Seit Anfang Oktober kämpfen die SchülerInnen, StudentInnen und LehrerInnen gegen die Bildungspolitik der rechten Regierung. Durch Demonstrationen, Versammlungen, Sit-ins, Besetzungen von Schulen und Universitäten widersetzen sie sich einem beispiellosen Angriff auf das öffentliche Bildungssystem. Ein Bericht von Serena Capodicasa aus Bologna.
Worum geht es?
Dieser Angriff betrifft alle Ebenen des Bildungssystems. In der Grundschule wird der „einzige Lehrer“ (statt aktuell 3 pro Klasse) wiedereingeführt, das heiβt Abbau von Arbeitsplätzen und die Abschaffung der „Ganztags“-Schule, was vor allem für die Arbeiterinnen extrem negative Auswirkungen haben würde. Insgesamt betragen die Kürzungen bei den öffentlichen Schule in den nächsten 3 Jahren 8 Milliarden Euro, was den Abbau von 140.000 Arbeitsplätzen (87.000 Lehrstellen und 43.000 Verwaltungsposten) bedeutet. Was die Universitäten anbelangt, betragen die Kürzungen 1,5 Milliarden Euro, auβerdem wird die Anstellung von universitären ForscherInnen blockiert. Eine weitere Neuerung betrifft die Möglichkeit für die öffentlichen Universitäten, sich in privaten Stiftungen umzuwandeln. Das ganze Programm kann so zusammengefasst werden: „Privatisierung des Bildungssystems“. Um zu überleben, müssen die Schule und die Universitäten nach privaten Finanzierungen suchen und sich den Interessen der finanzierenden Konzerne unterwerfen, gleichzeitig werden die Studiengebühren erhöht. So wird die soziale Selektion weiter verstärkt, weil immer weniger ArbeiterInnen werden sich eine gute Bildung für ihre Kinder leisten können.
Und das ist nicht alles: „Zum Alten zurückkehren wird ein groβer Fortschritt sein“, so klingt die Losung der Bildungsministerin Maristella Gelmini zu Fragen der Disziplin in den Schulen. Die Betragensnote wird für die Versetzung wieder verbindlich sein: Mit einem „5er“ bleibt man sitzen (in Italien werden die Noten von 1 zu 10 ausgedrückt). Die Absicht einer solchen repressiven Maßnahme ist klar: sie soll Widerstand an den Schulen schon im Keim ersticken.
Die Antwort der SchülerInnen, StudentInnen, ArbeiterInnen
Das war trotzdem nicht genug, um die stärkste SchülerInnnen- und StudentInnenbewegung seit 1968 auszulösen. Schon am 10. Oktober haben Demonstrationen mit mehreren Tausenden SchülerInnen stattgefunden. Massendemonstrationen haben auch anlässlich des Streiks der Schule am 17. Oktober in Mailand, Bologna, Florenz, Rom, Neapel, Palermo stattgefunden. Am von der CGIL organisierten regionalen Schülerstreik in der Toscana am 21. Oktober haben über 40.000 SchülerInnen und StudentInnen auf den Straßen von Florenz demonstriert. In Mailand haben 2.000 StudentInnen an der Generalversammlung der Universität teilgenommen, von der ein spontaner Umzug ausgegangen ist. In Neapel haben spontane SchülerInnendemos aus den Schulen die Universität erreicht. In Palermo haben 20.000 StudentInnen an einer Demo teilgenommen, das hat es seit 1991 nicht mehr gegeben! Die Versammlungen, die täglich in den Schulen und Universitäten stattfinden, werden durchschnittlich von Hunderten von Menschen besucht. Die Polizei schätzt, dass mehr als 300 Veranstaltungen im vergangenen Monat in ganz Italien stattgefunden haben.
Bedrohung der Repression
Gegenüber einer solch kämpferischen Antwort hat Berlusconi mit der Anwendung von Gewalt gegen die Besetzung von Schulen und Universitäten gedroht. Gleichzeitig kam es zu faschistischen Provokationen, wie am 29. Oktober in Rom, wo Straßenschachten zwischen rechtsextremen Gruppen und linken AktivistInnen stattgefunden haben.
