Die Asylgesetznovelle soll nicht nur das Recht auf Asyl de facto abschaffen, sondern schränkt auch die bürgerliche Demokratie stark ein. Die Hintergründe dazu analysiert Florian Keller.

Der Grund für die reaktionäre Wende: Die Regierung hat die Banken, allen voran die Hypo-Alpe-Adria, mit Milliarden an Steuergeldern gerettet. Sie hat begonnen, bei den Pensionen, der Gesundheit und der Bildung zu sparen. Sie regiert inmitten der höchsten Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten.

Doch nicht nur die WählerInnen, sondern auch die FunktionärInnen laufen den Regierungsparteien scharenweise davon. Ein erster Hinweis darauf war die Einkaufstour des Multimilliardärs Frank Stronach durch die politische Landschaft. Mit den Neos und Griss tun sich weitere Spaltungen im bürgerlichen Lager auf. „Die Presse“ spricht von einem in den kommenden Monaten eintretenden „Interregnum“, einer instabilen Phase der österreichischen Innenpolitik.

Kapital sorgt vor

Das Aufbrauchen der stabilen gesellschaftlichen Basis der regierenden Parteien ist für das Kapital extrem gefährlich. Die BürokratInnen und VerwalterInnen der Arbeiterbewegung sind gleich doppelt unter Druck. Sie sind für das Kapital nur dann nützlich (und kommen für „Regierungsverantwortung“ und Posten im Staat und staatsnahen Bereich in Frage), wenn sie den „Standort Österreich“ verteidigen und vor allem die ArbeiterInnen von „Abenteuern“ wie Streiks für höhere Löhne abhalten können. In dem Maße, wie die Massen sich von der SPÖ abwenden, sind Faymann und Co. aber auch für die Bürgerlichen immer nutzloser.

Dieser Verlust an Unterstützung und der eigenen Basis bei einem gleichzeitigen Versuch, die Politik des Kapitals getreu umzusetzen, führt dazu, dass es sich Regierungen immer weniger leisten können, gesellschaftliche Debatten über zentrale Vorhaben zu führen. In Südeuropa zeigen das die von oben eingesetzten „Expertenregierungen“, die in den letzten Jahren in Griechenland und Italien für Ordnung sorgen sollten. In Frankreich ist der Notstand seit den Anschlägen im November in Kraft. In ganz Europa zeigt es die äußerst undemokratische Diskussion über das Freihandelsabkommen TTIP, wo selbst für Abgeordnete extreme Einschränkungen und Geheimhaltungsklauseln gelten.

Auch in Österreich ist die Bundesregierung in einer immer schwächeren Position und führt am liebsten „Sachzwänge“ zur Umsetzung unpopulärer Maßnahmen ins Feld. Ein Beispiel dafür ist die Einigung zur Pensionsreform. Wenn eine durch „internationale Experten“ erweiterte Pensionskommission der Bundesregierung de facto Vorschriften über Einsparungen machen kann, versucht sich die Bundesregierung damit, vom Druck des Nationalrates und der gesamten Bevölkerung abzuschirmen. Es ist wie in Griechenland: Egal, wer gewählt ist, die Politik muss dieselbe bleiben.

Regieren per Dekret

Doch einen neuen Höhepunkt erreicht diese Tendenz zum „Regieren per Dekret“ mit der Vorstellung der Asylgesetznovelle – unter dem Namen „Sonderbestimmungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit bei Grenzkontrollen“ soll ein extrem undemokratisches Gesetz beschlossen werden. Als Reaktion auf das Erstarken der FPÖ hat sich in der Regierung die Ansicht durchgesetzt, dass es mangels Alternativen in der Krise wohl die beste Strategie sei, einfach ihr rassistisches Programm vollumfänglich selbst umzusetzen. Dieses Vorhaben allein zeugt von der gesellschaftlichen Blindheit und Isolation dieser Politkaste.

Die Asylgesetznovelle sollte ursprünglich im Eilverfahren (noch vor der Bundespräsidentschaftswahl) durchs Parlament gepeitscht werden: Wenn die Regierung einen Asylnotstand sieht, soll sie ohne einen regulären Parlamentsbeschluss und selbst ohne einer Überprüfung der Lage den Ausnahmezustand auszurufen können. Damit würden das Recht auf Asyl sowie eine ganze Reihe demokratischer Grundfreiheiten ausgesetzt werden, schutzsuchende Menschen sollen bis zu sechs Monate lang ohne Asylverfahren in Anhaltelagern festgehalten und ohne Verfahren abgeschoben werden können. Ausnahmen gäbe es in der Praxis nur mehr für Menschen, die Familienmitglieder in Österreich haben – völlig unabhängig davon, welchen Verfolgungen sie in ihren Heimatländern ausgesetzt sind. Auch Kinder sind davon betroffen. Die Eingriffe gehen so weit, dass selbst das Rote Kreuz Sturm lief und ankündigte, dass es in solchen Anhaltelagern an der Grenze wahrscheinlich keinen Dienst tun könnte.

Dieses Vorhaben führte zu einem Aufschrei in der SPÖ, der sie an den Rand der Spaltung bringt. Vor allem in der SPÖ Wien rumort es gewaltig: Beim Landesparteitag verließen mehr als 100 Delegierte bei der Rede von Werner Faymann aus Protest den Saal. Die gesamte Antragsdiskussion war sehr zugespitzt. Über Jahre hinweg argumentierte die SPÖ-Spitze immer, wenn es um fehlende Reformen oder Kürzungen ging, dass die Partei wenigstens noch der Garant für „Menschlichkeit und Demokratie“ sei, so hohl diese Phrasen auch in der Praxis waren. Jetzt aber greift sie selbst diese erklärten Grundpfeiler massiv an.

Für uns MarxistInnen ist der Kampf gegen diese Angriffe auf grundlegendste Rechte und gegen die gleichzeitige Vertiefung der rassistischen Spaltung der Gesellschaft zentral. Wir werden jeden Ansatz zum Kampf dagegen und gegen die diese Politik tragende Bürokratenkaste auf der Straße und auch in der SPÖ voll unterstützen. Dabei bleiben wir nicht bei Appellen an die Moral stehen, sondern zeigen auf, was der Grund für diese Entwicklung ist: Die tiefe Krise des Kapitalismus sorgt für eine Krise der bürgerlichen Demokratie und somit des Reformismus innerhalb der Arbeiterbewegung. Die Lösung ist nicht eine „bessere“ Politik im Rahmen dieser engen Grenzen, sondern ein Bruch mit dem Kapitalismus!


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