Sozialbereich. Die pro mente Reha beabsichtigt, alle ab Anfang November 2017 neueintretenden MitarbeiterInnen in den Kur- und Reha-Kollektivvertrag einzustufen und damit den Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) zu verlassen. Von Lis Mandl.

Für die KollegInnen bedeutet das klare Gehaltseinbußen und eine Verschlechterung des Rahmenrechts. Ein Schauermärchen über die Entwicklungen im Gesundheits- und Sozialbereich.

Offizielles Lohndumping

Pro mente ist ein gemeinnütziger Verein, der die Behandlung von psychischen Erkrankungen zum Ziel hat. Der Reha Bereich ist ein Teil der Organisation. Nun wurde von den Eigentümern der pro mente Reha (diese sind: pro mente oö, pro mente wien, pro mente burgenland, pro mente tirol, pro mente salzburg und die Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit Steiermark) beschlossen, dass mit der Einführung des neuen Reha KVs einerseits ein neues, schlechteres Gehaltssystem eingeführt wird und andererseits damit auch die alten MitarbeiterInnen, sowie alle anderen im Bereich der pro mente unter Druck geraten, in den neuen, schlechteren Kollektivvertrag zu wechseln.

Die Pro mente hat mit dieser Politik bereits Erfahrung. Bei der letzten Einführung eines neuen Kollektivvertrages kam es zu Änderungskündigungen im großen Stil, um die damals besseren Verträge der Betriebsvereinbarung zu lösen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass es sich damals genau um den SWÖ-KV handelte, der heute als Leit-KV mittlerweile als einer der besten im Gesundheits- und Sozialbereich gilt. Ein gutes Beispiel für die seit Jahren stattfindende Erosion der Arbeitsbedingungen und Löhne.

Der große Umbau

Die meisten Organisationen und Vereine im Sozialbereich sind mit der Mission, das Leben der jeweilig Betroffenen zu verbessern, angetreten. Diese Haltung spiegelte sich vor allem im Umgang mit KlientInnen, aber auch mit den Beschäftigten selbst wider. Qualität steht vor Quantität, Menschen vor Profit. So ist es auch nicht verwunderlich, dass vieles aus der Sozialgesetzgebung und Sicherung aus der Arbeiterbewegung kommt bzw. von ihr erkämpft wurde.

Die Umbenennung des Kollektivertrages Sozialwirtschaft Österreichs zeigt den Paradigmenwechsel auch sprachlich an. Es geht um Geld, Profit. Mit der Öffnung gegenüber profitorientierter Unternehmen erfährt die gesamte Branche einen inhaltlichen Wandel. In der Flüchtlingshilfe, in der Behindertenarbeit und jetzt auch im Rehabereich werken seit Längerem transnationale Konzerne und erwirtschaften mit der Not der Menschen Millionen.

Who cares?

Jeremy Corbyns (Labour Party) Erfolg bzw. Beliebtheit in Britan­nien resultiert auch aus seinem Bestreben den National Health Service, das britische Gesundheits­system, zu retten. Labour-Chef Clement Attlee führte 1948 die aus Steuern finanzierte medizinische Versorgung für alle (auch für legal eingereiste AusländerInnen) ein. Auf diese Weise sollte gewährleistet werden, dass jederR kostenlos behandelt werden kann. Ein Umstand, auf den viele BritInnen auch stolz sind. Die Gesundheitsreform von Premier Cameron, wo neben massivem Stellenabbau auch der private Markt gefördert wird, stellt diese Haltung in Frage.

Auch in Österreich stellt sich nun die gesellschaftspolitische Diskussion darüber, wer die Verantwortung für ein humanes und qualitätsvolles Gesundheits- und Sozialsystem trägt. Entgegen der kolportierten Meinung sind die Kosten in die­sem Bereich in den letzten Jahren nur marginal gestiegen, der Spardruck ist Ausdruck des poli­tischen Willens zur Umverteilung hin zum Kapital. Wir sind ZeugIn­nen eines Paradigmenwechsel, der Gesundheits- und Sozialbereich wird in ein neues profitträchtiges Investitionsfeld umgestaltet. Dies ist auch der Kern um die ständige Debatte um die Sozialversicherungsträger in Österreich.

Gute Rahmenbedingungen und hohe Löhne wirken dämpfend auf den Profit der Unterneh­men. Früher war die respektvolle Behandlung der MitarbeiterInnen im Leitbild der Trägervereine verankert, eine Notwendigkeit um dem humanistischen Menschen­bild auch materiell Rechnung zu tragen.

Durch die Etablierung eines Anbietermarktes im Sozialbereich geraten die nicht-profitorientierten Organisationen (NPOs) unter Druck, ebenfalls billiger zu wirtschaften, was auch im Falle der pro mente Reha passiert sein dürfte. Leider spielt da die KV Politik eine eher negative Rolle, denn auch der Reha KV wurde von den Gewerkschaften aus- und mitverwandtet. Die Zersplitterung des Sozialbereichs in viele (schlechtere) Kollektivverträge eröffnet die Möglichkeit des Lohndumpings. Fast scheint es, als könnte sich der/die ArbeitgeberIn aussuchen, welcher KV zur Anwendung kommt. Angesichts dieser bedrohlichen Lage für die Beschäftigten und Kli­entInnen des Gesundheits- und Sozialbereichs, hat die IG Social sich zum Ziel gesetzt, eine Veranstaltungsreihe zum Thema profitorientiertes Gesundheitswesen ins Leben zu rufen. Diese soll in regelmäßigen Abständen in der ÖGB-Buchhandlung stattfinden und wird Vorträge sowie Diskussionen mit ExpertInnen aus den unterschiedlichsten Bereichen beinhalten. Eine Möglichkeit, sich zu vernetzen und sich gemeinsam den Rücken für kommende Auseinandersetzungen zu stärken.


Die Autorin ist Vorstandsmitglied der IG Social Wien und StV BR des VKKJ Wien


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