Welche Funktion der Rassismus für die Regierung hat und wie er mit den Distanzierungen von den Identitären zusammenpasst, beschreibt Raphael Lins.

Seit einiger Zeit schon denkt die schwarz-blaue Regierung laut über eine Kürzung der Mindestsicherung nach. In der öffentlichen Debatte setzt sie alles daran, das als Schritt gegen „faule MigrantInnen“ zu stilisieren. Innenminister Herbert Kickl befindet medienwirksam 1,50€ als ausreichenden Stundenlohn für Hilfsarbeiten von Asylwerbern, auch wenn diese Maßnahme kaum Geld bringen wird. Aber symbolpolitisch ist ihm ein Schlag gegen die „Gefahren des Flüchtlingsandrangs“ gelungen.

Wie funktioniert‘s?

Der Rassismus wird uns täglich in immer neuen Tonarten aufgetischt, dient aber einem höheren Ziel: er ist ein großartiges Werkzeug, um die Arbeiterklasse zu spalten und um gleichzeitig vor sozialen Verschlechterungen im Land abzulenken. So lässt sich nämlich bequem jedes Problem auf MigrantInnen und Flüchtlinge abschieben. Entsprechend wird die Reform der Mindestsicherung ganz im Allgemeinen arme Menschen treffen – österreichische Kinder und PensionistInnen sind anteilsmäßig stärker betroffen als Flüchtlinge. Aber damit der Widerstand nur nicht zu groß wird, muss die „Sozialhilfe Neu“ als Schlag gegen faule MigrantInnen und angebliche Sozialschmarotzer (in einem Atemzug genannt) dargestellt werden. Die sind in dieser Logik natürlich strengstens zu trennen von den fleißigen österreichischen Frühaufstehern. So wird versucht, die Konkurrenz und Vereinzelung innerhalb der Arbeiterklasse und so die einzige Waffe zu zerstören, die die ArbeiterInnen im Kampf gegen Verschlechterungen haben: Die Solidarität. In Wirklichkeit hat ein österreichischer Arbeiter mit seinem türkischen Kollegen oder auch einem Flüchtling aus Syrien viel mehr gemeinsam als mit dem Konzernchef. Aber genau eine solche Klassenlogik ist es, die aus Sicht der Regierung um jeden Preis verhindert werden muss. Bei einer geeinten Arbeiterklasse, die kollektiv kämpft, lassen sich schließlich Kürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, Lohndrückerei und ähnliches viel schwieriger durchsetzen. Doch genau diese Dinge braucht die Industrie.

Das bedeutet aber auch, dass der Rassismus pausiert wird, wenn es um die Interessen des Kapitals geht. Den Tourismusbetrieben und vor allem der Landwirtschaft fehlen während der Erntezeit jedes Jahr Arbeitskräfte. Um den Bedarf an billigen Erntehelfern für die Großbauern zu sichern, will die Regierung für dieses Jahr das Kontingent wieder auf über 4200 Saisonniers erhöhen (+4.5%, Wiener Zeitung 12.4.19). Die stammen vorrangig aus armen südosteuropäischen Ländern und werden meist nur für die Dauer der Beschäftigung geduldet. Die ArbeiterInnen aus den Nicht-EU-Ländern sind eben deutlich billiger und arbeiten länger – da ist es egal, woher sie kommen. Und so zeigt sich, dass der Rassismus letztendlich nur ein grausames Mittel zum Zweck ist, und nicht die eigentliche Triebfeder der Regierungsarbeit.

Regierung vs. Identitäre?

Das zeigt sich auch in der Diskussion rund um die Verbindung der FPÖ zu den faschistischen Identitären. Sebastian Kurz und die ÖVP als direkte Erfüllungsgehilfen der Wünsche des Großkapitals können es nicht brauchen, mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden (vor allem nicht gegenüber der europäischen Öffentlichkeit). Was die FPÖ betrifft sind die Überschneidungen mit den Identitären offensichtlich und vielfach nachgewiesen. Als Regierungspartei hat die FPÖ allerdings einen klaren Fokus: ihr Hauptinteresse ist der Staatsapparat und die damit verbundenen Posten, und daran klammert sie sich. Strache hat es kürzlich selbst gesagt: „Die Regierungsbeteiligung hat Priorität“ (Kurier 6.4.19).
Den Zugang zur Regierung mit der Koalition gibt es aber nur zum Preis, die Wünsche des Kapitals unter allen Umständen zum Zentrum der eigenen Handlungen zu machen. Und daher ist es nötig für die Partei, sich von den Identitären oder den rechten Rülpsern in den eigenen Reihen (wie beim „Ratten-Gedicht“ des Braunauer Vize-Bürgermeisters der FPÖ) deutlich abzugrenzen – zumindest in Worten.

Denn der Rassismus soll als Instrument zur Spaltung der Arbeiterklasse scharf gehalten werden. Rhetorik, die sich an Nazidiktion anlehnt und offene Parallelen zu faschistischen Banden wie den Identitären sind dafür aber Gift. Nationalsozialismus und unverhohlener Rassismus haben keine Mehrheit in der Arbeiterklasse und Jugend in Österreich, jede Anlehnung daran würde zu einer Gegenreaktion führen, die die Regierung destabilisieren würde und es so schwerer machen würde, die Wünsche des Großkapitals umzusetzen.

Der deutlichste Ausdruck für diese Orientierung war die Pressekonferenz der FPÖ zur EU-Wahlkampagne. Sie begann damit, dass Vizekanzler Strache bekannt gab, dass der FPÖ-Vizebürgermeister von Braunau aus seinem Amt zurück- und aus der Partei ausgetreten sei, ein „derartiges Fehlverhalten“ sei mit den Grundsätzen der Partei nicht vereinbar. Nahtlos daran angeschlossen fand dann die Präsentation der FPÖ- Wahlkampagne statt, unter anderem mit dem Slogan: „FPÖ voten, gegen EU-Asylchaoten“.

Das ist letztlich der Grund, warum versucht wird, eine derart deutliche öffentliche Trennlinie gegen die Identitären und Rechtsextreme zu ziehen: die Regierung kann sie nicht brauchen, den Rassismus machen sie schon selber.

(Funke Nr. 173/Mai 2019)


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