Nach dem heurigen Schulstart ist klar: es ist wieder ein Start in die Krise. Kurzfristige Erlässe, Testchaos und fehlende Luftfilter zeugen von der Lernresistenz des Bildungsministeriums. Von Christoph Pechtl.

32 SchulsprecherInnen aus Wien verfassten einen offenen Brief, der die Missstände beim Namen nennt und versucht, durch Appelle die Politik in die Verantwortung zu nehmen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass Kurz und Co. uns einen sicheren Schulbetrieb organisieren. Dafür wollen sie kein Geld in die Hand nehmen. Wir müssen uns einen funktionierenden Unterricht erkämpfen.

Bereits im August erklärte BM Faßmann, es sei zu teuer das ganze Schuljahr über Coronatests durchzuführen. Stadtessen wurde eine „Sicherheitsphase“ für die ersten drei Wochen des Schulbetriebs beschlossen. In dieser Zeit sollte dreimal pro Woche getestet werden. Die Auswertung der Tests wurde jedoch privaten Firmen anvertraut, die nicht bereit waren, ihre Testkapazitäten hinreichend auszubauen. Die Profitlogik dieser Unternehmen führte somit geradewegs zu Überlastungen und Überforderung. Schulen, die keine Tests geliefert bekamen, säckeweise Tests, die nicht abgeholt wurden, und tagelanges Warten auf die Testergebnisse waren das ernüchternde Ergebnis der sogenannten „Sicherheitsphase“.

Diese Verantwortungslosigkeit zeigte sich besonders grell an einem Fall, in dem 70 Tests in Wien erst nicht abgeholt aber dann dennoch als „negativ“ im Ergebnis ausgewiesen wurden. Gespart wurde ebenso bei den Luftfiltern, die von den Schulen selbst finanziert werden müssen – was eine soziale Selektion der „besseren Schulen“ bedeutet. Das führte nach einem kurzfristigen und bürokratischen Verfahren dazu, dass gerademal 4000 Stück bestellt wurden. Von diesen 4000 Luftfiltern wiederum sind jedoch nach 3 Wochen Schulbetrieb immer noch erst 1000 ausgeliefert worden.

Dieses Chaos spielt sich inmitten der vierten Welle ab, in der Kinder und Jugendliche durch ihre niedrige Impfquote (35,5% bei den 12-18-Jährigen) die höchste Inzidenz aufweisen. Eine Impfaufklärungskampagne an den Schulen kommt Kurz und Co. dabei aber nicht in den Sinn, erklärten sie doch bereits im Juli die Pandemie zum Privatproblem. Ganz in diesem Sinne wird auf die 17.000 SchülerInnen reagiert, die sich mittlerweile in Quarantäne befanden und befinden. Für sie wurden einmal mehr keine Vorkehrungen getroffen, um einen sinnvollen Unterricht zu haben. Stattdessen wurden die Maßnahmen gelockert. Anstelle der gesamten Klassen werden nur noch die jeweiligen Sitznachbarn und „enge Kontaktpersonen“ in Quarantäne geschickt und die Frist einer möglichen Freitestung auf fünf Tage halbiert. Eine Durchseuchung der Jugend wird somit bereitwillig akzeptiert: „Ja, es wird eine Infektion aller geben, aber die Frage ist, mit welchem Timing,“ so BM Faßmann.

Die Leidtragenden sind erneut die Kinder, Jugendlichen und Lehrkräfte. Während erstere „kontrolliert“ durchseucht werden sollen, wird den LehrerInnen die Pandemiekontrolle auferlegt, ohne für den Zusatzaufwand entschädigt zu werden. Tests verteilen, Tests durchführen, Tests verpacken ist der Lehrstoff der ersten Stunden. Selbst die Verordnung von Quarantänen und Nachverfolgen der K1 Personen bleibt oft an den Lehrkräften hängen. Was heute dem im Stich gelassenen Lehrpersonal als Zwang erscheint, müssen wir als Möglichkeit erkennen, um die Pandemiekontrolle in unsere Hände zu nehmen.

Denn die Bürgerlichen sind weder dazu bereit die Verantwortung, noch die Kosten für einen sicheren Schulbetrieb zu tragen. Nur die Akteure der Schule: allgemeines Personal, Lehrpersonal und SchülerInnen selbst können für einen gut organisierten Umgang mit der Pandemie sorgen. Aber selbst die größte individuelle Anstrengung an den Schulen, die ohnehin schon unternommen wird, kann nicht alle Probleme vor Ort lösen. So sehr es auch versucht wird – SchülerInnen und LehrerInnen werden niemals die fehlenden Testkapazitäten, das fehlende logistische Personal, das fehlende Lehrpersonal für kleinere Klassen, die digitale Ausrüstung oder die fehlende Impfkampagne wegimprovisieren können. Der offene Brief der SchulsprecherInnen zeugt von ihrem Problembewusstsein, doch werden uns durch Bittstellungen die notwendigen Ressourcen nicht geschenkt werden. Es gilt, den Kampf an den Schulen für einen sicheren Schulbetrieb zu starten und angesichts der zukunftsvergessen Gier der Reichen und ihrer Regierung die Eigenverantwortung für unsere Bildung zu übernehmen.

(Funke Nr. 197/30.9.2021)


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