Wie organisiert man seine eigene Schule? Wie schafft man Solidarität zwischen den KlassenkollegInnen? Eine Schülerin aus Wien berichtet von ihren Erfahrungen im Schulstreik.
Mitte Januar kündigte das Bildungsministerium eine Matura ohne substanzielle Erleichterungen an. Ungebremster Leistungsdruck und Corona-Chaos hatten zuvor schon die Wut der Schülerschaft zum Brodeln gebracht und der Streikaufruf der aktion kritischer schüler_innen (AKS) stieß auf offene Ohren. Doch nur eine leichtere Matura zu fordern, war zu wenig, um alle mitzureißen. Kurzfristige Bekanntgabe wichtiger Infos desorganisierten die Bewegung zusätzlich, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Der Funke griff den Streikaufruf energisch auf, organisierte eine Reihe von Schulen und agitierte für breitere Forderungen und Selbstorganisierung.
Funke-Aktivistin Sylvi Gander an der HLA-Herbststraße berichtet.
Rede von Sylvi am Schulstreiktag
Vom Warnstreik am 18.01. hatte bei uns kaum wer etwas mitbekommen, dementsprechend wenige beteiligten sich.Für den großen Streiktag am 26.01. wollten wir es besser machen. Deshalb gründeten wir eine Whatsapp-Gruppe, wo wir die motiviertesten SchülerInnen zusammensammelten, um einen gemeinsamen Plan zu entwerfen, wie wir den Streik so groß und erfolgreich wie möglich machen können. Wir organisierten ein Treffen am 24.1., welches wir in der WhatsApp-Gruppe, in Einzelgesprächen und mit Flyern bewarben, die wir überall in der Schule aufhängten.
Zu dem Treffen am Montag kamen dann 10 Leute. Hier überlegten wir gemeinsam, was wir von dem Streik wollen und wie wir so viele unserer MitschülerInnen wie möglich, egal welcher Schulstufen, dafür begeistern können.
Auf dem Treffen diskutierten wir, dass die Hauptforderung der AKS, nur die mündliche Matura heuer auszusetzen, für uns nicht radikal genug war! Wir kamen zu dem Schluss, dass unsere psychische Gesundheit massiv unter dem andauernden Leistungsdruck und der Corona-Situation leidet. Und dass es dieses System ist, der Kapitalismus, weshalb wir in dieser Scheiße stecken.
Außerdem machten wir einen Plan, wie wir unsere MitschülerInnen mobilisieren können. Dafür haben wir in der ganzen Schule Flyer für den Streik aufgehängt, auf die Tafeln in den Klassen geschrieben, dass wir am 26.1. streiken und in unseren Klassen mit den Leuten geredet, dass sie mitstreiken sollen. Auch am Instagram-Account der SchülerInnenvertretung wurde der Streik beworben.
Konkret machten wir uns dann aus, uns am 26.1. um 8:00 vor der Schule zu treffen, um dort noch so viele Leute wie möglich für den Streik zu begeistern.
Der Streiktag
Als wir uns am 26.1. vor der Schule trafen, waren zunächst nur ca. 10 Leute da. Das war erstmal enttäuschend. Weil der Streik so kurzfristig davor angekündigt wurde, hatten wir nur 2 Schultage Zeit alle zu informieren und motivieren.
Aber wir haben an dieser Stelle nicht aufgegeben: Nach kurzem Zögern sprachen wir alle Leute an, die vor der Schule standen, fragten sie, ob sie mit zum Streik kommen und erklärten, warum sie heute streiken sollten. Dann haben wir einen Streikposten vor dem Schultor gemacht, wo wir uns in einer Reihe aufstellten und jede Person, die die Schule betreten wollte, darauf ansprachen, ob sie mitkommen will. So haben wir es dann geschafft etwa 20 Leute zusammen zu bekommen. Ein paar schlugen vor, nochmal in ihre Klasse zu schauen, um ein paar mehr zu motivieren. Spontan entschieden wir als Gruppe von Klassenraum zu Klassenraum zu gehen und überall nochmal die Leute auf den Streik anzusprechen.
In jeder Klasse platzten wir in den Unterricht, haben uns an die SchülerInnen gewandt und kurz erklärt, warum wir heute streiken. Dass es uns nicht nur um die mündliche Matura geht, sondern allgemein, wie Schule (nicht) funktioniert, dass unsere psychische Gesundheit unter der Pandemie und dem Leistungsdruck leidet und dass sich nichts ändern wird, wenn wir uns nicht wehren. Nach den Reden gab es Applaus und wir riefen im Chor „Schüler, Streik!” So konnten wir nochmal mehr Leute motivieren und waren im Endeffekt ca. 40 SchülerInnen. Nicht mega viel, aber wir hatten hart für diesen Erfolg gekämpft und brachen lautstark und enthusiastisch zum Stephansplatz auf.
Dort trafen wir auf ca. 1000 andere Streikende, eine Größe, die im Nachhinein betrachtet deutlich unter unseren Erwartungen lag!
Wir denken, hätte es mehr Zeit gegeben den Streik zu bewerben, wären wir früher und besser informiert worden, dann hätten sicher mehr SchülerInnen mitgemacht. Auch hätte es radikalere Forderungen der AKS gebraucht: Uns stört nicht nur die mündliche Matura, sondern das komplette Versagen der Regierung und des Systems, uns eine gute Bildung zu ermöglichen und dass auf unsere psychische Gesundheit keinerlei Rücksicht genommen wird.
Hätte es an allen Schulen vorbereitende Treffen gegeben, wo diskutiert wird, welche Forderungen wir eigentlich haben wollen und wo ein genauer Plan für den Streiktag diskutiert und abgestimmt wird, wären wir wohl viele Tausende SchülerInnen gewesen.
Dieser Anlauf hat nicht funktioniert, aber unsere Probleme sind nicht gelöst! Solange dies der Fall ist, wird es auch immer SchülerInnen geben, die sich dagegen zur Wehr setzen.
(Funke Nr. 201/23.2.2022)