„Bei aller berechtigter [sic] Kritik die ich am Verhalten der OMV habe glaube ich, dass wir keine Gegner im Kampf für Klimagerechtigkeit definieren sollten. ☮ Stattdessen müssen wir versuchen Überzeugungsarbeit zu leisten und alle mit in unser Boot zu holen. ? Wir kämpfen schließlich für eine lebenswerte Zukunft aller.“ -- Mit diesen Worten kommentiert Aaron Wölfling, prominenter Vertreter von Fridays for Future Vorarlberg, auf Instagram seinen Besuch beim OMV-Chef Rainer Seele.
Begleitet wurde er von Anika Dafert (FFF Salzburg) und Constanze Fetting (FFF Wien). Gegen denselben Rainer Seele streben die neuseeländischen Maori zur Zeit wegen „Völkermord und Ökozid“ ein Verfahren vor dem internationalen Strafgerichtshof an, weil sein Unternehmen mit Öl- und Gasbohrungen nicht nur die Lebensgrundlage der dortigen indigenen Bevölkerung bedroht, sondern auch die der Maui-Delfine, von denen es noch rund 60 Exemplare gibt.
Fridays for Future beschreibt sich selbst als “überpolitische Bewegung”, die frei von “Ideologien” und vielmehr für jeden offen sein will. Man distanziert sich, wenn FPÖ-Plakate beschädigt werden. Man distanziert sich, wenn offene Nazis von den Klimademos vertrieben werden. Man distanziert sich von jeder antikapitalistischen, überhaupt von jeder “politischen” Position. Und man weigert sich hartnäckig, einzusehen, dass die “über-” oder “unpolitischen” Positionen, die man anstelle der “Ideologien” vertreten möchte, sehr wohl politisch und sehr wohl ideologisch sind.
Schon Rosa Luxemburg wusste: Unpolitisch sein heißt, politisch sein, ohne es zu merken. Die sogenannte “ökosoziale Steuerreform” aka CO2-Steuer etwa, die die Grünen und Fridays for Future unisono fordern, ist das direkte Produkt der liberalen Ideologie, die die sogenannte Eigenverantwortung des Individuums im Kapitalismus ins Zentrum stellt. Der gleiche (Neo)liberalismus, der verkündet, es sei angemessen, Arbeitslosen bei “fehlender Mitwirkung” die Unterstützung zu kürzen, oder argumentiert, es gebe keinen Grund für den Staat, für Bildung und Gesundheitsversorgung seiner Bürger zu zahlen, weil das individuelle Probleme der Menschen seien – stellt sich hier grün angemalt hin und verkündet, individuelle Konsumentscheidungen seien der Schlüssel zur Lösung der Klimakrise und es gehe nur darum, diese Konsumentscheidungen in die richtige Richtung zu drängen. Alles an dieser Denkweise ist zutiefst ideologisch, verlogen und auch menschenverachtend.
Die vorgebliche Ablehnung jeder Politik führt in der Praxis zur vollkommenen Unterordnung unter die Politik der Grünen. Die personelle Verflechtung zwischen den Grünen und den führenden AktivistInnen von Fridays for Future wird täglich dichter. Demo-AnmelderInnen der Bewegung erhalten Rechtsschutzversicherungen von der Partei; im Gegenzug bauen sie für die Partei die Grüne Jugend auf. Eine Hand wäscht die andere. In Gestalt der Grünen Partei reicht die Bourgeoisie der Bewegung die Hand und verstrickt sie in eine Ideologie, die zum erklärten Ziel hat, die wirtschaftlichen Grundlagen des Klimawandels unangetastet zu lassen.
Diesen objektiven Sachverhalt aufzuzeigen, wird von der Führung der Fridays for Future-Bewegung als “Ideologie” abgetan. Die Lüge, dass der Klimawandel gestoppt werden kann, wenn wir nicht mehr in den Urlaub fliegen, bezeichnen diese Leute hingegen als “Wissenschaft”. Zu behaupten, die Löwen, die die Klimakrise verursacht haben, könnten Vegetarier werden – “Umwelt und Wirtschaft sind kein Widerspruch”, wie es bei den Grünen heißt – ist angeblich eine solide, wissenschaftliche Argumentation.
Wenn die Fridays for Future-Bewegung sich auf diese Ideologie festlegt, macht sie sich zur Interessensvertreterin derselben Konzerne, die für den Klimawandel hauptsächlich verantwortlich sind. Von einer systemgefährdenden Bewegung aufständischer Jugendlicher, die die Notwendigkeit, die Welt zu retten, mit dem angemessenen Ernst behandeln, wird sie zum Cheerleader einer grün angemalten Konzernregierung. Üblicherweise verurteilt die Bewegung derartige Manöver zurecht als “Greenwashing”.
Die Klimabewegung braucht ein antikapitalistisches Programm. Die Lösung der Klimakrise erfordert die Enteignung der 100 Unternehmen, die 70% der Treibhausgasemissionen verursachen. Die Gesellschaft muss das Vermögen der Reichen unter Kontrolle nehmen und einsetzen, um den sofortigen Kohleausstieg, eine weltweite Wiederaufforstungskampagne und den Aufbau einer CO2-neutralen Infrastruktur für Verkehr und Energie zu finanzieren. Es muss eine Garantie dafür geben, dass die Nettoemissionen auf Null gesenkt werden können, ohne dass es zu Massenarbeitslosigkeit und –armut kommt. Das ist undenkbar ohne eine zentralisierte Verteilung der Arbeit in der Gesellschaft, und das wiederum bedeutet eine demokratisch geplante Wirtschaft. Es muss einen globalen Plan zur Umsiedlung der hunderten Millionen Menschen geben, die in den kommenden Jahrzehnten wegen des Klimawandels ihre Heimat werden verlassen müssen. Auch das ist unmöglich ohne globale Planwirtschaft, ohne Sozialismus, ohne Revolution.
Die Angst der führenden AktivistInnen, dass man Menschen “abschrecken” könnte, wenn man Wörter wie Sozialismus oder Revolution ausspricht, ist kein Gegenargument und außerdem unbegründet.
Wir wissen, dass das die Bürgerlichen abschreckt. Wir wollen aber mit Rainer Seele auch keine Selfies und mit Sebastian Kurz keine Koalition machen, sondern diese Leute vor Gericht stellen, ihr Vermögen beschlagnahmen und das System beseitigen, das solche Gestalten hervorbringt. Wir wollen die FPÖ, die ÖVP, die Grünen, die NEOS und auch die bürgerliche Führung der Sozialdemokratie ebenso abschrecken wie die OMV, die Raiffeisenbank und die Industriellenvereinigung.
Zu diesem Zweck haben wir am 27.9. antikapitalistische Blöcke auf den Klimademos in Salzburg, Bregenz, Linz, Wien und Graz organisiert und werden das auch am 29.11. wieder tun. Wir wollen, wie Greta sagte, dass sie in Panik geraten. „Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern”, schrieb Karl Marx 1848 im Manifest der Kommunistischen Partei. “Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.”
Von Sandro Tsipouras.
(Funke Nr. 178/8.11.2019)