Jugendliche schaffen sich Gehör. Eine Zwischenbilanz der massenhaften Empörung, von der linken SchülerInnenzeitung Signal.
Die Jugend sieht für sich keinen Platz und reagiert umso sensibler auf die Bedrohungen durch die Wirtschaftskrise, die viele bereits auch handfest zu spüren beginnen. Die Losung „Eure Krise zahlen wir nicht!“ brachte diese Stimmung genau auf den Punkt. Nur so lässt sich erklären, dass ohne große Vorlaufzeit diese Streiks organisiert werden konnten und tausende SchülerInnen auf die Straße gingen. Ihren Ausdruck fand dies in der Solidarität mit den LehrerInnen und in der Forderung nach einer „Bildungsmilliarde“. Emil aus Vorarlberg: „Ich war auf dem Streik, weil es wichtig ist sich mit den Lehrern zu solidarisieren, da die Maßnahme der Schmied automatisch auch die Schüler treffen wird. Denn jeder Einschnitt, der bei den Lehrern gemacht wird betrifft natürlich auch unsere Bildung.“ Die Massenmedien und die Bildungsministerin haben keine Ahnung, wie sie sich diese Proteste erklären sollen. Die LehrerInnen hätten die SchülerInnen instrumentalisiert, und SchülerInnen würden halt gerne Schule schwänzen. Mehr ist ihnen nicht eingefallen. Und obendrein wurde erklärt, dass sie gar kein Recht zu streiken hätten.
Was es noch brauchte, war eine Kraft, die dem Ganzen eine Stoßrichtung geben konnte. Ihren Ausgangspunkt nahm die Bewegung in Vorarlberg, wo die marxistische SJ die Initiative gesetzt hatte. An die 1.500 SchülerInnen folgten am 18.3. dem Streikaufruf und beteiligten sich an einer der kämpferischsten Demos, die das Ländle seit vielen Jahren gesehen hat. Die Politisierung unter SchülerInnen zeigte sich auch an den extrem gut besuchten Veranstaltungen danach, wo sich dutzendweise Jugendliche bereit erklärten, aktiv zu werden.
Die SJ Vorarlberg schaffte es durch ihre Rolle in der Bewegung mittlerweile in Feldkirch, Dornbirn, im Bregenzer Wald und neue Ortsgruppen aufzubauen. Dutzende Jugendliche besuchten in den letzten Wochen ihre Treffen. Dasselbe gilt für Linz, wo die SJ Römerberg und Wels den Streik am 2.4. organisierten und nun eine Reihe von neuen AktivistInnen zählen.
Andere Landesverbände und das Bundesbüro entschieden sich unter dem Eindruck der erfolgreichen Streiks am 2. April und der Tatsache, dass immer mehr SJlerInnen die Forderung nach einem Schulstreik unterstützten, aktiv einzugreifen. Dem gingen heftige Diskussionen in den sozialdemokratischen Jugendorganisationen voran, in denen sich große Teile der SJ und der AKS auf die Seite der „roten“ Bildungsministerin stellten und den LehrerInnen die Solidarität verweigerten. Durch ihr passives Abwarten überließen SJ und AKS in der medialen Debatte der reaktionären Schülerunion das Feld, die sich mit dem PISA-Boykott in Szene setzen konnte. Mit der Entscheidung einen bundesweiten Schulstreik zu organisieren und die Kampagne für die „Bildungsmilliarde“ spielte die SJÖ im weiteren Verlauf jedoch eine wichtige Rolle bei der Ausweitung der Bewegung.
Am 20. April gingen mehr als 10.000 SchülerInnen in allen Landeshauptstädten auf die Straße und demonstrierten gegen die Bildungspolitik der Regierung. Dies war aber nur kurz der vorläufige Höhepunkt der Mobilisierungen an den Schulen. Als klar wurde, dass es eine Einigung unter Ausschluss der Meinung der SchülerInnen gab, kochte das Fass über. Am 24. April (in anderen Regionen bereits am Vortag) bestreikten Zehntausende den Unterricht und zogen in „extrem lautstarken“ (so der Linzer Polizeibericht) Demonstrationen durch die Städte und Gemeinden.: 30.000 SchülerInnen in Wien, 12.000 in Linz, 4000 in Dornbirn führen eine Hitliste an, die erst in Kleingemeinden wie Lienz im Osttirol und Oberwart im Burgenland endet.
Damit hat die Schülerbewegung eine Vorreiterrolle übernommen, die über die noch nicht zurück erkämpften drei schulautonomen Tagen hinausgeht. Unter den gegeben politischen und wirtschaftlichen Bedingungen wird diese hier zur materiellen Kraft gewordene Empörung nicht wieder schnell verblassen. Geld für Bildung und eine radikale Schulreform, die SchülerInnen nicht nur als sozial gesiebte Ausbildungsobjekte, sondern denkende und fühlende Menschen versteht sind ein Dauerthema, das einer Lösung harrt. Und hier werden wir auf Widerstand stoßen. Nicht von irgendwoher sind direktorale Repressionen an den Polys am stärksten (in Bregenz drohte der Direktor mit Anzeigen, in Feldkirch mit Schulausschluss – die Schüler gingen trotzdem) – in berufsbildenden Schulen ist das Prinzip des Kuschen am stärksten ausgeprägt.
Wir treten dafür ein, den Druck auch durch Streiks weiter aufrecht zu erhalten, Verbindungen mit andern kämpferischen Teilen der Bevölkerung (die gegen Arbeitslosigkeit und Lohnkürzungen kämpfen – aber auch den LehrerInnen die sich von der GÖD missverstanden fühlen) aufzubauen, und die Forderungen der SchülerInnen in regionalen und nationalen Bildungsräten zu diskutieren und artikulieren.
In diesem Sinne kämpfen wir weiter und bauen gemeinsam eine starke Linke an den Schulen auf, um uns auch gegen spätere Angriffe wehren zu können, denn es geht um unsere Zukunft. Daher wird es weiterhin heißen müssen: „Heut entfällt der Unterricht, denn eure Krise zahlen wir nicht!“ Sei dabei.