In einer Zeit der tiefen Krise des Kapitalismus suchen viele junge Menschen nach Antworten und Perspektiven. Jay (19) aus Graz berichtet aus persönlicher Erfahrung, dass der Marxismus genau das bieten kann.
Aufgewachsen in einem Dorf, das heute schon fast zur Stadt geworden ist, fand ich mich umgeben von einem Wirrwarr an „Erklärungen“ zur Politik und der Situation der Welt – die eigentlich keiner so ganz verstand. Flüchtlingskrise, Wirtschaftskrise, Klimakrise – der Krisenbegriff fand sich dabei immer wieder und brachte mich mit der Zeit zu der Frage nach den Ursachen der Krisen. „Die Ausländer sind schon wieder zu viele, die Arbeiter sind schon wieder zu wenige, die Löhne sind immer noch zu niedrig.“ Verstanden: An der Flüchtlingskrise ist der Krieg schuld, aber eigentlich sind ja die Ausländer das Problem; an der Wirtschaftskrise ist der schlechte Umgang mit Geld schuld, aber eigentlich sind ja die Konsumenten der Störfaktor; an der Klimakrise ist der Mensch schuld, also eigentlich… ja sowieso wir alle? Das kapitalistische System lehrt lediglich Schuldzuweisung an jeden, außer sich selbst, so viel verstand ich bald. Doch in der Politik fand sich nie so richtig jemand, der wirklich Antworten brachte, die Krisen analysierte und die Probleme nicht einfach einer willkürlich aus dem Hut gezogenen Minderheit zuschob.
Auf der Suche nach Erläuterungen fand ich in der Schule Anhaltspunkte, als wir in Wirtschaftskunde den Aufstieg des Kapitalismus besprachen, im Englischunterricht die Sklaverei im „18th century America“, in Geschichte den Nationalsozialismus und in Religion die Sterbehilfe. So viel Elend lastete auf der Menschheit. Und dass wir selbst nicht reich sind, das lag an unserer Faulheit und fehlender Motivation, andere – die gar keine Chance hatten, Millionär zu werden – waren einfach verdammt, hatten Pech und mussten daher ihr Leben lang leiden.
Nach einer Geschichtsstunde, in der wir damit beauftragt wurden, Quellenanalysen über Bilder von „Diktatoren“ zu verfassen – Trotzki, Lenin, Stalin – brachte mich eine Neugier zu einer langen Nacht im Internet. Die Suchleiste warf ein abstruses „Lenin schlecht?“ – folgend ein „Kommunismus Definition“ und schließlich ein „Gibt es Kommunisten in Österreich?“ auf. Die Reise war recht beschwerlich, mit der Theorie wollte ich mich nicht auseinandersetzen aus Furcht vor Propaganda, der Anarchismus war mir angenehmer mit seiner vertrauten Ignoranz zur Antwort, und die KPÖ war kaum wahrnehmbar – ein Gespenst mit unklarem Programm.
Schließlich fand ich mich wieder im Unterricht (diesmal Philosophie) mit einem kleinen Büchlein „Manifest der Kommunistischen Partei“. Die marxistische Philosophie gefiel mir schon gut, doch die Frage, wie man denn zu diesem scheinbar utopischen Kommunismus gelangen sollte, die Umsetzung der Philosophie in die Tat, war für mich noch ein Rätsel. War der Marxist am Ende des Tages nur ein toxischer Optimist, der als Kind vermutlich ein wenig zu viele „Happy Endings“ gesehen hatte? Ich lernte, das Gegenteil war der Fall: Ein Marxist ist weder Pessimist noch Optimist, sondern ein Realist, ein Analytiker der Zeit, der die Geschichte studiert, ein aufmerksamer Naturwissenschaftler, jemand, der alles, was er untersucht, analysiert und dabei Zusammenhänge für die Gegenwart und Zukunft herstellt. Nicht nur werden hier das „Woher“ und „Warum“ der Situation beantwortet, sondern auch das „Wie wird/kann/muss es weitergehen?“.
Im dunklen Nachthimmel brachte ein Funke in mir die Flamme schlussendlich zum Glühen – und das durch ein „Bist du denn zufällig interessiert am Kommunismus?“ von einem Typen mit Katzenohren auf der Pride Parade. Als recht neues Mitglied beim „Funke“ fällt mir der soziale Aspekt ironisch schwer, doch bereits in kurzer Zeit habe ich gelernt, was der Kampf gegen den Kapitalismus bedeutet, die Wichtigkeit der Organisation, der Herrschaft der Arbeiterklasse. In jedem Fall lerne ich weiter fleißig, stelle mich gegen die Menschenscheu und die (Theorie-)Faulheit, um weitere Personen zu begeistern, in unserem Kampf nach dem Motto „Kommunismus jetzt!“ zu helfen. Denn um die Unterdrückung aller Menschen zu beseitigen, die Welt so gut es geht zu retten und Frieden herrschen zu lassen, benötigt es Programm, Organisation, Revolution!
(Funke Nr. 211/21.02.2023)