„Masterplan Pflege“. Die liebevolle Ehefrau, die tagsüber die Kinder versorgt, für den Mann das Essen kocht und nebenbei noch ihre alternden Eltern hingebungsvoll im eigenen Heim pflegt. Ein Frauenbild wie wir es aus den Fernsehwerbungen der 50er kennen und wenn es nach der Bundesregierung geht, wohl auch eine Idealvorstellung für das Jahr 2019, zeigt Natalie Ziermann.
Der Familienbonus, der Familien mit einem hohen Einkommen gegenüber Familien mit zwei niedrigeren Einkommen bevorzugt, die geplante Kürzung der Mindestsicherung, die neuen AMS-Zielvorgaben, die Frauen „echte Wahlfreiheit“ vorgaukeln, die Kürzungen bei Frauenhäusern und Beratungsstellen – alles Maßnahmen, die dieses Frauenbild untermauern. Besonders drastisch stellt sich die „Zurück-an-den-Herd-Politik“ der Bundesregierung im Bereich Pflege dar. Bis Ende 2019 soll der sogenannte „Masterplan Pflege“ stehen. Zentraler Bestandteil des Plans ist es, die Pflege zuhause zu stärken. Sozialministerin Hartinger-Klein will den Bereich nach dem Motto „Daheim statt Heim“ reformieren. Laut Sozialministerium werden bereits jetzt rund 80% aller Pflegebedürftigen zuhause betreut – 45% ausschließlich von Angehörigen, 32% unterstützt von mobilen Pflegediensten, 5% haben eine 24-Stunden-Betreuung. Der Frauenanteil bei pflegenden Angehörigen die Pflegebedürftige zuhause pflegen liegt bei 73%. Für Hartinger-Klein eine Sache, die in der „Natur der Frau“ liegt.
Doch nicht nur in der informellen und gratis verrichteten Angehörigenpflege, sondern auch in der durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse charakterisierten mobilen Pflege sind 93% aller Angestellten weiblich. In der 24h-Pflege liegt der Frauenanteil bei 96%. Nur 1,7% der PflegerInnen kommen aus Österreich – für den Rest ist mit 1. Jänner 2019 die Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder in Kraft getreten. Das macht eine ohnehin schon unterbezahlte Arbeit (für ca. 800€ wird zwei Wochen lang defacto durchgehend gearbeitet) noch ausbeuterischer.
Reformen bei der Pflege bedeuten für die Regierung nicht etwa, Pflegebedürftige und Pflegende zu entlasten, indem sie beispielsweise genug qualitativ hochwertige Heimplätze für Menschen egal welchen Einkommens schafft, sondern pflegende Angehörige mehr „wertzuschätzen“. Dazu ist eine Imagekampagne geplant. Mit diesem Propagandatrick wird man jedoch nicht ändern können, dass sich rund 70% aller pflegenden Angehörigen überlastet fühlen.
Eine weitere Maßnahme ist das „Qualitätszertifikat“ für Vermittlungsagenturen in der 24h-Pflege. Dieses soll bereits im Sommer an erste Agenturen verliehen werden. Neben dem Aspekt, dass das Zertifikat rein auf Freiwilligkeit basiert und somit zahnlos ist, ist dies ein weiterer Schritt in Richtung Pflege zuhause. Noch weiter ist bereits die Vorarlberger Landeregierung gegangen: sie hat bereits eine neue Förderung für die 24h-Pflege beschlossen. Um den „Fachkräftemangel“ aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen zu stopfen, sollen hier die Lücken mit „Langzeitpraktika“ gefüllt werden.
Diese Heuchelei zeigt klar, dass es der Regierung nicht darum geht, alten Menschen ein glückliches Lebensende bei ihren Familien zu ermöglichen, wie sie behaupten. Ein Grund, warum viele Menschen die Pflege zuhause bevorzugen, sind die niedrigen Qualitätsstandards öffentlicher Pflegeeinrichtungen. Ein Umstand, den Schwarz-Blau mit ihrem Masterplan Pflege nicht zu ändern gedenkt – im Gegenteil: die Wirtschaftskammer forderte unlängst weniger Kontrollen in Pflegeheimen. Sie setzt auf Gratisarbeit von Frauen und billige Arbeitskräfte – Migrantinnen und Praktikantinnen – die möglichst isoliert zuhause pflegen sollen. Das reaktionäre Frauenbild von Schwarz-Blau ist kein Selbstzweck: Es dient dazu, die Einsparungen im Gesundheits- und Sozialbereich, die von Frauen in der Familie oder in schlecht bezahlten Berufen getragen werden sollen, ideologisch zu rechtfertigen. Die Einsparungen bei den Menschen dienen Steuergeschenken für Reiche und dem „Nulldefizit“ des Staates, der sich für künftige Krisen rüsten will. Die Bürgerblockregierung zeigt im Pflegebereich anschaulich, wie Kapitalismus und Frauenunterdrückung zusammenhängen.
Diesen Zusammenhang zu erkennen und aufzuzeigen ist der erste Schritt für den Kampf dagegen: Für hochqualitative, öffentliche Pflege – für die Frauenbefreiung – für den Sturz von Schwarz-Blau!
(Funke Nr. 172/April 2019)