Mit welchen Methoden und mit welchen Forderungen Schulstreiks organisiert werden können argumentiert Florian Keller.
Die Klimaschulstreiks unter dem Banner „Fridays for future“ sind mittlerweile zu einer Kraft geworden, mit der auch die Politik rechnen muss. Und die Reaktion darauf ist ein Kampf mit härtesten Bandagen gegen die demonstrierenden SchülerInnen. So drohte etwa die Schulministerin im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen mit möglichen „Ordnungsmaßnahmen“, die von der „erzieherischen Einwirkung“ bis zur „Verweisung von allen öffentlichen Schulen“ gehen könnten.
Appell an die Schuldirektionen oder Organisierung von unten?
Somit ist klar, dass die Bewegung um eine wichtige Frage nicht herumkommt: Wie können wir uns gegen solche Versuche, die Streiks durch Strafen und Repressionen zu verhindern, wehren? Die Mitorganisatorin der Streiks in Wien, Katharina Rogenhofer, beantwortet das in einem Videointerview vom „Standard“ am 1. Februar folgendermaßen:
„Ist ein bisschen kompliziert, weil ab fünf unentschuldigten Fehlstunden theoretisch möglich wäre, die Schülerinnnen und Schüler von der Schule zu verweisen, aber wir arbeiten deswegen ganz viel mit Lehrerinnen und Lehrern zusammen, weil die können Schüler freistellen. Die DirektorInnen und Klassenvorstände können die Schüler freistellen, unter anderem auch für politisches Engagement, was das ja wäre.“
Es ist natürlich gut, wenn einzelne LehrerInnen einen Schülerstreik unterstützen. Doch was passiert, wenn das nicht der Fall ist? Oder wenn es sich LehrerInnen auf Druck von oben anders überlegen? Dienstanweisungen an Direktionen zur Durchsetzung der Schulpflicht wurden auch in der Vergangenheit bei Schülerstreiks in Österreich eingesetzt, um Streiks zu schwächen. Wenn einzelne LehrerInnen sich unter Druck beugen, dann wird mit dieser Methode kein Streik stattfinden. Die Unterstützung durch LehrerInnen muss organisiert werden: Die Gewerkschaften sollten die Streiks unterstützen und LehrerInnen sollten genau das auch einfordern!
Zentral ist aber die Selbstaktivität der SchülerInnen selbst. Tatsächlich ist das die einzige verlässliche Methode zur Organisierung von Schülerstreiks (wie auch aller anderen Streiks): Nicht das Einverständnis von oben, sondern die Solidarität und Organisierung von unten! Wenn SchülerInnen sich an einer Schule selbständig in einem Schülerkomitee organisieren und gemeinsam dafür sorgen, dass möglichst viele SchülerInnen streiken, dann laufen auch Repressionsmaßnahmen ins Leere: Will die Direktion die Hälfte der SchülerInnen von der Schule verweisen? Und sollte es doch zu Repressionen gegen einzelne kommen, sind die SchülerInnen auch dadurch vorbereitet, indem sie organisiert sind und eine gemeinsame, solidarische Antwort liefern können.
Was tun mit der Politik?
Durch dieses Beispiel wird klar, dass die Frage danach, wie wir uns auf die jetzigen Regierungen, auf die herrschende Politik, auf die Großkonzerne, die die Umwelt zerstören beziehen nicht zweitrangig ist. Im Gegenteil: Von der richtigen Antwort darauf, wer unsere Gegner und wer unsere Verbündeten sind hängt ab, ob ein Streik effektiv sein kann und ob wir unsere Ziele erreichen können.Die offizielle „Fridays for Future“-Webseite beantwortet diese Frage folgendermaßen:
„Bei Dialogformaten werden wir Menschen aus der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen oder auch einfach Passantinnen und Passanten zu #TeaForFuture Klimagesprächen laden.“ Außerdem wird die herrschende Politik sogar dazu aufgefordert, eine Aufklärungskampagne zu starten. Eine Forderung ist: „Eine klare und angemessene Kommunikation mit der Bevölkerung zur Dringlichkeit der Lage der Klimakrise seitens der Regierung.“ (beides auf www.fridaysforfuture.at/about )
Diese Orientierung ist eine gefährliche Sackgasse für die Bewegung. Beim Versuch, Löwen zu Vegetariern zu machen (oder konkret ausgedrückt: Zu Versuchen, der herrschenden Politik und den wirtschaftlichen Profiteuren vom Klimawandel Vernunft einzureden), ist schon so manche Bewegung gescheitert. Und schaut man sich die Äußerungen der Regierenden in letzter Zeit an, ist auch hier ein Scheitern mit dieser Strategie vorprogrammiert.
So gab erst kürzlich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei der Weltsicherheitskonferenz in München eine lupenreine Verschwörungstheorie über russischen Einfluss auf die Proteste zum Besten. Dass solche Aussagen noch nicht von Mitgliedern der schwarz-blauen Regierung hierzulande getätigt wurden, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass der klimawandelverleugnende Vizekanzler selbst beste Beziehungen zu Russland pflegt.
Von diesen Leuten kann man sich keinen Kurswechsel erwarten und erst recht keine Aufklärungskampagne fordern. Wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken: Solange die Wirtschaftsinteressen alles entscheiden und die sie deckenden PolitikerInnen an der Macht sind, wird die Erde weiter zerstört werden. Wir müssen daher für eine revolutionäre Umwälzung kämpfen, wenn wir den Klimawandel wirklich aufhalten wollen, nicht an die jetzigen Herrschenden appellieren.
(Funke Nr. 171/März 2019)