 EinwohnerInnen. Seit Jahrzehnten investiert der vorherrschende Stromanbieter der Gegend nur das Allernötigste, um so hohe Profite wie möglich zu machen. Für die AbnehmerInnen bedeutet das: stunden- und tagelange Stromausfälle und ein enormes Sinken des Lebensstandards.
Dazu kommen neuerlich noch die enormen Preisanstiege und die Inflation, sowie die hohen Temperaturen (bis zu 47(!) Grad letzten Sommer). Im Juni wurde die Lage der ArbeiterInnen unerträglich und sie begannen sich in Nachbarschaftsverbänden mit dem Namen Barrios Hartos (wütende Stadtviertel), zu sammeln und immer mehr Aktionen zu planen. Barrios Hartos hat seit Oktober 2018 eine eigene Website, auf der nun beinahe täglich Updates gepostet werden. Dabei sprechen sie in ihren Posts auch von der Verstaatlichung der Energiebetriebe und Banken. Zudem zeigen sie die Mängel der bürgerlichen Politik auf, wie etwa defekte öffentliche Brunnen, Defibrillatoren und Erste-Hilfe-Kästen.
Auch der bürgerliche Repressionsapparat, die Polizei, schaltete sich schließlich ein. Im Juli wurde ein Genosse der spanischen Sektion der IMT, Lucha de Clases (Klassenkampf), gewaltsam verhaftet, die Polizei versucht offensichtlich die Bewegung gezielt und brutal zu unterdrücken. Ende Juli besetzten Menschen aus drei verschiedenen Arbeitervierteln das Stadtzentrum von Sevilla in La Planta für mehrere Tage, organisierten Treffen mit mehr als 100 TeilnehmerInnen und planten gemeinsam weitere Schritte. Die unmittelbarste Forderung ist die Installation von provisorischen Strom-Generatoren, um die nötigsten Dinge betreiben zu können. Vor allem die hohen Temperaturen machen der Bevölkerung zu schaffen. Aber allen ist bewusst, dass das Problem so nicht gelöst wird. Denn die Ursache des Problems sind die fehlenden Investitionen in neue Anlagen. Das verantwortliche Energieunternehmen Endesa gibt nur bekannt, dass die Ursache für die häufigen Stromausfälle angeblich an dem illegalen Abzapfen von Strom liegen müsse, unter anderem zum Anbau von Marihuana. Aber das Wichtigste: Man selbst sei nicht schuld, interne, nicht-öffentlich zugängliche Berichte würden dies beweisen, auch die PolitikerInnen stimmen in dieses Lied mit ein. Nachdem es den ganzen August durch immer wieder kämpferische Bewegungen in der Arbeiterschaft Sevillas gegeben hatte und diverse Besetzungen öffentlicher Gebäude auch auf große Sympathie aus der Bevölkerung und Teilnahme von Studentengruppen gestoßen waren, berichtete gezwungenermaßen auch das Radio und Fernsehen über die Ereignisse. Durch diesen Druck von unten, von den ArbeiterInnen, änderte Endesa schließlich ihre Position und gab bekannt, dass zwölf Umspannwerke erneuert werden sollen.
Eine staatliche Obergrenze für Gaspreise und neue Regeln für Strom
Im September trat der „Gaspreisdeckel“ in Kraft. Die spanische Regierung legt bis zum Mai 2023 den Preis für Gas gesetzlich fest, dies sollte die Strompreise bremsen. Die Regierung beabsichtigte, dass die Energieversorger die Differenzen zwischen der gesetzlichen Gaspreisobergrenze und dem Marktpreis selbst aufbringen. Die EU-Kommission bewilligte diesen temporären Ausstieg aus dem „Merit-Order-Prinzip“ im Juni dieses Jahres für Spanien und Portugal.
Gas wird auf der iberischen Halbinsel hauptsächlich zur Stromerzeugung, zur Versorgung der Industrie und in geringerem Umfang zur Versorgung von Haushalten verwendet.
Die Unternehmen halten sich aber schadlos, indem sie die Differenz zwischen dem Marktpreis und gesetzlicher Obergrenze von Gas nichts desto trotz auf den Strompreis aufschlagen.
Die Strompreise schwanken mit der Anzahl der verbrauchten Kilowattstunden. Dabei ist der freie Markt deutlich billiger als der regulierte Markt. Während der Preis auf dem freien Markt zwischen 0,16-0,19 Cent pro kWh liegt, zahlen KundInnen des regulierten Marktes zu Topzeiten 0,74 Cent pro kWh.
Als weitere Maßnahme der Regierung wurden verschiedene Verbrauchsstufen eingeführt, um den Verbrauchsanstieg zu stoppen, aber die meisten Arbeiterklassefamilien verbrauchen den Strom vor allem in den Zeitabschnitten, die am teuersten sind, weil sie ihren Tagesablauf eben nicht frei einteilen können.
Schlussendlich bleiben also diese klassenversöhnenden Absichten der spanischen Regierung nutzlos: Die Privatunternehmen vermeiden ihren potentiellen Profitverlust (wenn der Marktpreis höher als die gesetzliche Gaspreisobergrenze ist), indem sie stattdessen das neue Stromabrechnungskonzept nutzen, um die Strompreise für die Verbraucher zu steigern. Das geltende Recht befugt sie dazu. Weiterhin zahlt die Arbeiterklasse also für die Kriegslust und die Preistreiberei der KapitalistInnen. Die Maßnahmen der Links-Regierung kann die Energiearmut der Arbeiterklasse nicht lösen.
Nach dem ersten großen Erfolg gegen Endesa beschloss man auf einer Versammlung von Barrios Hartos, am 10. September einen Protest speziell gegen dieses neue Gaspreisdeckel-Gesetz zu organisieren, bei dem eine zentrale Forderung auch die Verstaatlichung des Energiesektors und deren Verwaltung durch die ArbeiterInnen ist. Zudem wird gegen die schlechten Löhne, Arbeitsbedingungen, Pensionen und gegen die Angriffe auf die öffentlichen Dienstleistungen auf die Straße gegangen.
Was wir daraus lernen können
Wir zeigen Solidarität für die Forderungen der spanischen ArbeiterInnen! Und mit Blick auf die Ereignisse im Süden Europas können wir uns auf ähnliche Kämpfe in Österreich vorbereiten. Genauso wie dort die Arbeiterviertel betroffen sind, trifft es auch bei uns die ArbeiterInnen, auf deren Kosten auch die Konzerne in Österreich ihre Profite machen! Dabei drückt das Kapital auch noch Sanktionen gegen Russland durch, die sie bei weitem nicht so treffen, wie die österreichischen oder russischen ArbeiterInnen. Sie nutzen die Lage sogar noch weiter aus, um die Preise in die Höhe zu treiben! Aber der Erfolg der SpanierInnen zeigt: Ein gemeinsamer, wenn auch langer Kampf, führt zum Erfolg. Vor allem im Hinblick auf den Winter müssen wir uns zum Kampf gegen horrende Strompreise und schamlose Preistreiberei zusammenschließen. Lasst uns für die Verstaatlichung der Energieanbieter, für die Verteilung der Ressourcen unter Arbeiterkontrolle und den Sturz unserer kriegstreibenden Herrscherklasse kämpfen! Nur so kann diese Ausbeutung gestoppt und die Existenz tausender ArbeiterInnen und ihrer Familien gesichert werden!
Von Katharina Geiger, unserer Spanien-Korrespondentin