ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl konnte zulegen und den ersten Platz verteidigen, doch noch nie wählten in Graz so viele Menschen die KPÖ. Patrick Mellacher berichtet.

Als eine soziale Alternative zur FPÖ konnte die KPÖ einen Teil der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem politischen und sozioökonomischen System in Wahlstimmen ummünzen. Das ist vor allem zwei Gründen zu verdanken: Die MandatarInnen der KPÖ Graz sind dafür bekannt, einen Großteil ihrer Bezüge an Bedürftige zu spenden und dabei schnell und unbürokratisch zu helfen. Zweitens führten heftige Attacken der anderen Parteien zu einer Welle der Solidarisierung mit der KPÖ. Insbesondere die Angriffe der FPÖ verhalfen der Grazer KPÖ zu einem positiven Image. Auf Plakaten wurde die Rolle als Sozialarbeiterin der Stadt betont („Helfen statt Reden“). Im Internet jedoch wurden die eigenen Positionen offensiv vorgetragen, die Propaganda der anderen Parteien widerlegt und die FPÖ gezielt entlang sozialer Fragen angegriffen. Als Zugeständnis an den Druck des Van der Bellen Liberalismus, also der Ausweitung des nationalen Schulterschlusses, arbeiteten die KPÖ-Graz und ihre Jugendorganisationen im Vorfeld gegen die Demo gegen den Grazer Akademikerball und traten auf dieser dann auch nicht auf.

Trotz eines Zugewinnes ist eine Verschiebung der Stimmen zu beobachten: Während die KPÖ in den äußeren Bezirken und Wahlsprengeln in der Tendenz verlor, gewann sie in den inneren Bezirken teils stark dazu. Das betrifft sowohl die studentisch geprägten Bezirke am linken Murufer, als auch die migrantisch geprägten klassischen Arbeiterbezirke Lend und Gries, wobei die KPÖ-Führung in Gries weiter ausgebaut werden konnte. Im Detail offenbart sich eine starke Konkurrenz mit der FPÖ: Während einige Sprengel, die Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenwahl für sich gewinnen konnte, auch diesmal wieder mehrheitlich blau wählten (und die KPÖ hier teils massive Verluste einstecken musste), konnte die KPÖ andere Hofer-Sprengel erobern.

Die Ansage des FPÖ-Spitzenkandidaten Mario Eustacchio, man werde der KPÖ „sehr weh tun“, stellte sich an der Wahlurne als leere Drohung heraus. Was er in einer demokratischen Wahl nicht erreichen konnte, will er aber jetzt im Hinterzimmer bekommen: Als Koalitionsbedingung nannte er Siegfried Nagl das Amt des Wohnungsstadtrates, das seit 1998 von der KPÖ besetzt wird.

Die SPÖ stellte bis 2003 den Bürgermeister, befindet sich aber seit 1988 im permanenten Sinkflug und verliert seitdem bei jedem Wahlgang kontinuierlich ca. 5 Prozentpunkte. Auch dieses Mal wurde der „persönlichen Bitte“ des Spitzenkandidaten Michael Ehmann, man möge der SPÖ noch eine Chance geben, nicht entsprochen. Die Partei schrammte gerade noch an der Einstelligkeit vorbei, verlor aber das letzte Stadtsenatsmitglied. Auch der engagierte, aber inhaltsarme Wahlkampf der Jugendorganisationen konnte den Absturz nur etwas bremsen, obwohl ca. 10 % der SPÖ-WählerInnen ihre Vorzugsstimme einem/einer JugendkandidatIn gaben.

Das neue Debakel hat mehrere Gründe: Der Schulterschluss mit der ÖVP in Stadt, Land und Bund bringt die Partei in massive Bedrängnis. Die „Reformpartnerschaft“ im Land, die immer neue Kürzungen parat hält, hinterließ tiefe Spuren. Kerns Regierungsprogramm dürfte der SPÖ Graz den Todesstoß gegeben haben: Nur eingefleischte StammwählerInnen stimmen für eine Sozialdemokratie, die für eine Mischung aus rassistischen Maßnahmen und Geschenken an Unternehmen steht.

Der Erfolg der KPÖ Graz ist eine gute Ausgangsposition für die kommenden Auseinandersetzungen, deren Konfliktlinien klar umrissen sind. Die ÖVP muss im kommenden Budget die Errichtung des zentralen Speicherkanals für das Mur-Kraftwerk unterbringen, dies sind 90 Mio. € für ein höchst umstrittenes Kraftwerk auf dem Stadtgebiet. Dies wird nur mit der FPÖ gehen, diese verlangt den Stadtratsposten für Wohnen und wird versuchen die KPÖ aus diesem Bereich zu verdrängen. In beiden Fragen steht die KPÖ Graz in Koalition mit der Bevölkerung und einer breiten Protestbewegung gegen die Zerstörung innerstädtischer Natur: der Kampf um die Herzen und Hirne mit dem Ziel der Überwindung des Kapitalismus, von dem nur eine winzige Minderheit profitiert, kann in Graz eine praktische Anwendung im Gemeinderat, v.a. aber auf den Straßen, Plätzen, Unis und Schulen und Betrieben erlangen.


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