Gehorsam gegenüber Gott und den Kirchenoberen ist fixer Bestandteil im Katholizismus. Umso spannender, wenn eine Gruppe von katholischen Priestern zum Ungehorsam aufruft. Von Emanuel Tomaselli.

Über 400 Priester und Diakone aus ganz Österreich haben sich zur „Pfarrerinitiative“ zusammengeschlossen. Mit ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“ treten sie in sieben Punkten gegen die kirchlichen Regeln auf und versuchen eine Antwort auf die offensichtliche Krise der katholischen Kirche zu geben. Sie deklarieren die Redefreiheit vor Gott und die Möglichkeit der „priesterlosen Eucharistiefeier“. Sie wollen das Predigtverbot für ausgesuchte Laien beiderlei Geschlechts missachten und fordern, dass auch Laien Pfarrgemeinden vorstehen können. Öffentlich bekannt ist das Eintreten für die Priesterweihe für Frauen und das Ende des Pflichtzölibats. Dies tritt in heftigen Konflikt mit der historisch etablierten, real existierenden Papst-Kirche.

Die Einwände ihres Gegenspielers, Erzbischof Schönborn, sind gewichtig. In der Kathpress gibt der als papabile (also papstfähig) geltende Schönborn zu Papier: „Es gibt eine gewisse Nostalgie im älteren Klerus, indem einige seiner Vertreter ernsthaft glauben, die Kirche müsste nur ein bisschen liberaler sein. Sie, oft sehr engagierte Priester, glaubten: Die Kirche wird sich wieder füllen, die Akzeptanz der Kirche wird wie in den 1950er- oder 1960er-Jahren sein. Ich halte das für einen Traum, für eine Illusion.“ Man müsse „Ja zur heutigen, säkularisierten Situation sagen“.

Schönborn bestreitet also die Kirchenkrise gar nicht, sondern gibt nur eine andere Antwort: Die Hinwendung zum Glauben, die Vermittlung der Gotteserfahrung, die Spiritualität im Allgemeinen und die Heiligenüberproduktion im Speziellen (die jüngste katholische Säulenheilige ist die irokesische Häuptlingstochter Kateri Tekakwitha) sind die Schützengräben, in denen sich die Kirchenfürsten in krisenhaften Zeiten verschanzen. Das Engagement für materielle und emotionale Bedürfnisse in der christlichen Gemeinschaft wird so – in Zeiten der verallgemeinerten Systemkrise – im Nebel der nach-irdischen Weihrauchschwaden erstickt. Demgegenüber sind die rebellischen Fußvolkkleriker bedacht, sich mit der gläubigen Kirchenbasis um das gemeinsame christliche Leben zu sorgen. Ihr Programm erinnert dabei stark an die Organisation der urchristlichen Gemeinden in der Zeit vor ihrer Legalisierung und Umwandlung in die römische Staatskirche. Dieser Prozess aber war nicht nur ein historischer Sündenfall, den man rückgängig machen könnte, wenn man nur die Last der jahrhundertelangen Tradition abtragen würde. Die Macht der Bischöfe und die zentrale Stellung des römischen Bischofs (also des Papstes) erwuchs aus dem unreifen - weil idealistischen – Programm der proletarischen Urkirche. Wenn die ungehorsamen Pfarrer ihre Zuwendung zur Gemeinde nicht programmatisch mit dem Bruch mit dem Kapitalismus verknüpfen – wie etwa die radikalsten Exponenten der Befreiungstheologie Lateinamerikas – werden sie schlussendlich nur eine weitere Variante der geistigen Verkleisterung erschaffen.

Dennoch verdient der Mut der Ungehorsamen schon jetzt den Respekt von AktivistInnen der Arbeiterbewegung. Man muss anerkennen, dass Schüller & Co. jenen Mut an den Tag legen, den wir uns von den Linken in der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft oft wünschen würden. Die Krise der ArbeiterInnenbewegung ist letztlich eine Krise ihrer Führung und die werden wir dann viel leichter überwinden können, wenn mehr FunktionärInnen den „Sachzwängen“ (Eurorettung, Standortsicherung, Koalition,…) ihren Ungehorsam entgegenstellen und ihr Mandat rein an die Lebensinteressen der Basis binden.

Ungehorsam stößt natürlich auf den Widerstand der Oberen. Auch in der Kirche droht Schönborn seit Monaten mit Konsequenzen: „Gott aber ist unendlich geduldig. Allerdings gibt es die Gefahr, dass Verwirrung für die Gläubigen entsteht. Deshalb ist es jetzt, glaube ich, an der Zeit, dass es zu einer Entscheidung kommt“, sagte der Wiener Erzbischof der „Catholic News Agency“. Diese Entscheidung wird jedoch immer weiter vertagt, weil Schönborn in der der Defensive ist und die rebellischen Pfarrer sich organisieren, internationalisieren und ihr Programm verfeinern.

Wenn wir einmal soweit sind, dass sich die Linken in der SPÖ und in der Gewerkschaft organisieren, wird es nicht unähnlich sein. Faymann und Foglar haben keinerlei moralische Autorität mehr und die öffentliche Unterstützung würde auf Seiten „der Rebellen“ liegen.


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