Seit Monaten gehen in Stuttgart Woche für Woche zigtausend Menschen gegen das Großprojekt Stuttgart 21 (S21) auf die Straße. Nachdem die Polizei am Donnerstag, 30. September, mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummiknüppeln gegen jugendliche und auch ältere Demonstranten vorgegangen ist, zogen einen Tag später 100.000 S21-Gegner durch die Stuttgarter Innenstadt. Das Flugblatt unserer deutschen GenossInnen.

Es gibt viele gute Argumente gegen S21

Sinnlos und teuer. Beim Projekt eines unterirdischen Durchgangsbahnhofs an Stelle des derzeitigen Stuttgarter Kopfbahnhofs mit 33 km Tunnelstrecke würden Milliarden vergraben. Frankfurt, München, Zürich und Leipzig zeigen aber, dass moderne Kopfbahnhöfe auch im 21. Jahrhundert sehr gut funktionieren können. In Frankfurt haben die Planer die Idee eines Durchgangsbahnhofs in der City schon vor zehn Jahren begraben. Die geschätzten Kosten von mindestens 11 Milliarden Euro für die Untertunnelung Stuttgarts und eine neue ICE-Schnellstrecke nach Ulm fehlen bei der Bildung, dem Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs in der Fläche und im Gesundheitswesen.

Weniger Bahn. Der geplante Tiefbahnhof hätte mit nur noch vier Bahnsteigen eine geringere Kapazität als der jetzige Kopfbahnhof. Dabei steigen 90 Prozent der Fahrgäste in Stuttgart ein, aus oder um. Für Berufspendler und Menschen mit eingeschränkter Mobilität wäre der Umstieg über Rolltreppen und Aufzüge komplizierter und mühsamer als heute. Für den Schienengüterverkehr taugt das Neubauprojekt überhaupt nicht.

Wenige Profiteure – viele Verlierer. Stuttgart 21 ist ein gigantisches Immobiliengeschäft. 100 Hektar Grund und Boden in bester City-Lage sollen privatisiert und an Investoren und Spekulanten verkauft werden. Dazu muss die Bahn auf Steuerzahlerkosten unter die Erde gelegt werden. Profiteure sind neben Großbanken vor allem Baukonzerne, die das Projekt mit Dumpinglöhnen und einem Geflecht von Subunternehmen und Leiharbeitsfirmen durchziehen wollen.

Demokratie bleibt auf der Strecke. Umfragen belegen eine klare Mehrheit der Bevölkerung in Stuttgart und Baden-Württemberg gegen S21. Doch die Profiteure und mit ihnen verbandelten Politakteure in Stadt, Land und Bund wollen das Projekt durchpeitschen. Ihr Argument, alles sei demokratisch entscheiden worden, zieht nicht. Denn 2007 haben 61.000 BürgerInnen Stuttgarts ein Bürgerbegehren zum Ausstieg aus S21 unterzeichnet. Ein Bürgerentscheid wurde damals mit rechtlichen Tricks verhindert. Neue kritische Gutachten und die ständig in die Höhe schnellenden geschätzten Baukosten, mittlerweile im zweistelligen Milliardenbereich, zeigen, dass die Geschäftsgrundlage für frühere Parlamentsbeschlüsse entfallen ist. Wo Argumente versagen, setzen „Basta“-Politiker jetzt Wasserwerfer, Schlagstöcke und Tränengas ein. Daher: Volksentscheid, Landtagsauflösung und Neuwahlen jetzt!

Flächenbahn statt Flughafenzubringer und Rennstrecken! Die einseitige Orientierung der Deutschen Bahn auf Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Großstädten und schnelle Zubringerdienste für Flughäfen dient nur einer Minderheit. Die allermeisten Menschen brauchen die Bahn im Alltag für den Weg zur Arbeit oder in ihrer Freizeit. In vielen Regionen Baden-Württembergs und bundesweit sind Ausbau, Sanierung, Elektrifizierung und Wiederinbetriebnahme stillgelegter Schienenstrecken dringend nötig. Der regionale Güterverkehr, aus dem sich die Bahn weitgehend zurückgezogen hat, gehört wieder auf die Schiene. All dies würde den Menschen flächendeckend zu Gute kommen und viel mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen als S21.

Demokratisierung statt Privatisierung der Bahn! Die Deutsche Bahn AG ist noch im Bundesbesitz. Doch der Auftrag der Politik, die Bahn baldmöglichst an die Börse zu bringen, besteht weiter. In Bahnvorstand und Aufsichtsrat gibt die Lobby der Banken und Großkonzerne den Ton an. In ihrem Interesse will auch DB-Chef Rüdiger Grube S21 durchpeitschen. Die Kapital-Lobby hat aber im Bahn-Management und Aufsichtsrat nichts zu suchen. An ihre Stelle gehören erfahrene Eisenbahner, ausgewiesene Bahnfachleute, Vertreter der Umwelt- und Fahrgastverbände und konsequente Gewerkschafter. Statt einer auf privaten Profit orientierten Börsenbahn brauchen wir eine transparente und demokratisch kontrollierte Eisenbahn als Rückgrat eines sozialen und ökologischen öffentlichen Verkehrssystems!

Schluss mit der Geheimdiplomatie! Offenlegung aller Verträge, Vereinbarungen, Abhängigkeitsverhältnisse und Parteispenden im Zusammenhang mit S21! Die Profiteure von S21, Banken, Bau- und Medienkonzerne gehören in öffentliches Eigentum und unter demokratische Kontrolle!

Stuttgart 21 ist überall! Solidarisieren wir uns bundesweit mit den Massenprotesten gegen S21. Sofortiger Baustopp! Widersinnige Großbauprojekte, Verkehrsplanungen zum Schaden der Menschen und kapitalhörige Politiker gibt es überall. Nur durch massenhafte Proteste können wir sie stoppen! Millionen sind stärker als Millionäre.


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