Die Krawalle in London und anderen Großstädten aus marxistischer Sicht analysiert Alan Woods.

Die frühere Vorsitzende der Konservativen Partei Margaret Thatcher (jetzt Lady Thatcher) sagte einmal: „Es gibt so etwas wie eine Gesellschaft gar nicht“. Drei Jahrzehnte später hat diese Gesellschaft der
herrschenden Klasse aber ihre Existenz eindrücklich wieder in Erinnerung gerufen.

Innerhalb von 48 Stunden wurde England von einer Welle von Ausschreitungen erschüttert. London stand drei Nächte lang im Zeichen von Plünderungen und Chaos. Hunderte Menschen wurden festgenommen, als die Polizei dagegen vorging; Polizeiautos wurden zerstört und Geschäfte ausgeraubt. In einigen Teilen der Stadt spielten sich Szenen ab, die an einen Krieg erinnerten.

Begonnen hatte alles, als ein junger Schwarzer, Mark Duggan, von der Polizei in Tottenham (im Norden Londons) erschossen wurde. Wie es dazu kam, ist immer noch unklar. Dies war Teil einer sogenannten „vorgeplanten“ Aktion, bei dem im Rahmen der Operation Trident („Dreizack“) gegen die bewaffnete Kriminalität in Londons afrikanischer und karibischer Community vorgegangen werden soll.

Anscheinend hat die Polizei Mr. Duggan in einem Taxi aufgehalten. Zuerst berichtete die Polizei, dass er in einem Schusswechsel getötet wurde, dass er eine Waffe in der Hand hielt und dass er damit auf die Polizei geschossen habe. Die Polizei hat aber gelogen, denn es hat sich inzwischen herausgestellt, dass es kein Schussgefecht gab. Es wurden nur zwei Kugeln abgefeuert, beide aus Polizeiwaffen. Dieser plumpe Versuch der Verschleierung hat nur Öl ins Feuer gegossen. Eine Demonstration marschierte am Samstag von Duggans Familie angeführt zur Polizeistation und forderte Erklärungen zu seinem Tod. Es wurden aber seitens der Polizei keine Informationen herausgegeben, die Menge musste stundenlang warten. Doch dann kam es zu einer regelrechten Explosion auf den Straßen von Tottenham. Anscheinend war der konkrete Auslöser eine brutale Amtshandlung eines 16-jährigen Mädchens durch die Polizei. Die Unruhen breiteten sich dann in das nahegelegene Wood Green und Tottenham Hale aus.

In der Folge breiteten sich die Unruhen immer mehr aus. Nachdem in London das Polizeiaufgebot auf 16.000 BeamtInnen aufgestockt worden war, kehrte dort zwar so etwas wie Friedhofsruhe ein, dafür loderten in anderen Großstädten auf der Insel neue Brandherde auf.

Über Kriminelle und Kriminalität

Das politische Establishment hat auf vorhersehbare Weise reagiert.

Innenministerin Teresa May hatte sehr schnell eine Erklärung parat und denunzierte die Unruhen als „reine Kriminalität“ und die Verantwortlichen als Kriminelle, die mit der vollen Härte des Gesetzes
bestraft werden müssten. Sie rief „alle Einwohner der betroffenen Gemeinden“ dazu auf, „konstruktiv mit der Polizei zusammenarbeiten und ihr zu helfen die Kriminellen der Justiz zu übergeben.“

Natürlich sind kriminelle Elemente in einer kapitalistischen Gesellschaft allgegenwärtig. Marx bezeichnet sie im Kommunistischen Manifest als „die gefährliche Klasse [Lumpenproletariat], den sozialen Abschaum, die passiv vor sich hin rottende Masse, Auswurf der untersten Schichten der alten Gesellschaft.“

In diesen untersten Schichten der Gesellschaft finden sich einige deklassierte und kriminelle Elmente, die immer zu Raub und Brandstiftung bereit sind. Zu ihnen gehören auch professionelle Kriminelle. Aber die große Mehrheit derer, die in den letzten Tage an den Unruhen teilgenommen haben, gehört nicht dazu. Es waren Kriminelle beteiligt, kein Zweifel, aber in einer kleinen Anzahl. Die große Masse wurde von anderen Beweggründen geleitet.

