Emil (28 Jahre) aus Lustenau erzählt, wie er im Funke aktiv geworden ist.

Herzlich willkommen in Bosnien und Herzegowina (BiH), einem Land mit wunderschöner Natur, großem historischem Erbe, kultureller Vielfalt… und, natürlich, vom Krieg verursachten Traumata, massenhafter Ausbeutung und einem politischen Albtraum. Einen Besuch ist Bosnien allemal wert, aber um dort aufzuwachsen, braucht es ein gewisses Durchhaltevermögen.

Ich habe diese Erfahrung gemacht. Ich wurde in Vorarlberg als Kind von Flüchtlingen geboren, kehrte aber 1996 in Mutters Armen zurück nach Jajce in Zentralbosnien. In meinen ersten Erinnerungen sehe ich noch, wie das Land in Trümmern liegt nach einem Krieg, in dem nur die Imperialisten gesiegt haben – um in BiH endlich „Frieden“ zu schaffen, wurde der neu gegründete Staat sektiererisch unterteilt, und wie so vielen anderen wurde auch ihm ein kapitalistisches Wirtschaftssystem aufgezwungen. Die Folgen sind heute noch spürbar: Das Bildungssystem ist furchtbar, Armut und Arbeitslosigkeit sind im europäischen Vergleich besonders weit verbreitet, und die Jugend wandert massenhaft in das Land, wo Milch und Honig fließen, nach Deutschland oder Österreich, aus. So führte mich mein Weg wieder nach Vorarlberg. Obwohl ich in einem Umfeld ausgewachsen bin, wo kroatischer Nationalismus (freilich mit Verherrlichung der Ustascha – den Nazi-alliierten kroatischen Faschisten) gang und gäbe ist, habe ich mich dank des Einflusses meiner Mutter nie in diesen schädlichen Sog ziehen lassen.

Spulen wir vor zur Corona-Pandemie, wo sowohl meine Vorgeschichte als auch die zunehmenden Widersprüche des Kapitalismus mich auf linke Internetseiten geführt haben, und all diese Faktoren haben erheblich zu meiner Radikalisierung beigetragen. Durch eine Freundschaft kam ich in Berührung mit „Extinction Rebellion“, wo ich einige lehrreiche Schlüsse in Bezug auf Aktivismus ziehen konnte. Diese Gruppierung setzt sich rein mit einem Thema (Klimakatastrophe) auseinander, das einen selbst zur Verzweiflung treiben kann. Daher wird in diesen Kreisen stets eine „regenerative Kultur“ gepflegt – das Wohl der Beteiligten wird immer priorisiert, was durch das Buddy-System noch verstärkt wird. Was mich außerdem angezogen hat, ist die Hingabe, mit der Aktionen geplant und umgesetzt werden.

Aber als Revolutionär haben mir dort politische Perspektiven gefehlt: Die Aktionen richten sich an die Bürgerlichen, die jedoch kein materielles Interesse daran haben, den Status quo zu hinterfragen oder zu ändern. Dazu richten sie sich gegen die Arbeiterklasse, die aber die einzige soziale Kraft in der Gesellschaft darstellt, die wirklich nachhaltige Veränderungen durchsetzen kann. Daher sah ich mich gezwungen, mich vom Klima-Aktivismus zu verabschieden, was mich zum Funke geführt hat. Meine GenossInnen helfen mir konstant, meinen Theoriemangel durch Diskussionen, Lesekreise und die Praxis auszugleichen. Zudem versuche ich, meine bisherigen Perspektiven – als Jugoslawe und Klima-Aktivist – aktiv im Funke einzubringen, damit wir ein noch größeres Spektrum an Menschen aus der Arbeiterklasse gewinnen. Spasimo planetu – mit der sozialistischen Revolution!

(Funke Nr. 212/21.3.2023)


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