Die Provokationen der Regierung und der Faschisten haben die Kampfbereitschaft der SchülerInnen und StudentInnen aber nur verschärft. Dieser Kampf ist ein sehr politischer, er wendet sich gegen die Regierung, die das öffentliche Bildungssystem zerstören will. Es ist im Grunde genommen eine Form des Klassenkampfes, nicht zufällig lautet die Hauptlosung der Bewegung: „Eure Krise bezahlen wir nicht!“
Der 30. Oktober: die Bewegung nimmt zu
Die Bewegung hat am 30. Oktober mit einem Schulgeneralstreik eine höhere qualitative Ebene erreicht: Es wird geschätzt, dass 2 Millionen Menschen in ganz Italien demonstriert haben. Eine riesengroβe Demo mit einer Million Menschen hat in Rom und einer Vielzahl kleinerer Demonstrationen haben nicht nur in den wichtigsten Städten, sondern auch in der Provinz (200.000 in Sizilien zum Beispiel!) stattgefunden. Das Hauptkennzeichen dieser Bewegung war extrem sichtbar: SchülerInnen, StudentInnen, LehrerInnen, universitäre ForscherInnen, Eltern der GrundschülerInnen, ArbeiterInnen und Studierende: Alle Gruppen aus dem Bildungsbereich kämpfen GEMEINSAM gegen die Maßnahmen der Regierung geeint.
Sie bekommen außerdem auch die Solidarität der ArbeiterInnen anderer Bereiche. In einer Metallfabrik in Bologna hat z.B. der Betriebsrat zum Beispiel eine Resolution zur Unterstützung der StudentInnenproteste verabschiedet. In einem Kontext von ökonomischer Krise, in dem die gesamte ArbeiterInnenbewegung mit Angriffen konfrontiert wird, kann die Bewegung in den Schulen und Universitäten ein Funke für Arbeiterkämpfe darstellen, wie es im Herbst 1969, dem „Heiβen Herbst“, der Fall war. Damals haben die Kämpfe der Studierende einen Katalysator für den allgemeinen Klassenkampf dargestellt, wodurch Italien in eine revolutionäre Situation gekommen war.
Schon 5 Streiks sind für die nächsten Wochen beschlossen worden: öffentlicher Dienst am 7. November, öffentlicher Verkehr am 10., Universitäten am 14., Handel am 15., Metallindustrie am 12. Dezember. Nun müssen wir ALLE uns vereinen: nur zusammen können wir die Angriffe der Regierung gegen die SchülerInnen, die StudentInnen und die gesamte ArbeiterInnenbewegung zurückschlagen. Das beste Mittel dafür ist ein Generalstreik, der das ganze Land zum Stillstand bringen und die Macht der ArbeiterInnenklasse unter Beweis stellen würde.
Welches Programm?
Die Kampfbereitschaft, die wir in den letzen Wochen an den Tag gelegt haben, kann uns zum Sieg führen. Der nächste Schritt muss die Vereinigung aller lokalen Kämpfe sein, demokratisch gewählte Komitees bilden, die sich vernetzen. Eine nationale Versammlung der Bewegung sollte ein Programm mit klaren Lösungen in Verteidigung des Rechts auf Bildung ausarbeiten:
Als AktivistInnen der „Komitees in Verteidigung der öffentlichen Schule“ (CSP) und der „StudentInnenvernetzung“ (CSU) halten wir die folgenden Punkte für entscheidend:
- Zurückziehung der Maßnahmen der Regierung
- Abschaffung der finanziellen „Schulautonomie“ und der Finanzierung der privaten Schulen
- Kostenlose Ausbildung für Alle
- Nein zu prekären Beschäftigungsverhältnissen in den Schulen und Universitäten
- Rücktritt der Minister für Bildung und Wirtschaft
- Für einen 24-Stunden-Generalstreik!
ArbeiterInnen, SchülerInnen und StudentInnen: Zusammen können wir gewinnen!
weitere Infos auf der Website der marxistischen Strömung in Italien Falce Martello