Haben diese Unruhen vielleicht irgendetwas mit den großen sozialen und ökonomischen Problemen in Großbritannien zu tun? Wurden sie vielleicht mit ausgelöst durch die hohe Arbeitslosenrate unter jungen Menschen, speziell jungen Schwarzen? Könnten sie vielleicht mit den Kürzungen im Sozialbereich durch die Regierung zusammenhängen, die besonders die unteren Schichten der Bevölkerung getroffen haben? Was ist mit den rassistischen Polizeistrategien, die speziell schwarze und asiatische Jugendliche ins Visier nehmen?

Natürlich nicht! Darin sind sich PolitikerInnen jeder Couleur einig. Einig darin, das hier „gewöhnliche Kriminelle“ am Werk sind, die mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden müssen. In diesen Aussagen findet die Ignoranz der PolitikerInnen ihren krudesten Ausdruck. Die Idee, dass tausende von Jugendlichen für ein neues Paar Turnschuhe die Straßen in Besitz nehmen und die Polizei attackieren, ist der Gipfel der Absurdität. Selbst wenn das alles Kriminelle sind, wären sie das auch sicherlich vor den Ausschreitungen gewesen. Warum brachen dann die Unruhen jetzt aus und nicht vor zwei, fünf oder zehn Jahren?

Lasst uns die Frage ganz einfach stellen, so dass auch eine Innenministerin der Tories sie verstehen kann. Wenn ein Jugendlicher einen Arbeitsplatz mit einem akzeptablen Gehalt hat, hat er keinen Grund in ein Geschäft einzubrechen und sich seine Turnschuhe zu klauen. Das ist auch der Grund, wieso so wenige Bankmanager des Ladendiebstahls überführt werden. Diese Bevölkerungsgruppe hat keinen Grund zum Einbruch und Diebstahl, weil sie sich schon an einen anderem, besser gefülltem Fleischtopf ihr Plätzchen gesichert hat, in den Ausgaben des Finanzministeriums nämlich, das Millionen und Abermillionen Pfund den Banken in den Rachen geworfen hat, während man den ausgehungerten Gemeinden versicherte, dass kein Geld für Sozialausgaben für Schulen und Wohnungen mehr übrig sei.

Die kapitalistische Gesellschaft ist eine kranke Gesellschaft, sie brütet den moralischen Niedergang in ihrem innersten Kern aus, der wiederum der Nährboden für alle Arten von Kriminalität bildet. Es gibt die Kriminellen der oberen Zehntausend, die mit der Zeit wohlhabend, fett und reich werden und den ihnen gebührenden Platz im House of Lords einnehmen, und die kleinen Kriminellen, die in den Slums vor sich hin vegetieren und versuchen durch Verbrechen zu Reichtum und Wohlstand zu gelangen und früher oder später in den Gefängnissen „ihrer Majestät“ zu Gast sind.

Solon der Große von Athen sagte einmal: „Das Gesetz ist wie eine Spinnennetz, die Kleinen bleiben darin hängen, die Großen zerreißen es und kommen davon.“ Die Medien geifern vor lauter Hass gegen die Randalierer, die laut Medienberichten von der unstillbaren Gier nach neuen Turnschuhen angetrieben werden. Aber Moment, liegt nicht ein Fehler in dieser Logik? Wenn ein armer schwarzer Jugendlicher ein Geschäft in Brixton ausplündert, wird er verhaftet und eingesperrt. Wenn aber Bänker ganze Ökonomien in Schutt und Asche legen, werden sie mit Milliarden von Pfund belohnt.

Die herrschende Klasse wettert gegen die Gier und Kriminalität in den Straßen von Hackney und Brixton. Welches Recht haben aber die PolitikerInnen überhaupt, die randalierenden Jugendlichen über Moral zu belehren? Das sind die gleichen Damen und Herren, die vor nicht allzu langer Zeit logen und betrogen und öffentliche Gelder dazu missbrauchten, sich ihre Luxuswohnungen zu renovieren, Schwindel mit Grundstücken zu betreiben und sich ihre Schlösser auf Steuerkosten renovieren zu lassen. Was ist das, wenn nicht Kriminalität und Gier der herrschenden Klasse in Großbritannien?

