Die Krise des Kapitalismus hat Auswirkungen auf das Leben von uns allen. Doch in den vergangenen Jahren sahen wir ein neues Maß an Radikalisierung, vor allem in der Jugend. Hierzu möchte ich aus meiner persönlichen Erfahrung in meiner Schulklasse in der Weststeiermark berichten.

Politik war bei uns nie ein großes Thema. Sicher hatten wir Politische Bildung als Fach, aber bis auf einige Kommentare gaben sich die LehrerInnen besondere Mühe, nicht über aktuelle Geschehnisse zu sprechen. Auch unter meinen MitschülerInnen kam es selten zur Diskussion oder gar zur Kritik an den momentanen gesellschaftlichen Verhältnissen. Allerdings hat sich da in letzter Zeit einiges geändert. Die leichte Verärgerung gegenüber dem bürgerlichen Staat hat sich zur puren Frustration weiterentwickelt.

Der chaotische, unentschiedene und rücksichtslose Umgang mit der Covid-19-Pandemie ist niemandem klarer als den SchülerInnen, die sich täglich mit dieser Willkür herumschlagen müssen. Der ohnehin schon grobe Stress im Maturajahrgang wurde durch die Pandemie auf ein unerträgliches Maß getrieben. Ein Großteil meiner SchulkollegInnen berichtet regelmäßig von Schlafproblemen, Migräneanfällen und anderen Symptomen, welche man sonst nur von einem Burnout kennt – und das obwohl die meisten erst 19 Jahre alt sind.

Man fühlt sich im Stich gelassen. Obwohl in den meisten Fällen nicht direkt der Kapitalismus als die Wurzel des Übels identifiziert wird, weiß jede/r, dass dieses System nicht unsere Interessen vertritt. Sobald der Name des Bildungsministers erwähnt wird, meist im Zusammenhang mit neuen Weisungen, die inzwischen wöchentlich kommen, hallt ein kollektives Seufzen von allen Schulbänken.

Das ist allerdings nicht nur die Reaktion auf einen einzelnen Minister, sondern auf die Gesamtheit der bürgerlichen Politik. Die Grünen sieht man als Anhängsel der ÖVP, welches bereitwillig alles verkaufte, für das man es einst stehen zu sehen glaubte, die ÖVP selbst als korrupten Machtblock, der so weit von den Interessen des Großteils der Bevölkerung entfernt ist wie die Grünen vom Klimaschutz. Aber auch um die Opposition steht es nicht besser. Die FPÖ ist seit Ibiza ein Running Gag geworden, dessen rassistische Spaltung längst nicht mehr greift. Die NEOS werden als „nörgelnde Partei, die keine Lösungen hat, außer Sozialleistungen zu kürzen“, empfunden. Die SPÖ hingegen hat jegliches Standing als „linke“ Partei verloren. Man sieht sie als ÖVP light, die halt ein bisschen freundlicher ist, aber mehr auch nicht.

Und obwohl durch die Situation ein paar echt gute Memes entstanden sind, ist niemandem an meiner Schule momentan zum Lachen zumute.

Peter Roll, Schüler

(Funke Nr. 192/17.3.2021)


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