Die „Reformpartner“ SPÖ und ÖVP ergreifen kurz vor einer mehrwöchigen Sommerpause die Initiative, um erneut ein asoziales Kürzungspaket im Landtag zu verabschieden. Eine schlechte Rolle spielen hierbei die Führungen der Jugendorganisationen der SPÖ. Von Paul Ziermann.
Während die meisten GrazerInnen den beginnenden Sommer genossen und bereits einige Studierende aus anderen Bundesländern auf dem Weg nach Hause waren, hat die steirische Landesregierung in einer beispiellosen Aktion einen erneuten sozialen Kahlschlag beschlossen.
Die zwei heftigsten Punkte waren hierbei die Kürzungen bei der Mindestsicherung und der Wohnbeihilfe. Dem autoritären Trend der Sparpolitik folgend wurden diese Kürzungen mittels Geschäftsordnungstricks überraschend in den Landtag eingebracht und sofort beschlossen. Erst fünf Tage vor der Beschlussfassung wurde bekannt, dass hier ein neues Sparprogramm unterwegs ist. Die InitiatorInnen von SPÖ und ÖVP konnten dabei auch auf die Zustimmung der FPÖ zählen. Den konsequentesten Widerstand leistete die kommunistische Landtagsfraktion, die gegen ihren Ausschluss aus dem parlamentarischen Procedere protestierte und eine rasch improvisierte Protestkundgebung aktiv unterstütze.
Inhaltlich bedeuten die Beschlüsse einen weiteren Anschlag auf die Lebensverhältnisse der Armen. Wie weit die Bezugshöhen und der Kreis der Bezugsberechtigten eingeschränkt werden, ist aufgrund der großzügigen Schlampigkeit der steirischen Landesregierung nicht völlig klar. Die Kleine Zeitung berichtet, dass bei der Wohnbeihilfe eine jährliche Einsparung von sechs Millionen € erzielt wird. Betroffen sind davon 30.000 BezieherInnen, die künftig weniger oder keine Unterstützung mehr bekommen werden.
Von der Kürzung der Mindestsicherung sind aktuell 20.000 BezieherInnen betroffen. Über das Ausmaß der Kürzung gibt es keine Aussagen. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf einer Umstellung der Hilfsleistung von Geld- auf Sachleistungen, schnellere Sanktionsmöglichkeiten bei „Arbeitsunwilligkeit“ und die zeitliche Beschränkung des Bezuges von anerkannten Asyberechtigten. Hier wird der Bezug zusätzlich mit der Verpflichtung der Teilnahme an Deutsch-Kursen (die in weiten Teilen der Steiermark nicht oder in zu geringer Zahl angeboten werden) verknüpft.
Besonders die Kürzung der Wohnbeihilfe hat in den letzten Tagen für massivsten Protest in Graz gesorgt, bedeutet sie doch nichts anderes, als dass tausende SteiererInnen künftig kein Anrecht mehr auf den Bezug von Wohnbeihilfe mehr haben werden. Geht es nach der Neuregelung muss man um Wohnbeihilfe zu beziehen ein Einkommen unter der Armutsgrenze vorweißen können, sobald ein Euro darüber verdient wird, fällt die Wohnbeihilfe zur Gänze weg.
Für StudentInnen hatte die steirische Landesregierung eine besonders perfide Idee, die Wohnbeihilfe künftig an den Bezug eines Stipendiums zu koppeln. Aufgrund der restriktiven Richtlinien des österreichischen Stipendiensystem, würde die große Mehrheit der Studierenden automatisch aus der Bezugsberechtigung ausgeschlossen. Nicht ohne Grund arbeiten laut aktueller Studierendensozialerhebung über 80% der StudentInnen neben ihrem Studium um sich dieses finanzieren zu können. Die Kopplung an das österreichische Stipendiensystem hätte für den Großteil aller steirischen Studierenden den Verlust der Wohnbeihilfe bedeutet, insbesondere als dass nach steirischem Wohnbeihilfengesetz notwendig ist, dass alle in einer Wohnung gemeldeten Personen Wohnbeihilfe beziehen können müssen, um überhaupt Wohnbeihilfe beziehen zu können.
Doch es sollte noch besser kommen.
Scheinverhandlungen mit der eigenen Parteijugend
Die Kleine Zeitung berichtete am 4.7. von einem vermeintlichen Entgegenkommen der Landesregierung auf die Studierenden nach Verhandlungen mit deren VertreterInnen. Das perfide daran: Nichts an dieser Aussage ist wahr. Zum einen hatte die SPÖ Steiermark keineswegs mit StudierendenvertreterInnen verhandelt, alle Grazer ÖHs gaben noch am Montagnachmittag bekannt nie von der Landesregierung kontaktiert worden zu sein. Ein Mandatar der SPÖ sagte im steirischen Landtag hierzu sinngemäß, dass die ÖH schon selbst Schuld sei, sie hätte doch die zuständige Landesrätin Doris Kampus selbst anrufen können.
