Seit dem der Vorschlag der Euro-Gruppe bekannt wurde, auch zypriotische Sparer durch Besteuerung ihrer Einlagen an dem Hilfspakte zu beteiligen, steht die Welt der Eurozone mal wieder Kopf. Ein Update zur Entwicklung der Zypern-Krise von unserer Wirtschaftsredaktion.
Aus Angst vor einem Bankrun ordnete die Regierung Zyperns an, die Banken geschlossen zu halten und jede Form von Transaktionen (Abhebungen und Überweisungen) zu stoppen.
Anders als bei vorhergegangen Hilfspaketen, die ungeachtet ihrer Brutalität für die Bevölkerung, von der internationalen Presse immer als hart aber notwendig eingestuft wurden, gab es diesmal scharfe Kritik. Tatsächlich zeigen sich die Bürgerlichen in der Frage der Bedingungen des zypriotischen Hilfspaket gespalten. So befürchtet beispielsweise deutsche Wirtschaftsweise Bofinger, dass diese Maßnahmen das ganze Finanzsystem bedrohen. Das deutsche Handelsblatt schrieb: „Entscheidend ist, dass die politische Führung der Währungsunion damit zwar nicht de jure, aber sehr wohl de facto gegen ihre eigenen Gesetze verstößt“. Am besten fasste allerdings der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugmann die Befürchtungen eines Teils der Bourgeoisie zusammen: „Das ist so, als würden die Europäer ein Neon-Schild hochhalten, auf dem in Griechisch und Italienisch geschrieben steht: Es ist Zeit für euch, dass ihr eure Banken stürmt.“
Denn das beschreibt genau die möglichen Auswirkungen dieses Hilfspakets. Nicht nur jeder griechische italienische, spanische und portugiesische Arbeiter sondern auch das gesamte Kleinbürgertum der Peripherie-Länder muss die Befürchtung haben beim nächsten Hilfspaket einen Teil seiner Ersparnisse zu verlieren. Als logische Konsequenz wäre es naheliegend, sein Geld auf ein Konto einer deutschen Bank zu transferien (was in Zeiten des Internets ohne Probleme zu bewerkstelligen ist). Sollte tatsächlich so ein Bankrun stattfinden, wäre ein Zusammenbruch des Bankensystems in den Peripherie-Ländern, aber auch in den mitteleuropäischen Ländern und das daraus folgende Ende des Euros unabwendbar.
Vermutlich hat es daher in den Tagen bis zur ersten geplanten Parlamentsabstimmung am Dienstag den 19. März, und auch danach heftige Diskussionen innerhalb der herrschenden Kreise des europäischen Kapitals und massiven Druck auf die zypriotischen Parlamentsabgeordneten gegeben. Denn alleine durch den Druck der zypriotischen Arbeiterklasse ist die Abstimmungsniederlage für das erste Rettungspaket im zypriotischen Parlament nicht zu erklären (es gab Medienberichten zufolge Demonstrationen von mehreren hundert bis tausend Zyprioten). In Griechenland hat sich beispielsweise trotz weit drakonischer Maßnahmen seitens der EU und heftigen Widerstandes seitens der griechischen Arbeiterklasse letztendlich immer noch eine parlamentarische Mehrheit gefunden.
Etwas mehr Licht in die Entstehung der Maßnahmen für das Hilfspakt ist in den letzten Tagen gekommen. Anscheinend gab es von der Euro-Gruppe nur die Vorgabe, dass die zypriotische Regierung Maßnahmen setzen muss um 5,8 Mrd. EUR zu erzielen. Genaue Vorgaben welche Einlagen mit welchem Prozentsatz zu besteuern sind gab es zuerst aber nicht. Widerstand gab es hauptsächlich von Premier Anastasiades der unter allen Umständen vermeiden wollte, dass hohe Einlagen (u.a. russischer Oligarchen) über 100.000 Euro mit über 10 Prozent besteuert werden. Die logische Folge war daher die kleineren Einlagen mit 6,7 Prozent zu belasten um die Zielvorgabe von 5,8 Mrd. EUR zu erreichen. Dieser Plan scheiterte.
Unter dem Druck der Troika schmiedete die zypriotische Bourgeoisie Mitte vergangener Woche ein eigenes Sparpaket. Dieses hielt nur wenige Stunden. Zentraler Bestandteil der Pläne war eine Enteignung der Pensionskonten zypriotischer Arbeiter. Dazu sagten Schäuble und Fekter nein (obwohl gleiches in der Irland-Rettung für gut befunden wurde).
Wie lässt es sich nun der Politikwechsel erklären, warum war die EU zu so einem Tabubruch bereit? Einerseits ist dies sicher auf den größer werdenden Druck der deutschen Mittelschicht zurückzuführen, welche nicht mehr bereit ist die Kosten der Krise zu tragen. Andererseits stieß der Gedanke russisches (und britisches) Kapital mit europäischen Hilfsgeldern zu schützen bei Teilen des europäischen Kapitals sicherlich auf Ablehnung. Die Haltung der russischen Oberschicht schlussendlich drückte Vladimir Putin aus als er von „unfairen und ungerechten“ Maßnahmen sprach.
Nach einer langen Brüsseler Nacht scheint nun eines klar zu sein. Das europäische Kapital war fest entschlossen Zypern bluten zu lassen und ist sogar bereit erhebliche Risiken für das gesamte Finanzsystem in Kauf zu nehmen. Der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank Thomas Mayer spricht ganz offen: „Es wäre das kleinere Übel, wenn Zypern den Euro-Raum verließe, als wenn es zum Präzedenzfall für den erfolgreichen Aufstand gegen die Auflagen der Euro-Retter würde. Dann gäbe es kein Halten mehr für andere Länder“. Merkel forderte am Freitag das „Ende des zypriotischen Geschäftsmodells“. Dies wurde in den Nachsitzungen auf heute Montag auch erreicht. Mit der Bankrotisierung der Laki Bank und der Gesundschrumpfung der Bank of Cyprus wurde in den vergangen Nachtsitzungen der Haupterwerbszweig der griechischen Wirtschaft zerstört. Zypern ist insofern auch ein Beispiel dafür, dass das zentraleuropäische Kapital bereit ist nicht nur die Arbeiterklasse in ganz Europa für die Krise bluten zu lassen, sondern auch die Kapitaleigner in der europäischen Peripherie über die Klinge springen zu lassen - sofern es der Stabilisierung ihrer eigenen Profitinteressen dient.
Zum Weiterlesen:
Zypern: Kapitalismus und bürgerliche Demokratie an der Grenze zur Finanzdiktatur