Ende November teilte die Regierung der Öffentlichkeit ihre Pläne zur Neugestaltung der Arbeitslosenunterstützung mit. Der Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt wird weiter angefacht und Armut verfestigt. Von Sandro Tsipouras.
Die Mindestsicherung wird um 300 Euro gekürzt, wenn man keinen Pflichtschulabschluss oder nur ungenügende Deutschkenntnisse nachweisen kann. Ein Drittel der MindestsicherungsbezieherInnen sind Kinder – auch ihnen werden die Bezüge stark gekürzt. Für das erste Kind einer armen Familie gibt es künftig rund 216 Euro, für das zweite 130 und ab dem dritten nur noch 43 Euro.
Die Notstandshilfe wird in das „Arbeitslosengeld Neu“ überführt, und wer nicht „lang“ gearbeitet hat (wie lang, das wird willkürlich festgelegt werden), fällt sofort in die Mindestsicherung, andere Arbeitslose oder Arbeitsunfähige etwas später. In der Mindestsicherung ist ein Zugriff auf das Vermögen der Betroffenen vorgesehen – ausgenommen ist davon nur ein „Vermögen“ im Wert von insgesamt 4.200 Euro, sowie ein „angemessener Hausrat“ und „Gegenstände, die zur Erwerbsausübung oder Befriedigung angemessener geistig kultureller Bedürfnisse erforderlich“ sind, sowie „Kraftfahrzeuge, die berufsbedingt oder auf Grund besonderer Umstände“ gebraucht werden.
Menschen werden gezielt in die Armut getrieben. Arbeitslosigkeit wird mit Existenzvernichtung bestraft. „Wir wollen die Menschen wieder in Arbeit bringen“, sagt ÖVP-Klubobmann August Wöginger dazu. Das bedeutet: Wir wollen die Menschen zwingen, jede noch so abscheuliche Arbeit überall und zu den von den Unternehmern angebotenen Bedingungen anzunehmen. Das AMS wurde fürs kommende Jahr beauftragt, 9230 gemeldete Arbeitslose dazu zu verpflichten, außerhalb der Pendeldistanz Jobs in anderen Bundesländern anzunehmen. Vor allem soll es Flüchtlinge treffen, die von Ostösterreich in den Westen des Landes in den Tourismus und zur Erntehilfe abkommandiert werden, wo sie bei Großbauern und Hoteliers in Brot und Quartier gezwungen werden. Die einzige formelle Bedingung für eine solche Abkommandierung ist, dass bei den Betroffenen keine familiäre Betreuungspflicht entgegensteht. Wer glaubt, dass es „nur die anderen trifft“ geht einmal mehr der rassistischen Spaltungsideologie auf den Leim.
Gleichzeitig weitet Schwarz-Blau die sogenannte „Mängelsberufsliste“ aus. Das bedeutet, dass mehr qualifizierte ArbeiterInnen aus dem Nicht-EU Ausland eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten können, um für unterdurchschnittliche Bezahlung in Österreich zu arbeiten. Unter Mangelberufe fallen u.a. Kellner, Maurer, Bäcker, Köche, Zimmermädchen und andere 61 Berufsgruppen.
Indem die Regierung auf diese Weise gegen den angeblichen Fachkräftemangel vorgeht, der in Wirklichkeit ein Mangel an Unternehmern ist, die bereit sind, einen angemessenen Lohn für Fachkräfte oder Lehrlinge zu zahlen, heizt sie die Konkurrenz um die Arbeitsplätze noch weiter an. Damit reizt sie die Strategie des Teilens und Herrschens dermaßen aus, dass es karikative Züge erreicht. Mit jedem weiteren Menschen, der auf diese Weise in die Verelendung, sei es durch Arbeitslosigkeit, Überarbeitung oder Hungerlöhne, getrieben wird, steigen die Profite der Unternehmer. Eine Regierung, die auf noch effizientere Weise die ganze Gesellschaft im Interesse weniger Reicher zugrunderichtet, wäre kaum vorstellbar.
(Erstmals erschienen im Funke Nr. 169/Dezember 2018)