Bereits am Montag stellte sich auch heraus, wer diese VertreterInnen der Studierenden gewesen sind. Es handelt sich um den VSStÖ, der im letzten Jahr sämtliche KritikerInnen der bürgerlichen Politik der SPÖ-Spitze ausgeschlossen oder hinausgedrängt hatte. Damit entledigte der Verband sich jeder Verankerung an den steirischen Universitäten und agiert nunmehr als Anhang des SPÖ-Apparates. Die von VSStÖ und SJ Steiermark verhandelten „Verbesserungen“ sind in Realität eine massive Verschlechterung für die Studierenden. So wurde war die Koppelung der Wohnbeihilfe an ein Stipendium aufgehoben, allerdings wurde dieser Passus durch eine noch viel asoziale Maßnahme ersetzt. Künftig müssen StudentInnen in der Steiermark vorweisen können, dass beide (!) Elternteile unter der Armutsgefährdungsschwelle (1123€ monatlich) verdienen unabhängig vom Gesamteinkommen der Familie. De facto wurden durch diese Änderung tausende StudentInnen zusätzlich um ihre Wohnbeihilfe betrogen. Das Verhalten dieser GenossInnen ist nicht nachvollziehbar, am ehesten lässt es sich noch durch eine völlige sozialpolitische Inkompetenz und Unwissenheit, sowie ihrer selbstgewählten Unterordnung unter den Schulterschluss mit den Bürgerlichen erklären. Die VSStÖ-Führung selbst gab bisher keine Stellungnahme zum Zustandekommen dieses faulen Deals ab.
Widerstand in der Steiermark - Nein zur asozialen Kürzungspolitik!
Trotz der kurzen Frist begann sich bereits recht schnell Widerstand in der Steiermark zu formieren. Eine Petition des kommunistischen StudentInnenverbandes (KSV) wurde bereits in den ersten Tagen von weit über 4000 Menschen unterschrieben. Zu einer Kundgebung vor dem steirischen Landtag kamen trotz des medialen Schweigens und der Kurzfristigkeit etwa 200 Menschen. Die steirischen ÖHs haben angekündigt den Widerstand weiter führen zu wollen. Einmal mehr erweist sich die Große Koalition in der steirischen Landesregierung als Vorreiterin der Kürzungspolitik. Nach der Kürzung des Sozialbudgets um 25% im Jahr 2010 ist an der neuen Kürzungsrunde politisch bemerkenswert wessen Geistes Kind der aktuelle Angriff ist: er ist geprägt von einem bürgerlichen Klassenhass gegenüber den ärmsten Schichten der Arbeiterklasse. In Zeiten der wirtschaftlichen Krisen und der Massenarbeitslosigkeit bedeutet eine solche Politik, dass das Schicksal ganzer Familien über Generationen entschieden werden kann. Das zeitliche Abrutschen in die Armut wird durch die beschlossenen Einschränkungen verfestigt. Landeshauptmann Schützenhofer bezeichnet daher auch die Vergrößerung des Einkommensunterschiedes zwischen Arbeitslosen und Arbeitenden als zentrales Motiv dieses neuen Anschlages. Das Leitmotiv der jüngsten Maßnahmen ist die Umwandlung eines Rechtsanspruches auf soziale Absicherung in eine schlampig formulierte und damit willkürliche Mildtätigkeit der Behörden und einer entwürdigenden Entmündigung der Bezieherinnen. Die Wohnbeihilfe etwa wird nicht mehr an die BezieherInnen, sondern direkt an die Vermieter ausbezahlt. Die Offenlegung von Vermögenswerten (Sparbuch,..) wird eingeführt und statt Geld werden Sachleistungen angeboten.
Die Medien haben die erneute Kürzungswelle kaum thematisiert. Die sozialdemokratischen Jugendorganisationen können ihr Selbstbild als fortschrittliche Interessenvertreter der Jugend im Rahmen des Systems der Klassenzusammenarbeit nicht aufrechterhalten. Anstatt, sich selbst treu bleibend, gegen diesen Zustand zu rebellieren, entschieden sich die Führungen der sozialistischen Jugendorganisationen in der Steiermark einmal mehr für ihre Unterordnung unter die Interessen des Kapitals. Die Landtagsabgeordnete der Sozialistischen Jugend, Michaela Grubsa, hat diesen Kürzungen im Landtag dementsprechend zugestimmt. Ein solches Verhalten schädigt die gesamte sozialistische Jugendbewegung in Österreich. Dies werden wir auf dem kommenden Verbandsvorstand der Sozialistischen Jugend Österreich thematisieren und uns für eine öffentliche Distanzierung und Verurteilung dieses Fehlverhaltens einsetzen.
In der Steiermark formiert sich breiter Widerstand. Nun ist es die Aufgabe der handelnden politischen Akteure den Protest zu bündeln und nicht über den Sommer abflauen zu lassen. Der Funke steht für eine breite Aktionseinheit aller, die gegen die asoziale Politik der großkoalitionären, Landesregierung stehen.
Nein zur Kürzung der Wohnbeihilfe und Mindestsicherung!