In den letzten Jahren befindet sich die sozialistische Bewegung im Baskenland in einem bemerkenswerten Aufschwung. In einem Gebiet, das ungefähr ein Viertel der Einwohner Österreichs zählt, organisieren sich tausende junge Leute gegen die Offensive der Kapitalisten und für die Etablierung eines Arbeiterstaates. Von Laura Höllhumer.

Die neuentstandene Bewegung Mugimendu Sozialista (MS; bask. sozialistische Bewegung) ist Ausdruck dafür, dass die Jugend beginnt die Lehren aus der politischen Sackgasse der letzten Jahrzehnte zu ziehen und an den kämpferischen Traditionen der spanischen und baskischen Arbeiterbewegung anknüpft.

Das Baskenland: Damals und heute

Während dem spanischen Bürgerkrieg in den 1930er Jahren genoss das Baskenland für kurze Zeit weitgehende Autonomie. Mit dem Sieg des Faschismus unter Franco 1937 allerdings wurde neben der politischen und sozialen Unterdrückung durch die Diktatur auch die baskische Kultur und Sprache verboten und verfolgt. In den 1970er Jahren begann die Arbeiterklasse gegen die Franco Diktatur zu kämpfen. Insbesondere die hoch industrialisierten Regionen Baskenland und Katalonien waren Hochburgen der Bewegung. Mit Massenmobilisierungen und Streiks führten die Jugend und die Arbeiterklasse einen entschiedenen Kampf gegen die Diktatur und die nationale Unterdrückung. In diesem Kontext entwickelte sich auch die ETA, eine baskisch-nationalistische Untergrundorganisation. Die brutale Unterdrückung durch das Franco Regime war die Grundlage für die große Sympathien unter der baskischen Bevölkerung für die ETA. Ein weiterer Faktor für ihre Popularität war, dass die spanische Sozialdemokratie PSOE nach dem Sturz der Franco-Diktatur gemeinsam mit ihrem sozialistischen Programm auch die Unterstützung für die nationale Selbstbestimmung der Basken fallen gelassen hatte, was einen gemeinsamen Kampf verunmöglichte.

Die Ausrichtung der ETA auf individuellen Terrorismus anstatt auf den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse ganz Spaniens erwies sich als schwerer Fehler. Insbesondere nach dem Sturz Francos isolierte und zermürbte diese Orientierung eine ganze Generation, die eine wichtige Rolle in der Arbeiterbewegung spielen hätte können. 2011 gab sie schließlich jegliche bewaffnete Aktion auf und 2018 ging sie in der linksnationalen Parteienkoalition EH Bildu auf, welche den Weg der Institutionalisierung ging und sich der bürgerlichen Politik und der spanischen Zentralregierung unterordnete.

Die sozialistische Bewegung MS entstand als Abspaltung von der baskisch-nationalistischen Linken. Sie besteht aus mehreren Organisation, wobei die Jugendorganisation Gazte Koordinadora Sozialista (GKS, Junge Sozialisten) die führende Rolle einnimmt. Die Bewegung kritisiert den Rechtsruck der Führung von EH Bildu, die sich sowohl vom Kampf für die Unabhängigkeit des Baskenlandes als auch vom Kampf für den Sozialismus abgewandt hat. Die Mehrheit der organisierten Jugend schloss sich in dieser Auseinandersetzung den radikalen Sozialisten an.

Gegen die Offensive der Bourgeoisie

Die neuentstandene Bewegung beteiligte sich mit großen kämpferischen Blocks an den Demos zum Internationalen Frauenkampftag und dem Gedenken an das Massaker von Vitoria vom 3. März 1976 (ein Massaker an einer Versammlung von Arbeitern durch das Franco Regime). Aber die größte Mobilisierung fand nun schon das zweite Jahr in Folge unter dem Slogan „Gegen die Diktatur der Bourgeoisie“ statt. Ende Jänner demonstrierten in Bilbao und in Pamplona mehr als 7.000 für den Sozialismus. „Die Arbeiterjugend kämpft gegen die Offensive der Kapitalisten und der herrschenden Klasse“, hieß es im Aufruftext. Demosprüche wie „Die Rache der Arbeiter: Sozialistische Revolution“ oder „Klassenkampf ist der einzige Weg vorwärts“, waren zu hören. Das zeigt eine lebendige sozialistische Bewegung mit beeindruckendem Mobilisierungspotential und das vollkommen selbstorganisiert.

