Die Regierung hat ihre neue Steuerreform groß inszeniert und als Erleichterung für Geringverdiener und Wirtschaft angepriesen. Was wirklich dahintersteckt, beschreibt Yola Kipcak.

 

Der Staat finanziert seine Ausgaben vor allem über Steuern. Diese werden wiederrum vor allem im Wirtschaftsprozess von der Arbeiterklasse und der Kapitalistenklasse eingehoben. Wenn Steuern gesenkt werden, stellen sich also zwei Fragen:

1) Wer muss weniger Steuern zahlen?
2) Wie werden die Steuersenkungen finanziert?

Die Regierungspläne

Prüfen wir die bisher vorliegenden Steuerreformpläne auf genau diese zwei Fragen, fällt zunächst auf, dass sie ausgesprochen vage formuliert sind, sodass die Beantwortung der Fragen möglichst verdunkelt wird. Das ist die altbekannte Strategie von Schwarz-Blau, gutklingende Phrasen („Entlastung der Geringverdiener“) medial zu inszenieren, um dann im Nachhinein still und heimlich Einsparungen einzuführen. Dies war schon bei der Arbeitslosenversicherung der Fall, wo Geringverdiener seit Juli 2018 keine oder weniger Beiträge einzahlen müssen, gleichzeitig aber der finanzielle Ausgleich aus dem Staatsbudget, falls die Versicherung zu wenig Geld hat, aus dem Gesetz gestrichen wurde. So werden die 140 Mio. €, die sich die Beschäftigten ersparten, wohl bei den Arbeitslosen eingespart. Die Arbeiterklasse zahlt sich ihre „Reform“ also selbst. Dass die Regierung ihre Maßnahmen so vorsichtig und schrittweise durchführen kann, liegt daran, dass sie durch das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre einen gewissen Finanzpolster hat.

Bis jetzt ist Folgendes bekannt: Zunächst sollen die ArbeiterInnen, vor allem Geringverdiener, ab 2020 insgesamt 700 Mio. € weniger an Krankenversicherungsbeiträgen einzahlen müssen (derzeit 3,87% des Lohns für alle, die unter 73.080,00 € im Jahr verdienen). Ein Jahr darauf, 2021, sollen dann die unteren Einkommenssteuergruppen (also Menschen mit wenig bis mittlerem Einkommen) entlastet werden. Das genaue Ausmaß ist noch offen. In der Folge soll 2021 oder 2022 (je früher desto besser, findet die Industriellenvereinigung) die Körperschaftssteuer, also die „Einkommenssteuer der Unternehmen“, von 25 auf ca. 20% gesenkt werden. Daneben gibt es eine „Digitalsteuer“, die die Onlinewerbung von Großunternehmen besteuert. Die Abschaffung der sogenannten „kalten Progression“ (siehe unten) wird auf die nächste Regierungsperiode ab 2023 verschoben.

Eine Entlastung für die „fleißigen Frühaufsteher“?

Auf den ersten Blick scheint die Steuerreform ‚fair‘ zu sein, indem sie zuerst Menschen mit niedrigeren Einkommen Steuererleichterung bringt und dann erst die Unternehmen bedenkt. Die Regierung argumentiert, dass Steuererleichterungen bei Niedrigverdienern meistens dazu führen, dass diese auch wieder mehr Geld ausgeben („Es fließt in die Wirtschaft zurück“) – insbesondere, wenn z.B. Mieten oder andere Lebenskosten steigen. Bedeutet das, dass diese Regierung den Stein der Weisen gefunden hat, der sowohl Arbeit als auch Kapital hilft?

Tatsächlich hilft eine steuerliche Entlastung von Niedrigverdienern dem Kapital jedoch dabei, gerade die Lohnkosten in schlecht organisierten Niedriglohnbranchen zu senken, weil „es ja eh schon eine Steuerentlastung gegeben hat“ – und so über einen Umweg doch eine Entlastung fürs Kapital umzusetzen. Das passt gut ins Gesamtkonzept der Regierung, die mit einer Reihe von Maßnahmen wie der Reform der Mindestsicherung und der Abschaffung der Notstandshilfe einen billigen Niedriglohnsektor für das Kapital schaffen will.

Diese Steuerreform ist bei genauerem Hinsehen aber auch darüber hinaus eine Mogelpackung:

Die Steuerreform soll, nachdem sie in mehreren Etappen bis Ende der Regierungsperiode 2022 eingeführt worden ist, den Unternehmen und Haushalten jährliche Einsparungen von 4,5 Mrd. bringen; die bis dahin zu erwartende Inflation wird dabei nicht berücksichtigt. Wenn man den bereits beschlossenen Familienbonus, der arme Familien benachteiligt, mit 1,5 Mrd. und die Kürzung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge (~140 Mio.) dazuzählt, sind es 6,1-6,3 Mrd. € Steuererleichterungen. Das ist ‚zufällig‘ jener Betrag, den laut einer Studie der Agenda Austria der Staat 2016-2021 durch die „kalte Progression“ sowieso zusätzlich eingenommen haben soll! „Die Presse“ beschreibt das in ihrer Ausgabe vom 15. Jänner ehrlicherweise so: „Die Lohnsteuerzahler finanzieren ihre Steuersenkung selbst.“