Und deren Lakaien von der Presse, die nun aufheulen und gegen die jugendlichen „Kriminellen“ hetzen? Ist das nicht die gleiche Presse, die sich nun vor Gericht wiederfindet und des Hackens von Mobiltelefonen ermordeter Teenager, des Bestechens von Polizeibeamten und der Einflussnahme und Einschüchterung von PolitikerInnen angeklagt wird? Verglichen mit der Gier und der Skrupellosigkeit der Presseleute ist der durchschnittliche Randalierer von Hackney oder Brixton ein unschuldiges Lämmchen.

Sind wir für Randale und Krawalle?

Sollten MarxistInnen Randale, Plünderungen und Vandalismus gut heißen?
Natürlich nicht! Wir heißen ja auch Krebsgeschwüre nicht für gut. Aber wir alle wissen, dass es nicht reicht, Krebsgeschwüre zu verdammen. Man muss die Ursachen ergründen und eine Therapie zur Heilung finden.

Wir sind grundsätzlich gegen Randale und Plünderungen. Aber darin haben wir nichts gemeinsam mit der zum Himmel Heuchelei der Bourgeoisie. Wir sind dagegen, weil sie ein sinnloses und zerstörerisches Unterfangen sind, das kein bisschen zur Lösung der Probleme der Jugend beiträgt und ihre Lage sogar noch verschlimmert. Wie sollen die Verwüstungen und das Anzünden von Läden dazu beitragen, mehr Arbeitsplätze für die Jugend zu schaffen?

Wir sind auch deswegen dagegen, weil die Hauptopfer dieser Randale und Krawalle ärmere Leute sind. Die angezündeten Läden und Geschäfte sind überwiegend kleine Betriebe, die Anwohnern gehören. Die Reichen leben nicht in Brixton oder Hackney. Diese Form des Zusammenbruchs von Recht und Ordnung gefährdet nicht die Existenz der wahren Kriminellen in dieser Gesellschaft, denn die Reichen und Superreichen verfolgen die Vorkommnisse aus einer sicheren Distanz und gut geschützt durch
Polizeikräfte, die in dieser Nacht in den ärmeren Gebieten Londons sichtbarerweise fehlten. In den Krawallen haben ärmere Menschen durch die wahnsinnigen Taten der Brandstifter Wohnungen und Besitz verloren. Das ist mit Sicherheit verbrecherisch.

Vor allem lehnen wir solche Methoden ab, weil sie der herrschenden Klasse eine starke Waffe und Munition für ihre Propagandamaschinerie liefern. So lassen sich alle Menschen, die für eine neue und bessere Welt kämpfen, in Verruf bringen. Damit können die Massenmedien die ganze kritische Jugend in Großbritannien kriminalisieren und kollektiv verantwortlich machen für die Dummheit einer kleinen
Minderheit, die nicht nachdenkt, und einer kleinen Zahl Krimineller, die als Trittbrettfahrer jede soziale Unruhe ausnutzen, um zu plündern und Häuser in Brand zu stecken.

Die Reaktionäre machen sich dies bereits zunutze und fordern mehr staatliche Repression. Premierminister David Cameron sprach von „purer und schlichter Kriminalität“. Die Verantwortlichen werde „die volle Härte des Gesetzes“ treffen und Gerichte würden im Schnellverfahren die Täter aburteilen. Sky News forderte in einer besonders üblen Kampagne die Zulassung von Tränengas und Gummigeschossen bei Polizeieinsätzen und den Einsatz der Armee auf den Straßen der Großstädte.

Wenn die ArbeiterInnenbewegung ihrer Verantwortung gewachsen wäre, hätte sie schon längst Arbeitslose und Jugendliche organisiert und näher an die organisierten Teile der ArbeiterInnenklasse herangeführt. Aber die Gewerkschaftsführer zeichnen sich durch eine besonders engstirnige Sichtweise aus und setzen keine ernsthaften Schritte, um die Unorganisierten zu organisieren.

Die rechte Labour-Führung ist Lichtjahre von der harten Lebenswirklichkeit der ArbeiterInnenklasse entfernt. In der Parlamentsfraktion sitzen vor allem KarrieristInnen aus der Mittelschicht, die keine Ahnung davon haben, was es heißt, nur mit dem Arbeitslosengeld in einem dieser verarmten Stadtteile leben zu müssen. Ein „Labour“-Abgeordneter aus Birmingham (dort gab es auch Krawalle) hat erklärt, es handle sich um die Aktionen gemeiner Krimineller, die die volle Härte des Gesetzes spüren müssten usw. Das ist genau der Ton, den auch die Konservativen anschlagen.

