WIFO und IHS rufen zu Mäßigung bei den Lohnforderungen auf. Wieso es den Unternehmern dabei um ein Aufrechterhalten ihrer Rekordprofite geht, analysiert Theresa Kerschbaum.
Pünktlich zu einer von Rekordinflation geprägten Frühjahrslohnrunde sehen IHS und WIFO wieder das Schreckgespenst der Lohn-Preis-Spirale durch die Gesellschaft geistern und rufen zur Mäßigung bei den Löhnen auf. Es gäbe inflationsbedingte Wohlstandsverluste, die es nun leider durch die Werktätigen zu schlucken gelte. Die Presse fasste die Position der Bürgerlichen treffend zusammen: „Um die Inflationsrate herunterzubekommen, seien reale Einkommensverluste nun leider eine notwendige Folge.“ (Jakob Zirm, Die Presse, 14.03., Print)
Gehen wir den Argumenten von Wohlstandsverlusten weiter nach: Vereinfacht gesprochen kann man sich den in einem Jahr produzierten Wohlstand wie einen Kuchen vorstellen, der ausschließlich von den Werktätigen produziert, aber auf alle Klassen aufgeteilt wird. Häufig wird das inflationsbereinigte (reale) Brutto-Inlandsprodukt (BIP) als Indikator für diesen Wohlstand verwendet. Wie steht es nun um dieses pro Kopf gerechnete BIP? Trotz Krieg und Nachwehen der Pandemie erreichte sowohl das BIP als auch das pro Kopf gerechnete und inflationsbereinigte BIP im Jahr 2022 einen absoluten Höchststand (2022: 42.348 Euro, 2019: 42.054 pro Einwohner; basierend auf 2010-Preisen). Der Kuchen wurde also sogar insgesamt größer, auch wenn die Arbeiterklasse den Gürtel spürbar enger schnallen musste.
Um die Frage zu beantworten, wohin sich der Wohlstand dann im letzten Jahr verschoben hat, reicht es sich durch die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen zu blättern: Ein Rekordergebnis jagt das nächste. Und so prominente Rekordgewinne von OMV (5,2 Mrd. Euro), Verbund (1,7 Mrd. Euro) oder der österreichische Bankenbranche (10,2 Mrd. Euro) sind keine Ausnahmen, sondern die Regel. Das zeigen die Statistiken zu den österreichischen Bruttobetriebsüberschüssen aller Unternehmen, die inflationsbereinigt von 2019 auf 2022 um ganze 8% stiegen, während die realen Durchschnittsgehälter in diesem Zeitraum um 3,4 % sanken. Die Profite des Kapitals erhöhten sich also massiv und auf Kosten der Arbeiterklasse. Die Inflation war dabei in der Lage, eine Umverteilung zugunsten der Profite zu erreichen, die sich selbst die konservativste bürgerliche Regierung nicht gewagt hätte durchzusetzen.
Schreien die Bürgerlichen nun nach einer Mäßigung bei den Löhnen, ist dies nichts anderes als der Versuch, dieses Verhältnis und damit ihre Rekordprofite einzuzementieren. Ein genauer Blick in die Prognosen des WIFOs offenbart auch, dass bereits damit gerechnet wird, dass die Werktätigen sich durch die angepassten Löhne auch 2023 nur einen Teil der Reallohnverluste zurückholen werden. Von einer Kompensation für „Produktivitätssteigerungen“ durch Arbeitsverdichtung, etc. nicht einmal zu sprechen. Insbesondere aber handelt es sich hierbei um einen Kampf, den es erst auszufechten gilt. Den Versuch, die Profite dauerhaft auf Kosten der Löhne hoch zu halten, gilt es entschlossen und kämpferisch zurückzuweisen: Es kann kein Abschluss unter der Inflationsrate akzeptiert werden!
Und auch das Argument, dass durch eine „Mäßigung“ der Löhne eine Lohn-Preis-Spirale abgewendet werden muss, entlarvt sich schnell als Propaganda, um die Rekordprofite zu sichern: Die Unternehmen begannen zuerst ihre Preise und damit ihre Profite zu erhöhen und die Löhne hinken selbst nach den KV-Anpassungen noch weit hinter der tatsächlichen Inflationsrate her. Dafür verantwortlich sind die Gewerkschaftsführungen, die in den Verhandlungen weiter nur die „rollierende Inflation“ durchzusetzen versuchen (was bedeutet, dass von vornherein Lohneinbußen in Kauf genommen werden), und die Durchsetzung einer automatischen Anpassung der Löhne an die Inflation erst gar nicht anvisieren wollen.
Soll verhindert werden, dass die ohnehin den Preisen nachhinkenden Lohnanpassungen durch ständige Preissteigerungen der Unternehmen weiter unterlaufen werden, führt kein Weg an einer Kontrolle der Preise durch die Werktätigen vorbei. Nur so können die Reallöhne gesichert und die Profit-Preis-Spirale verhindert werden! Dafür müssen Preiskontrollen durch Delegierte der Gewerkschaften und der Belegschaften auf alle wesentlichen Konsumgüter und Lebensgrundlagen wie Mieten eingeführt werden.
Wollen wir jedoch eine gesicherte Existenz, geht es letzten Endes nicht nur um ein größeres Stück vom Kuchen, sondern um die Kontrolle über die gesamte Bäckerei.
(Funke Nr. 213/24.4.2023)