IV. Die VertreterInnen der Industrie gehen in die Offensive. Der Wirtschaftsflügel der ÖVP übernimmt mit McDonald die Führung in der Partei und drängt weiter auf schnelle Reformen im Sinne des Kapitals. Agnes Friesenbichler berichtet.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), warnt vor einem Abwärtstrend der österreichischen Wirtschaft, den man „nur durch rasche und tiefgreifende Strukturreformen stoppen“ könne. Im Mittelpunkt seines Forderungskatalogs stehen die Senkung der Lohnnebenkosten, die Flexibilisierung bzw. die Ausweitung der Arbeitszeiten sowie die „Mobilisierung des Arbeitsmarktes“ durch schnellere Kündigungen und die Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose. Gefordert werden weiter eine Reform des Gesundheitswesens, der Pensionen (insbesondere eine schnellere Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters und höhere Abschläge für FrühpensionistInnen), Privatisierungen etc.
Durch das Erstarken des Wirtschaftsflügels in der ÖVP werden diese Forderungen auch in der Regierung immer offensiver vorgebracht werden. Der neue Generalsekretär der ÖVP, Peter McDonald, beschreibt sich selbst als „politische Kraft“ und macht auch klar, was damit gemeint ist: Ihn interessieren gesellschaftspolitische „Nebenthemen“ wie z.B. Familienmodelle nicht, und er legt auch keinen großen Wert auf die Kommunikation des Politischen in den neuen Medien und anderer Schick-Schnack. Es geht ihm vielmehr darum die ÖVP zielgerichtet auf die zentrale Frage der Umverteilung von Arbeit zu Kapital festzulegen. Die Stichworte lauten: Schluss mit der „no-problem-Mentalität bei den Pensionen“, Schluss mit „falschen Anreizen in der sozialen Mindestsicherung“ (und meint damit, dass die soziale Absicherung es Arbeitslosen ermögliche bei Jobangeboten allzu wählerisch zu sein) etc. Zusammenfassend lautet das Credo von McDonald: „Die Sozialpartnerschaft muss wieder zu einer Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft werden, in der Wirtschaftswachstum und Beschäftigung im Fokus stehen.“ Finanzminister Schelling argumentiert sinngemäß das Budget 2015 nicht aus „innerster Überzeugung“, sondern betont vielmehr, dass die vorgenommenen Schwerpunktsetzungen nur erste Schritte eines gröberen gesellschaftlichen Umbaus seien. Jeder Tag ohne Reformen sei ein verlorener Tag, doch man regiere ja nicht allein, sondern habe einen Koalitionspartner und müsse sich daher vorerst mit kleinen Schritten zufrieden geben.

Vorbote Oberösterreich

Im Wissen, dass Rot-Schwarz nicht fähig ist, die geforderten Angriffe auf die Arbeiterklasse in geforderter Geschwindigkeit umzusetzen, hat die Industriellenvereinigung (IV) in Oberösterreich auf Schwarz-Blau gedrängt. Schwarz-Rot „würde sich rechnerisch ausgehen. Aber schauen Sie sich nur das SPÖ-Wahlprogramm an, was da drinsteht: Reverstaatlichungen, dauernde Forderungen nach Arbeitszeitverkürzungen. Davon halten wir nichts“, so Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der oberösterreichischen Industriellenvereinigung.
Denselben Ton schlägt ÖVP-Wirtschaftslandesrat Michael Strugl an: „Die Politik des Verteilens der Zuwächse ist vorbei, weil es keine Zuwächse mehr gibt.“ Man brauche Reformen und „die größere Reformorientierung sehe ich derzeit bei der FPÖ“. In diesem Sinne packt Parteichef Mitterlehner bekannte Argumente aus: Zusammenarbeit mit allen Parteien des Verfassungsbogens, Zähmung der FPÖ in der Regierung etc. Was wir nach der Bildung von Rot-Blau im Burgenland argumentiert haben, nimmt nun konkrete Züge an: Nicht der am sinnentleerten Machterhalt orientierte SPÖ-Apparat eröffnet sich mit den Blauen neue taktische Möglichkeiten, sondern er bereitet politisch schlicht und einfach eine Wiederauflage der arbeiterfeindlichen Koalitionsform Blau-Schwarz vor.
Bereits im oberösterreichischen Wahlkampf konnte man beobachten, dass die FPÖ und die Industriellenvereinigung ihre Presseabteiligungen de facto fusioniert haben. Presseaussendungen der IV wurden von der FPÖ wortgleich, nur leicht garniert mit nationalistischen Einsprengseln übernommen. So wird gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Dementsprechend ist auch das „Arbeitsübereinkommen“ von LH Pühringer und FP-Haimbuchner gestaltet: Weder Umweltschutzrichtlinien noch Reverstaatlichungen, weder Beteiligungsmodelle der öffentlichen Hand noch EU-Regulierungen sollen künftig die Wirtschaft hemmen. Man kann das auch so lesen: Alles was voestalpine-Generaldirektor Eder in den vergangenen Jahren gefordert hat, ist zur Arbeitsgrundlage der oberösterreichischen Landesregierung erhoben worden. Angesichts des Umstandes, dass die Gewerkschaft 2003 jeden Widerstand gegen die Privatisierung der voestalpine im Gegenzug für die Einrichtung von Mitarbeiterbeteilungsmodellen eingetauscht hat, ist dieses Regierungsprogramm auch als Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber der Belegschaftsvertretung zu verstehen: Steht treu zur innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft, sonst fahren wir politisch über euch drüber.
Praktischerweise kann sich die ÖVP mit der FPÖ nicht nur schleunigst an den Kahlschlag der Sozialleistungen machen, sondern dieses auch noch rassistisch begründen und so einen Keil in die Arbeiterklasse treiben. So soll zum Beispiel Nicht-EU-BürgerInnen der Zugang zur Wohnbeihilfe deutlich erschwert werden, genauso wie „mangelnder Integrationswille“ Sanktionen nach sich ziehen soll.

Die bürgerliche Offensive

Die Frage ist nicht mehr, ob die nächste Regierung eine Bürgerblockregierung wird, sondern nur wann dies eintreten wird. Auf dem Weg dahin werden sich die Spitzen der SPÖ und der Gewerkschaften ein ums andere Mal der bürgerlichen Offensive beugen.
Die traditionellen Organisationen der Arbeiterbewegung werden personell entleert und politisch besudelt in die nächste Wahlauseinandersetzung gehen, die sie so nur verlieren kann. Aus der Sicht der Arbeiterbewegung stellt sich nur die Frage, ob es jenen Kräften, die gegen die absehbare offene Kapitulation stehen, gelingt, ein politisches Projekt abseits der kapitulationsbereiten Apparate zu formulieren.


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