In einem Klima des wachsenden Rechtsrucks und der Krise fürchten viele Menschen die nächste Periode. Droht uns gar der Faschismus? Und was kann man dagegen tun? Diese Fragen stellt sich Yola Kipcak.

Die letzten Jahre zeigen einen scheinbar unaufhaltsamen Aufwärtstrend der FPÖ in Österreich. Doch noch 2015 erlebten wir eine regelrechte Massenbewegung für die ankommenden Flüchtlinge, in der tausende Freiwillige an Bahnhöfen, in ihren Gemeinden und direkt an der Grenze halfen, den vor Krieg Fliehenden ihre Ankunft oder Weiterreise zu erleichtern. In dieser Zeit sah sich die Regierung gezwungen, Lobreden an die Menschlichkeit zu halten, selbst die „Krone“ musste ihre Ausländerhetze zurückschrauben und die SPÖ Wien rettete sich auf dieser Welle der Solidarität ihren knappen Wahlsieg. Heute, eineinhalb Jahre später, kann sich kaum noch jemand daran erinnern, und die vielen Menschen, die mit Schrecken den wachsenden Alltagsrassismus beobachten, der von Medien und Politik aller Parteien gehegt und gepflegt wird und von Trumps Wahlsieg und regelmäßigen Terrorbotschaften noch untermauert wird, fühlen sich isoliert. Wo sind diejenigen, mit denen man gemeinsam auf den größten Demos der letzten Jahre für Flüchtlinge marschiert ist?

Es ist unwahrscheinlich, dass sie alle plötzlich zu Degen-schwingenden Burschi-Rassisten geworden sind. Doch wohin sollen sie sich wenden, wenn es keinen gemeinsamen Kampf gibt, keinen gemeinsamen Orientierungspunkt? Moralischer Größe sind objektive Grenzen gesetzt. Die vielen freiwilligen FlüchtlingshelferInnen mussten wieder arbeiten gehen. Auf der anderen Seite hinterlässt die „Realpolitik“ des Krisenmanagements ihre Spuren in der Gesellschaft. Wenn man denn in Zeiten der höchsten Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik noch einen Job hat, spürt man auf Betriebsebene einen größeren Arbeitsdruck. Lohnerhöhungen erreichen, wenn überhaupt, nur knapp die Inflationsrate, faule Kompromisse in Richtung Arbeitszeitflexibilisierung werden geschlossen und Drohungen mit Verlegung des Standorts zwingen die Gewerkschaft in die Knie, bevor sie noch aufgestanden ist. Das alles passiert unter einer Regierung mit SPÖ-Beteiligung. Häupls „Gutmenschen“ verfechten die Privatisierung des Krankenanstaltenverbunds und die Partei der ArbeiterInnen rühmt sich in den sozialen Medien selbst damit, die Lohnnebenkosten (auf Kosten des Familienlastenausgleichsfonds) gesenkt zu haben.

Die regierenden Parteien erhalten die Quittung dafür: Während die SPÖ im oberen 20%-Bereich dümpelt und die ÖVP sogar noch darunterliegt, gehen sämtliche Umfragen von über 30% für die Freiheitlichen aus.
Wenn man versteht, warum Menschen die FPÖ wählen, versteht man auch, was man gegen die Blauen tun kann. FPÖ-WählerInnen stimmen, teilweise resigniert, teilweise mit Begeisterung, für die Partei, die gegen das Establishment zu reden scheint und etwas abseits der Alternativlosigkeit und dem Status Quo versprechen – ohne es jemals halten zu wollen, wie sie bei jeder Gelegenheit in Regierungen bewiesen haben. Dieses Element ist hundert Mal schwerwiegender als das Schimpfen auf Flüchtlinge und MigrantInnen. Im Gegenteil ist der Rassismus nur die einzige Möglichkeit für die FPÖ, zu argumentieren, dass sie KapitalistInnen verteidigt, ihre eigene Korruption zu rechtfertigen und immer noch einen Sündenbock finden zu können. Doch das aufzudecken und dem entschlossen etwas entgegenzusetzen, erfordert mehr als ein Lippenbekenntnis zur Willkommenskultur wie es Häupl und der in den Medien als „linker Flügel“ betitelte Teil der SPÖ tun, oder ein ständiges Nachgeben gegenüber dem „geringeren Übel“, wie es die Wahlunterstützung von Van der Bellen darstellt.

Eines stellen wir klar: Was auf uns zukommt, ist nicht eine Periode des Faschismus. Faschismus ist nicht FPÖ-Regierung plus Kronen-Zeitung. Faschismus ist ein sozialer Prozess, in seinem Zweck die Vernichtung der Arbeiterbewegung und das Ergebnis einer vorangegangenen tiefen Niederlage und Demoralisierung der mobilisierten Arbeiterklasse. Historisch stand das Kräfteverhältnis in vielen Situationen, nicht zuletzt in der Periode 1918 bis Mitte der 1920er Jahre in Österreich zugunsten einer sozialistischen Revolution. Erst als die Arbeiterbewegung aufgrund der falschen Methoden ihrer Führung diese Chance verpasste, konnte der Faschismus erstarken. Er ist der absolute Notnagel der herrschenden Klasse, um mittels einer ihr selbst nicht geheuren Massenmobilisierung (vor allem von Kleinbürgerlichen) die Arbeiterbewegung endgültig zu zerschlagen, alle sozialen Errungenschaften zu vernichten und ihr System damit zu retten.

