Tausende SozialdemokratInnen sind schon im Wahlkampfmodus. „Gemeinsam“, damit die „Menschlichkeit siegt“, lautet die Losung, die das rote Herz erwärmen soll. An einen Wahlsieg glaubt aber kaum jemand – an eine Regierungsbeteiligung schon.
Hinter vorgehaltener Hand raunen sich die GenossInnen bei jeder Gelegenheit zu, dass die SPÖ so keine Wahl gewinnen kann. Die Facebook-Postings größerer und kleinerer FunktionärInnen, man würde die nächsten Wochen „gemeinsam für Pam, die ‚Menschen‘ und ein ‚gutes Leben für alle‘“ rennen, erscheinen da wie die Durchhalteparolen von Offizieren einer bereits geschlagenen Armee. Trotzdem werden die GenossInnen alles tun, um Schadensbegrenzung zu betreiben.
Hauptsache zurück in die Regierung
Leicht haben sie es dabei nicht, denn ständig kommen neue Querschüsse aus dem eigenen Lager, die die Motivation der eigenen Leut‘ ordentlich bremsen. Als Heckenschützen zeichnet sich dabei immer wieder das Duo DODO (Doskozil & Dornauer), die über die Medien ihren Wunsch nach einer Neuauflage der rot-schwarzen Koalition streuen. Dass sie an einen Wahlsieg nicht glauben, sagen sie ganz offen. Aber für die SPÖ könne es nur einen Platz geben, und der hat auf der Regierungsbank zu sein. Wenn es das Wahlergebnis nicht anders will, dann eben als Juniorpartner von Sebastian Kurz.
Die Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin hat im Grunde genommen dieselbe Sicht auf die Perspektiven nach der Wahl. Pamela Rendi-Wagner will die SPÖ in die Regierung zurückführen, und sie sagt auch ganz offen, dass das auch als Mehrheitsbeschaffer für die Kurz-ÖVP denkbar ist.
Der Wahlkampf der SPÖ besteht natürlich aus einer langen Liste von Forderungen und Proklamationen, deren Umsetzung unser Leben besser machen würde: billigere Mieten, mehr Kinderbetreuungsplätze, Bildung, Gesundheit usw. Doch Papier ist geduldig und wir haben genügend Erfahrung, dass die SPÖ-Spitze jedes einzelne Wahlversprechen opfern würde, wenn es einem Koalitionsvertrag mit der ÖVP entgegenstehen würde. Wenn man sich die schwammigen Aussagen aller wichtigen SPÖ-KandidatInnen ansieht (und nicht einmal Julia Herr von der SJ ist da eine Ausnahme), war das „Umfallen“ nach der Wahl noch nie so deutlich angelegt wie heute.
Politik für die vielen
Wer es aber ernst meint und der „Menschlichkeit“ zum Sieg verhelfen will, der muss zuerst einmal bereit sein, die Konfrontation mit denen suchen, die wirklich die Macht in dieser Gesellschaft innehaben und aufgrund ihrer Profitinteressen die Durchsetzung menschlicher Bedürfnisse unmöglich machen. Die SPÖ-Spitze ist aber selbst über unzählige Kanäle mit den Schaltzentralen der Wirtschaft verbunden. Von der Durchsetzung großer Infrastrukturprojekte (Lobautunnel, 3. Piste, Flughafen Klagenfurt…) über Deals zwischen „roten“ Ländern mit Konzernen oder Ordensverleihungen an „ehrenwerte Mitglieder“ der Gesellschaft wie die Milliardärin Heidi Horten reichen diese Bande.
Dies erklärt auch, warum die SPÖ es scheut, den Konzernen und Superreichen wirklich weh zu tun. Mit der Abwahl von Kurz als Kanzler hat sich die Chance aufgetan, im „freien Spiel der Kräfte“ im Parlament Gesetzesanträge einzubringen, mit denen die vom Kapital bestellten Grauslichkeiten von Schwarz-Blau zurückgenommen werden sollten. Bislang wurde diese Möglichkeit nur sehr zögerlich in Anspruch genommen. Zwar gab es einige Reformen, die heißen Eisen lässt die SPÖ aber tunlichst liegen. In der Frage des 12-Stunden-Tages und der Krankenkassenreform prallen die Klassenwidersprüche offen aufeinander. Hier geht es um die konkreten materiellen Interessen hunderttausender Arbeiterinnen und Arbeiter. Auch beim Thema Klimawandel weigert man sich, die wahren Verantwortlichen, die großen Konzerne zur Verantwortung zu ziehen und belässt es bei nebulösen Formulierungen, man müsse „gemeinsam“ Lösungen erarbeiten.
Im September gibt es im Nationalrat die Möglichkeit, diese heißen Eisen zum Thema zu machen und den Interessen der Arbeiterschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Gleichzeitig sollte auf der Straße Druck für eine linke Wende gemacht werden. Die Klimastreiks, die Großdemo gegen Schwarz-Blau oder die Demo der Wiener Pflegekräfte wären gute Anlässe dafür.
Die Löwelstraße und die Parteigranden in den Bundesländern werden aus eigenem Antrieb nichts in die Richtung machen. Ihnen geht es nur um eine Rückkehr in die Regierung. Eine soziale und politische Zuspitzung im Wahlkampf würde dies nur erschweren. Auf der Liste der SPÖ kandidieren nicht wenige Genossinnen und Genossen, die einen linken Kurs verfolgen wollen. Ihr Motto lautet „Politik für die Vielen“, ihre Vorbilder sind Corbyn und Sanders. Wie ernst sie es damit meinen, wird sich daran messen, ob sie es wagen die „heißen Eisen“ anzupacken, im Nationalrat mit dementsprechenden Gesetzesinitiativen das Kapital offen herauszufordern und dafür auch auf der Straße mobilisieren werden.
(Funke Nr. 176/28.8.2019)