Asyl. Immer mehr Menschen die vor Kriegen und Verelendung flüchten, schaffen es bis nach Europa. In Österreich gibt es viel Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Die Politik aber agiert unfähig und verlogen zugleich, berichtet Sarah Sattelberger.

 Brennpunkte der derzeitigen Flüchtlingsbewegungen in Europa sind die griechischen Inseln nahe der Türkei, die französische Stadt Calais, von der aus Flüchtlinge nach Großbritannien gelangen wollen, und die mazedonische Grenzstadt Gevgelija, von der aus tausende MigrantInnen versuchen, mit dem Zug Richtung Serbien und von dort nach Ungarn zu gelangen, bevor der ungarische Zaun an der serbischen Grenze fertiggestellt wird. Keine Woche ohne menschliches Drama mit dutzenden Toten. Menschen ertrinken oder ersticken in Laderäumen.

Trotz der großen Gefahren nehmen immer mehr Menschen die Flucht nach Europa auf sich. Dies ist den unerträglichen Lebensbedingungen in den Herkunftsländern geschuldet. Die Mehrheit der Flüchtenden stammt dabei aus Syrien (wo Bürgerkrieg herrscht), Afghanistan (wo sie vor den Taliban flüchten), und dem Irak (wo der IS sein Unwesen treibt). Um es präzise zu benennen: Der Hauptteil der flüchtenden Menschen sind Vertriebene aus Ländern, in denen der Westen aktuell und im vergangenen Jahrzehnt Krieg führt, die staatliche Ordnung weg- und Terror, Chaos ohne jede Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben herbeigebombt hat. Diese Manöver wurde einst als „Regime-Change“, Durchsetzung von Demokratie und „Bekämpfung (!) von Islamismus“ gefeiert. In letzter Konsequenz ist es ein sich aggressiv gebärender Kapitalismus, der mehr und mehr Menschen dazu zwingt, ihre verwüstete Heimat zu verlassen.

Obwohl nur ein Bruchteil der tatsächlichen weltweiten Flüchtlingsströme überhaupt Europa zum Ziel hat (die größten Aufnahmeländer sind immer noch Pakistan, Iran, Libanon, Jordanien und die Türkei), scheint die Politik hierzulande immer mehr in Panik zu verfallen.

Alle Länder versuchen es mit dem Prinzip der Abschottung und der Verlagerung der Problematik ins Nachbarland. Zynischer geht’s dabei gar nicht: Einerseits wird betont, dass man die Menschenrechte einhalten wollte (was eine schlichte Lüge ist), andererseits verriegelt man die Grenzen, um alle draußen zu halten. Und dann wird der Kampf gegen das „Schlepperunwesen“ zum zentralen Schlachtruf erhoben. Man kann die Haltung der Bundesregierung also so zusammenfassen: Ja, die Menschenrechte gelten, aber wir tun alles, um zu verhindern, dass diese tatsächlich jemand in Anspruch nehmen kann: Es gibt schlicht keinerlei gesetzliche Möglichkeit, außerhalb der Staatsgrenzen Asyl in Österreich zu beantragen.

Dabei war gerade Österreich in seiner jüngeren Vergangenheit bereits einmal ein gutes Beispiel dafür, wie auch ein kleines Land mit rasch steigenden Flüchtlingszahlen sachlich und organisiert zurechtkommen kann. In den 1990ern schaffte man es durchaus mit den Kriegsflüchtlingen aus Jugoslawien menschlich umzugehen. Statt Anträge zu ignorieren, bewusst langsam zu bearbeiten oder Unterkünfte zu schließen, tat man nämlich damals das genaue Gegenteil und rüstete sich für weitere Flüchtlinge. Neben den 30.000 regulären AsylwerberInnen standen damals auf dem Höchststand noch zusätzlich 45.000 Kriegsflüchtlinge unter dem Schutz der Republik. Auch die Medienberichterstattung war vollkommen anders. In den Köpfen der Bevölkerung konnte sich ein Bild von den Schrecken des Krieges bilden, im Unterschied zu heute, wo gerade die Berichterstattung über den Krieg in Syrien kaum stattfindet.