Dass die Organisatoren und die Teilnehmer allesamt sehr jung sind, beweist, wie ernsthaft sich die baskische Jugend dem Kampf für den Sozialismus verschrieben hat. Dabei handelt es sich nicht um ein isoliertes Phänomen: In Katalonien gibt es mit der Gründung von Horitzó Socialista (Sozialistischer Horizont; HS) ebenfalls eine neue kommunistische Jugendformation, die sich von der alten reformistischen-nationalistischen Linken abgetrennt hat.

Gemeinsam mit der zunehmenden Verelendung durch Krise und Pandemie begann eine tiefgreifende Radikalisierung, die ihren Ausdruck in erwachendem Klassenbewusstsein und wachsendem Interesse an sozialistischen Ideen fand. Auf Kosten von Prekarisierung, Arbeitslosigkeit, niedrigen Löhnen und befristeten Arbeitsverträgen verzeichnen die Unternehmer astronomische Profite. Die Preissteigerungen machen das Lebensnotwendige unleistbar und die Sparpolitik zerstört den Sozialstaat und das Gesundheitssystem. Weiters wehren sich die kommunistischen Jugendlichen gegen die verschärfte Repression, die Einschränkung politischer Freiheit und die Kriminalisierung der Jugend. Keine der politischen Parteien hat darauf eine Antwort, sie sind vom Leid der Bevölkerung entfremdet.

GKS benennen den Verrat der linken Parteien, die die Angriffe zuerst mittragen und später auf heuchlerische Weise kritisieren.

Revolutionäres Programm

Das war die Grundlage für die Konstituierung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse mit internationalistischer Perspektive und einem klaren Ziel: die Errichtung eines sozialistischen Staates.

Über die Frage, wie dieses Ziel verwirklicht werden kann – über das Verhältnis von Reform oder Revolution – findet eine lebendige Debatte in der Bewegung statt. Führende Akteure von GKS und der katalanischen HS argumentieren, dass es ausreicht die Notwendigkeit des Sozialismus direkt aus den existierenden Missständen zu erklären und dafür einen Kampf zu organisieren, ohne konkrete Forderungen zu erheben. Sozialismus sei „Zweck und Mittel zugleich“.

Doch die Notwendigkeit der Revolution kann nicht einfach behauptet werden, die Massen können revolutionäre Schlüsse nur aus den konkreten Erfahrungen des Klassenkampfs ziehen, in denen konkrete Anliegen erkämpft werden sollen. Unsere spanischen Genossen der IMT (Lucha de Clases – Klassenkampf) beteiligen sich aktiv an dieser Diskussion und argumentieren für Übergangsforderungen, Forderungen die mobilisierend auf die Arbeiterklasse wirken und eine Brücke schlagen, von den alltäglichen Problemen hin zur Machtergreifung der Arbeiterklasse. Beispielsweise schlagen die Genossen vor, die Verstaatlichung von einzelnen Sektoren – Elektrizität, Telekommunikation, Banken und Leerstehenden Wohnraum – unter der Kontrolle der Beschäftigten zu fordern.

Dreierlei Forderungen sind noch kein Sozialismus (wie die sozialistische Bewegung klar weiß), doch sind sie Mittel, damit die Arbeiterklasse lernt, dass ein Ende der Ausbeutung und Unterdrückung nur durch einen entschiedenen Klassenkampf und den Sturz des Kapitalismus möglich ist. Es gilt diese wichtige Debatte weiter zu vertiefen und die Bewegung auf andere Regionen auszuweiten. Begegnen wir der Diktatur der Bourgeoisie mit einer Offensive der Arbeiterklasse!

(Funke Nr. 213/24.4.2023)


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