Angriffe auf Arbeiter, Geschenke fürs Kapital

Wenn man zwischen den Zeilen liest, bedeutet die Reform auch direkt Milliardengeschenke an große Unternehmen, während der Weg für Kürzungen im Sozialsystem vorbereitet wird:

1) Die Kürzung der Sozialversicherungsbeiträge wird bedeuten, dass die Krankenkassen 700 Mio. weniger Einnahmen haben. Mündlich hat die Regierung versprochen, dass die Krankenkassen einen Ausgleich bekommen, sollte zu wenig Geld da sein. Dieses Versprechen ist aber wenig wert, wie man am Beispiel der Arbeitslosenversicherung schon gesehen hat – der politische Wille von Schwarz-Blau ist das Aushungern von öffentlich organisierten solidarischen Versicherungssystemen. Da die Regierung den Krankenkassen im Sommer eine Ausgabensperre aufgezwungen hat, mussten die Krankenkassen Investitionen in die Gesundheitsvorsorge stoppen. Die dadurch entstandenen Rücklagen wird die Krankenkasse nach der „Steuererleichterung“ aufbrauchen müssen, wenn sie nicht Leistungen kürzen möchte. Später, wenn die Steuerkürzungen medial in Vergessenheit geraten sind, werden aber Einsparungen im Gesundheitssystem getätigt werden müssen, und zwar nur bei der Krankenkassa der ArbeitnehmerInnen, nicht aber der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft. So wird sich die Arbeiterklasse diese Abgabenentlastung durch zukünftige schlechtere Gesundheitsversorgung selbst zahlen.

2) Der FPÖ-Finanzstaatssekretär möchte bis Jänner 2021 eine „Vereinfachung“ des Steuergesetzes durchsetzen, d.h., dass viele Ausnahmen bei den Steuern wegfallen würden. Wie die Gewerkschaft angemerkt hat, betreffen solche Ausnahmen unter anderem Schmutz- oder Nachtzulagen, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Überstundenzuschläge. Es ist also anzunehmen, dass hinter dem Schlagwort der „Vereinfachung“ letztendlich massive Verschlechterungen für Lohnabhängige drohen.

3) Übrig bleiben Geschenke an Unternehmen durch die Senkung der Körperschaftssteuer – deren letzte Senkung wurde 2004 von Schwarz-Blau I beschlossen, von 34% auf 25%. Der „kontrast-Blog“ schreibt dazu: „Dem Waffenproduzent Glock schenkt die Regierung dadurch 6 Millionen Euro. Getränkehersteller Dietrich Mateschitz erspart sich ganze 48 Millionen Euro. Auch andere multinationale Großkonzerne wie BMW zahlen in Österreich dann um 12 Millionen Euro weniger Steuern.“

Umgeben von der Mystik der fehlenden Details und der Regierungspropaganda bedeutet die Steuerreform: a) eine gewisse Umschichtung innerhalb der Arbeiterklasse (von Besserverdienern zu Geringverdienern), während gleichzeitig zukünftige Angriffe auf die gesamte Arbeiterklasse vorbereitet werden, sowie b) eine Entlastung des Kapitals, die mithilfe der Mehreinnahmen an Steuern (v.a. aufgrund des Wirtschaftsaufschwungs und der kalten Progression) bezahlt wird. Während derzeit ein Teil der Steuerreform noch vom Wirtschaftswachstum gegenfinanziert wird, bereitet sie gleichzeitig künftige Einsparungen zulasten der Arbeiterklasse vor und bietet schon jetzt Profitmaximierung für Großunternehmen.


Zahlen und Fakten

Insgesamt betrugen die Staatseinnahmen 2017 in Österreich ca. 155 Mrd. € – aufgrund des Wirtschaftswachstums ca. 5 Mrd. € mehr als im Jahr zuvor. Laut AK zahlen den allergrößten Teil, nämlich rund 80%, ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen und KonsumentInnen (z.B. durch die Mehrwertsteuer). Nur ca. 20% zahlen die Unternehmen. Die Körperschaftssteuer, die von Unternehmen aufgebracht wird, brachte 2017 nur 8,4 Mrd. ein.

Was ist die Kalte Progression?

Kalte Progression“ bedeutet, dass ArbeiterInnen wegen der Inflation automatisch einen immer größeren Anteil ihres Lohns als Steuern zahlen müssen. Ein einfaches Beispiel: Ein Arbeiter mit 2000€ Bruttogehalt muss ca. 7,8% Lohnsteuer zahlen. Würden sich auf einen Schlag alle Preise und daraufhin auch alle Löhne verdoppeln, würde eigentlich die Kaufkraft gleichbleiben. Doch dieser Arbeiter müsste danach 19,4% Lohnsteuer zahlen! Denn für jeden € unter 11.000€ Jahresverdienst müssen keine Lohnsteuern gezahlt werden, von jedem verdienten € über 11.000€ müssen 25 Cent als Einkommenssteuer gezahlt werden, von jedem verdienten € über 18.000€ 35 Cent usw. Wir werden also durch die Inflation für den Staat alle zu scheinbaren Großverdienern, die auch dementsprechend höher besteuert werden. Eine Abschaffung der kalten Progression würde bedeuten, jedes Jahr diese sogenannten Progressionsstufen (inklusive dem Eingangssteuersatz von 11.000€) im selben Ausmaß wie die Preise anzuheben.

(Erschienen im Funke Nr. 170/Februar 2019)


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