Heute stehen 46.000 AsylwerberInnen in der staatlichen Grundversorgung (die passenderweise an einen profitorientierten Konzern ausgelagert wurde), bis Jahresende werden noch ca. 25.000 dazukommen. Das wären immer noch weniger als in den 1990ern und dennoch produziert die Republik völliges Chaos. Man redet von „Wellen“  und „Anstürmen“  und suggeriert, dass es sich um eine nicht zu lösende Aufgabe handelt.
Dies zeigt sich vor allem am Beispiel Traiskirchen, wo inzwischen sogar Amnesty International (AI) von einer Verletzung fast aller Menschenrechte und einem „Pseudo-Notstand, bei dem es um ein Nicht-Wollen gehe“, spricht. AI spricht von Überbelegung, unzureichender medizinischer und sozialer Versorgung und einer besonders prekären Situation für Kinder und Jugendliche, für die keinerlei adäquate Betreuung vorhanden ist und von denen viele immer noch obdachlos sind. Menschen müssen oft tagelang warten, bevor sie von einem Arzt behandelt werden.

Die vier zur Verfügung stehenden MedizinerInnen sind den Großteil der Zeit mit Kontrolluntersuchungen für die Registrierung beschäftigt. Und trotz der Tatsache, dass viele Menschen aus Kriegsgebieten fliehen mussten und teilweise stark traumatisiert sind, stehen für das gesamte Camp nur 3 PsychologInnen zur Verfügung. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, sagt dazu: „Traiskirchen ist das zentrale Symptom für ein weitreichendes strukturelles Versagen des föderalen Österreich im Umgang mit AsylbewerberInnen.

Österreich kann sich die Versorgung und Unterbringung schutzsuchender Menschen leisten: Die Ursachen der Missstände liegen im behördlichen Nicht-Wollen und in der polizeilichen Logik, nach dem das gesamte Ayslwesen ausgerichtet ist. Ein System, das die Menschenrechte von AsylwerberInnen schützt und respektiert, ließe sich ohne wesentlichen Kostenmehraufwand verwirklichen. Es ist völlig unnötig und beschämend, beispielsweise einen zwölfjährigen Bub getrennt von seinem Vater unterzubringen – mit dem Ergebnis, dass beide lieber im Freien schlafen, als getrennt zu sein.“ Patzelt  spricht von Desinteresse, völliger Gedankenlosigkeit, Wurschtigkeit.

Es gibt noch immer zu wenig Quartiere, dumme BürgermeisterInnen blockieren neue Flüchtlingsquartiere, und statt vernünftiger Unterkünfte werden weiterhin Zelte aufgestellt. Täglich kommen zwischen 200-400 Flüchtlinge in Österreich an und immer noch landen sie, trotz des Aufnahmestopps in Traiskirchen, jetzt in einem eigenen abgesperrten Bereich.

In Zeiten weltweiter Krisen und Kriege werden die Flüchtlingsbewegungen nicht abebben. Solange die Lebensgrundlagen von Menschen zugunsten des Profitstrebens und Machterhalts des kapitalistischen Systems zerstört werden, werden Menschen vor dieser Barbarei flüchten. Hier gilt es dafür zu kämpfen, die Grenzen zu öffnen und sichere Fluchtruten einzurichten. Menschlichkeit in einer unmenschlichen Welt einzufordern greift aber zu kurz: Was wir brauchen ist Sozialismus!


Unsere Arbeit kostet Geld. Dabei sind wir exklusiv auf die Unterstützung unserer LeserInnen und UnterstützerInnen angewiesen. Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, zögere nicht und lass uns deine Solidarität spüren. Ob groß oder klein, jeder Betrag hilft und wird wertgeschätzt.

Der Funke  |  IBAN: AT48 1513 3009 5102 5576  |  BIC: OBKLAT2L

Artikel aus der Kategorie