Die Sozialschmarotzerdebatte erhält durch Sozialminister Hundstorfer neuen Aufwind. Von Kurt Bührle.

Der Sozialminister hat den Grund dafür gefunden, warum so viele Jugendliche arbeitslos sind: Sie sind schlichtweg faule Drückeberger, die herumlungern. Jährlich würden sich rund 10.000 Jugendliche vor jeder Verantwortung drücken. „Genosse“ Sozialminister nennt sie die „Generation Novomatic“. Ihre „wichtigste Adresse ist jene des Sozialamtes“. Und dies obwohl die Bundesregierung seit Jahren „eine Garantie ausgesprochen hat: Jeder der will, der kann. Nun geht es darum, nachzuhelfen, dass sie das Angebot annehmen.“

Willkommen in der Welt der „aktivierenden Arbeitsmarktpolitik“. Heute überlegt man sich nicht mehr wie sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden, heute wird bei den Arbeits- und Ausbildungslosen angesetzt. Sie werden dazu gezwungen alles annehmen zu müssen, was ihnen der Arbeitsmarkt und das AMS bietet. Hundstorfer droht sogar zur Freude der ÖVP mit der Streichung der Familienbeihilfe.

Realitycheck

Dass die freie Berufswahl eine Phantasterei ist, weiß die Mehrheit der Jugendlichen aus eigener Erfahrung. In Wirklichkeit lernen die meisten jungen ArbeiterInnen und Angestellten in erster Linie Gehorsam, sich Anpassen, den Verzicht auf ihre Wünsche und soziale Rechte. In einer repräsentativen Umfrage der GPA-djp-Jugend unter den 19.000 Handelslehrlingen gaben 54 % der Befragten an, dass „sie Schwierigkeiten hatten eine Lehrstelle zu finden“ und ebenfalls 54 % der Lehrlinge gaben an, dass ihr aktueller Lehrberuf nicht ihr Wunschlehrberuf ist.Politisch bewusste Lehrlinge leiden unter Meinungskontrolle und Willkür in Betrieb, Werkstätte und Berufsschule. In der bereits zitierten Umfrage erklären 42 Prozent, dass sie Angst haben ihre Lehrstelle zu verlieren, über ein Drittel berichtet davon, dass im Fall der Inanspruchnahme von Krankenständen der Chef Probleme macht, ein Drittel muss angeordnete Überstunden leisten. Dazu kommt ein beinharter Konkurrenzkampf und Ausscheidungswettbewerb.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass die Chefs nicht selten Ansprüche an „ihre Lehrlinge“ stellen, die weit über das Lehrverhältnis hinausgehen. Lehrlinge werden wegen ihrer Fortgehgewohnheiten oder ihrer politischen Meinungen unter Druck gesetzt. Sexuelle Übergriffe auf Mädchen und junge Frauen gehören zum Lehrinhalt.

Wenn man keine betriebliche Ausbildung findet, kommt man in eine überbetriebliche Werkstätte. Hier wird gelernt und gearbeitet, die Lehrlingsentschädigung ist noch geringer als in der betrieblichen Ausbildung (siehe Bericht). Wer auch hier nicht unterkommt, hat als letzte Option die Wiederholung des Poly, sofern der Direktor dies zulässt. SchülerInnen an polytechnischen Schulen, die sich im 10. Schuljahr befinden, sind wohl nur mehr frustriert. In einer Schule, in der ohnehin kaum Neues gelernt wird, sacken ihre Leistungen nicht zuletzt aus Langeweile und Unterforderung völlig ab. Wen wundert es, dass viele Jugendliche da nicht mehr mitkönnen, weil sie ohne Zukunftsperspektive sind.

Sozialminister Hundstorfer glaubt, Jugendliche mit Zwangsmaßnahmen „aktivieren“ zu können. Wer der Jugend aber eine Zukunft bieten will, der muss in ein hochwertiges, öffentliches Bildungssystem investieren und Vollbeschäftigung garantieren.


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