Ohne ein politisches Sprachrohr müssen die unorganisierten Jugendlichen die Folgen der kapitalistischen Krise alleine tragen, ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen und in eigener Verantwortung handeln. Einerseits sind sie einer Propagandalawine im Fernsehen ausgesetzt, wo
sie sehen, wie andere ein gutes Leben führen, von dem sie ausgeschlossen sind. Sie sind massiver Reklame ausgesetzt, die das Leben als einzige Konsumparty präsentieren, aber gleichzeitig schlägt man ihnen die Tür zu solch einem Leben vor der Nase zu.

„Warum sollten die Reichen alles haben und wir nichts?“ Diese Frage ist durchaus nachvollziehbar und vernünftig. Aber ohne eine revolutionäre Partei, die aufzeigt, wie eine kollektive Befreiung möglich ist und die Gesellschaft aus Elend und Armut herausgeführt und auf eine höhere Ebene angehoben werden kann, werden sie zwangsläufig nach individuellen Auswegen suchen und sich die fehlenden Konsumgüter eben gewaltsam besorgen, wie wir das im Zuge dieser Krawalle gesehen haben.

Das kann man beklagen, aber es ist eine zwangsläufige Folge des Kapitalismus und der Marktmoral. Der Kapitalismus lehrt die Leute, egoistisch, selbstsüchtig und gierig zu sein, weil darin seine Haupttriebfeder liegt. Im Kapitalismus regiert das Gesetz des Dschungels, setzt sich der Stärkere durch und wird der Schwächere zertrampelt. So funktioniert die Geschäftswelt. Wozu sich darüber beschweren, wenn das einfache Volk sich genau so benimmt?

Randale und Krawalle sind ein Ausdruck impotenter Wut. Einige Nächte lang haben die Randalierer das falsche Gefühl von Macht. Sie werden davon befallen nicht nur durch die Beute und das Diebesgut, sondern auch von dem Adrenalinschub bei solchen Massenaktionen. Die Kids denken, das sei „geil“ und „besser als ein Fußballspiel“. Auf jeden Fall ist es viel billiger.

Aber wie nach jeder durchzechten Nacht lässt der Rauscheffekt rasch nach und am Tag setzt die Ernüchterung ein. Der staatliche Unterdrückungsapparat, der etwas kalt erwischt wurde, holt sich sein
verlorenes Terrain wieder zurück. Er schmiedet Pläne und erobert ein Stadtviertel und Haus nach dem anderen wieder zurück. Es kommt zu Verhaftungen und Gerichtsverfahren. Viele Jugendliche, die noch
gestern Abend die Herren der Straßen zu sein schienen, müssen dann einen hohen Preis zahlen.

Weitere Explosionen sind unvermeidlich

Die kapitalistische Krise hat schon Massendemonstrationen, Streiks und Generalstreiks in einem Land nach dem anderen provoziert. Diese Krise war der eigentliche Auslöser der arabischen Revolution, die schon zum Sturz zweier Diktatoren geführt hat und immer noch andauert. In Griechenland und Spanien hat sie hundertausende Menschen auf die Straßen gebracht. Sogar Israel wird mittlerweile von Massendemonstrationen erschüttert.

Die Unruhen in England müssen als Teil dieses Gesamtbildes verstanden werden. Für das Establishment kamen sie überraschend, aber in Wirklichkeit waren sie vollkommen vorhersehbar. Die Sackgasse des
Kapitalismus hat ganze Schichten der Jugend zu einem Leben in Arbeitslosigkeit verdammt. Millionen leben in Slums und heruntergekommenen Sozialbauten, während Millionen von Wohnungen leer oder halbleer stehen. Sozialwohnungen werden nicht mehr gebaut, während sich auch die bescheideneren Wohnungen in London nur noch reiche Menschen leisten können.

Unter der ruhigen Oberfläche hat sich eine enorme Wut in der britischen Gesellschaft angestaut. Über Jahrzehnte verschloss die Gesellschaft ihre Augen vor der schmutzigen Realität in den Ghettos, in denen die Menschen in immer größerer Armut und Verschuldung leben, wo der Zugang zu Drogen und Waffen leichter zu bewerkstelligen ist als der zu guter Gesundheitsversorgung, Bildung oder leistbaren Freizeiteinrichtungen. Es ist genug Geld da für die Schmarotzer der Londoner City, in der sich die Bankiers gegenseitig großzügig mit Boni aus den öffentlichen Töpfen belohnen. Aber es ist kein Geld da um den Menschen in Brixton auch nur eine halbwegs gesicherte Existenz bereitzustellen.