Solang der Faschismus eine Bewegung in der bürgerlichen Demokratie ist, also wie beispielsweise in Deutschland bis 1933, bildet er, wie damals in Form der SA, die Stoßtruppen der KapitalistInnen gegen die Arbeiterbewegung, von denen GewerkschafterInnen, SozialdemokratInnen und KommunistInnen verprügelt werden, damit sie aufhören, Politik zu machen. Wenn das nicht mehr ausreicht, wird der Faschismus an die Macht gebracht, um diese Leute zu ermorden, damit sie aufhören, Politik zu machen und die Bourgeoisie und ihre Profite zu gefährden. Darum geht es beim Faschismus.

Faschismus bedeutet eben nicht nur ein bisschen mehr Autorität oder ein bisschen mehr Heer und Polizei. All das gibt es schon hier und jetzt, auch unter sozialdemokratischen Regierungen. Für einen Faschismus besteht keine Notwendigkeit, wenn die Arbeiterbewegung noch schlummert.

Das wird deutlich, wenn man sich die Perspektiven einer FPÖ-Regierung konkret vorzustellen versucht, auf Basis dessen, wie sie in ihrer letzten Regierungsperiode im Bund und derzeit in den Länderregierungen handelt, an denen sie sich beteiligt: Droht uns von der FPÖ wirklich der Aufbau eines faschistischen Regimes, in dem Sozialdemokratie, Gewerkschaften und radikale Linke verboten, Oppositionelle in Konzentrationslager geschickt und eine kriegerisch-imperialistische Außenpolitik getrieben wird, während die ArbeiterInnen und Jugend in faschistische Massenorganisationen vom Typ einer Hitlerjugend oder Deutschen Arbeitsfront gezwungen und militaristisch-nationalistisch indoktriniert werden? Nein, die FPÖ koaliert mit Freuden mit der SPÖ und hegt wirklich keinerlei Wunsch, deren FunktionärInnen oder sonst irgendwen direkt zu ermorden (Ermordung durch Abschiebung ist natürlich eine andere Frage). Die Gefahr, die uns von der FPÖ droht, wird von der SPÖ mitgetragen: Es ist die EU-weite Spar- und Kürzungspolitik, die auf lupenrein-demokratische Weise den Lebensstandard der Menschen zerstört.

Sozialdemokratie und Gewerkschaft werden in der momentanen Klassenkampflage von den KapitalistInnen sicher nicht zerstört, sondern im Gegenteil bis zu deren bitteren Ende gebraucht, um den Kapitalismus am Leben zu halten. Die Strategie der Bürgerlichen läuft mitnichten auf die Zerstörung der Organisationen der Arbeiterklasse, sondern im Gegenteil auf deren weitest mögliche Inklusion ins politische System eines zunehmend autoritären Sparregimes hinaus. Die kommende Periode wird eine des Klassenkampfes sein – ob mit oder ohne ihre traditionelle Führung wird sich die Arbeiterklasse auch in Österreich in Bewegung setzen. Aber wohin der Kampf führt, und ob er erfolgreich auf die nächste Ebene gehoben werden wird, ist eine Frage seiner politischen Perspektive und seiner Organisation. Um diese zu stärken und aufzubauen, sind wir politisch aktiv.

Österreichs Gesellschaft besteht zu einer überwältigenden Mehrheit aus lohnabhängigen Menschen, also jenen, die wir als MarxistInnen der Arbeiterklasse zuordnen. Sie haben ein ureigenes Interesse an einer Politik, die gegen Kürzungen, für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne, für gratis Bildung und ein funktionierendes Gesundheitssystem eintritt. In Ländern, in denen linke Parteien genau diese Themen ansprachen, wie in Großbritannien mit dem neuen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn, in Spanien mit Podemos und in Griechenland mit SYRIZA, konnten sie unmittelbare Erfolge verzeichnen. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Apathie und die Demoralisierung breiter Schichten binnen kürzester Zeit umschwingen können. Kollektiver Kampf gegen Missstände durchbricht mit Leichtigkeit alte Vorurteile, Hoffnungslosigkeit und Rassismus. Selbst im kleinen Rahmen eines erfolgreichen Streiks transformieren sich die Gedanken und Gefühle der Beteiligten und entschlossene KlassenkämpferInnen werden geboren.

Einen solchen Kampf anzuführen, zu verallgemeinern und zu verbreitern, ist die Aufgabe, denen sich die Gewerkschaften und Arbeiterparteien in der Geschichte in den widrigsten Umständen gestellt haben. Kaum zu glauben, wenn man sich den Zustand der SPÖ heute anschaut, die immerhin seit ihrem Gründungsparteitag 1889 unangefochten die Rolle des politischen Ausdrucks der Arbeiterklasse in Österreich spielt. Komplett in der Logik des Kapitalismus gefangen, herrscht hier beim Spitzenpersonal bis weit in den Apparat ein Denken vor, das nicht weiter als bis zur nächsten Regierungsperiode und den damit verbundenen Posten und Geldern reicht. Die Positionen, die sich hier gegenüberstehen sind alternativlose Krisenpolitik mit FPÖ und alternativlose Krisenpolitik ohne FPÖ.

Doch Alternative bedeutet Verantwortung: Führt man erst einmal den Kampf, muss man ihn bis zum Ende führen, um nicht unterzugehen. Um den Kampf zu führen, muss man Konfrontationen suchen, und die Konsequenzen aus dem längst erfolgten Tod der Sozialpartnerschaft ziehen.


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