Ist es dann ein Wunder, dass es ein allgemeines Gefühl von Wut und Frustration vorherrscht, gerade unter den jungen Menschen in diesen Stadtteilen?

Die Unruhen sind mit einer Krise auf den Aktienmärkten zusammengetroffen. Diese Kurseinbrüche zeigen die Nervosität von Teilen der Bürgerlichen, die schlussendlich verstanden haben, dass der
wirtschaftliche Aufschwung nur heißer Dampf war. Das Bekanntwerden der Nachricht vom außerordentlich geringen Wachstum der US-Wirtschaft und in der EU war ausreichend, um eine allgemeine Panik auf den Märkten auszulösen. Jetzt reden die Ökonomen offen über eine
„double-dip“-Rezession, die eher früher als später kommen wird.

Es gibt keinen Zweifel, dass die Sparpolitik die aktuelle Krise nur verschlimmern kann. Wenn man den Lebensstandard beschneidet, reduziert sich auch die Nachfrage, was die Überproduktionskrise vertieft. So weit haben die KeynesianerInnen und ReformistInnen recht. Jedoch bieten sie keine Alternative. Wie sollen die Ausgaben des Staates vergrößert werden, wenn jede Regierung der westlichen Welt mit riesigen Defiziten kämpft?

Die einzige Antwort liegt im sogenannten „quantitative easing“, das heißt, im Anwerfen der Gelddruckmaschine. Das wird aber nur die Inflation anfachen und den Weg für eine noch schwerwiegendere Krise zu einem späteren Zeitpunkt bereiten. Die Bourgeoisie hat die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Camerons Umfragewerte werden vielleicht einen kurzfristigen Aufschwung erleben, indem er sich als Repräsentant der Ordnung und als Feind der Anarchie darstellt. Aber die wirkliche Anarchie ist die Anarchie des kapitalistischen Systems, die Anarchie des Marktes. Diese hat Millionen von Menschen ihre Arbeit, ihre Wohnung und ihre Hoffnungen genommen. Und es ist der Mangel an diesen Dingen, der dem verzweifelten Ausbruch und den gewalttätigen Ausschreitungen zu Grunde liegt.

Langfristig werden die Unruhen ernsthafte politische Konsequenzen haben. Sie werden die Spaltung in der Koalition zwischen Liberal-Demokraten und Torys vertiefen. Die „Brandrodungstaktik“ der
Tories, die die Krise und die öffentlichen Schulden dazu benutzen um Englands Sozialsystem gänzlich zu zerstören und den öffentlichen Sektor zu reduzieren ist nur mit einem ernsthaften Problem konfrontiert.

Die Unruhen in England sind lediglich ein Symptom der allgemeinen Krise des Kapitalismus. Die Krise verstärkt sich immer weiter und die Bürgerlichen wissen keinen Weg heraus. Jeder Versuch das ökonomische Gleichgewicht wieder herzustellen, hat nur dazu geführt, das soziale und politische Gleichgewicht zu zerstören. Das wird nicht gelöst, indem die Gerichte schneller arbeiten und die schon vollen Gefängnisse weiter gefüllt werden.

Weitere sozialen Explosionen sind in Vorbereitung. Die Jugend versucht einen Weg aus der Sackgasse zu finden, in die sie der Kapitalismus getrieben hat. Bald werden sie herausfinden, dass solche Unruhen keinen Ausweg bieten. Sie müssen einen anderen Weg finden um sich selbst aus der kapitalistischen Sklaverei zu befreien.

Wir MarxistInnen werden uns nicht den Bürgerlichen und ihren Handlagern in ihrem Chor von scheinheiligen Anschuldigungen anschließen. Wir folgen dem Rat von Spinoza: „Weder weinen noch
lachen, sondern verstehen.“ Es gilt der Jugend eine andere Perspektive zu geben – ein revolutionäre Perspektive, eine Perspektive der sozialistischen Neuordnung der Gesellschaft.


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