Mit Julia Herr wird aller Voraussicht nach erstmals seit Josef Cap 1983 eine Vorsitzende der Sozialistischen Jugend in den Nationalrat einziehen. Unter diesem Gesichtspunkt analysiert Yola Kipcak ihre Wahlkampagne.

Im Kampf gegen Schwarz-Blau, insbesondere durch die Organisierung der Demonstration direkt nach dem Ibiza-Skandal hat die SJ viel Unterstützung gewonnen, wie das Vorzugsstimmenergebnis von Julia Herr bei der EU-Wahl zeigte. Das ist der Grund, warum die SPÖ nicht mehr umhinkam, Julia Herr endlich einen aussichtsreichen Platz auf der Bundesliste zu geben.

Die Hauptthemen des SJ-Wahlkampfs unter dem Motto „Steh auf“ sind „Klimaschutz statt Profitgier“, „Politik für dich statt Millionäre“ und „Frauenrechte statt Ausbeutung“. „Unsere Wirtschaft funktioniert nach dem Prinzip der Profitlogik … Damit muss Schluss sein! Wir müssen die Macht der Konzerne brechen!“, steht im SJ-Wahlprogramm, was wir nur unterschreiben können. Doch wie bricht man die Macht der Konzerne?

Das Programm beantwortet diese Frage mit einem Appell an den Staat, der gleichen Lohn für gleiche Arbeit rechtlich absichern, das Recht auf Kinderbetreuung ermöglichen und Steuern einheben soll. Julia Herr bringt die Orientierung auf die staatlichen Institutionen so auf den Punkt: „Man braucht eine Mehrheit im Nationalrat, die links der Mitte ist.“ (Bezirksblatt)

Aber was passiert mit den Unternehmen, die Steuerflucht begehen? Was tun wir, wenn die Superreichen Vermögenssteuern verweigern? Gibt es ein klares Nein zur Koalition mit den bürgerlichen Parteien, nicht nur mit der FPÖ, sondern auch mit der ÖVP und den NEOS, die gegen all diese Forderungen sind? Wie organisieren wir den Kampf für die geforderten Reformen?

Genau diese offenen Fragen sind das Einfallstor für den Druck der Bürgerlichen, der immer wieder Umfaller der Sozialdemokratie hervorruft. Wir dürfen nicht vergessen, dass alle großen sozialen Verbesserungen in der Geschichte immer nur durch Klassenkämpfe errungen werden konnten, die nicht auf die parlamentarische Ebene beschränkt waren. Wie und ob wir die Arbeiterklasse und die Jugend in Kampagnen und Streiks um Verbesserungen mobilisieren können, ist daher zentral.

Ein beliebtes Argument gegen eine offenere, antikapitalistische Positionierung der SJ ist oft: Die realpolitischen Mehrheitsverhältnisse und die gesellschaftliche Stimmung lassen radikale Forderungen derzeit nicht zu, wir müssen daher die Öffentlichkeit behutsam auf den Antikapitalismus vorbereiten.

Doch dieser scheinbar „realistische“ Zugang wird durch die Funktionsweise des Kapitalismus ins Gegenteil verkehrt. Im Grundsatzprogramm der SJ wird richtig festgehalten: „Gerade in der Medienlandschaft tritt aber der Klassencharakter unserer Gesellschaft deutlich zu Tage. Die meisten Medien sind abhängig von privaten GeldgeberInnen aus der Wirtschaft und damit auch in ihrer Berichterstattung gebunden. Sie beziehen in ihrer Berichterstattung – trotz behaupteter Unabhängigkeit - oft recht deutlich Position für die Interessen der Unternehmen.“

Das sorgt für einen gewaltigen Druck, in der Öffentlichkeit unter keinen Umständen radikal aufzutreten: Erinnern wir uns an den hysterischen Medienaufschrei über die Interviews von Jusos zur Frage von Verstaatlichungen. Dieser Druck geht schon jetzt an Julia Herr nicht spurlos vorüber. Und so wird in der Berichterstattung aus der SJ-Forderung „CO2-Steuer für Konzerne“ einfach nur noch die „CO2-Steuer“ (siehe S.6). Aus „die SPÖ [ist] weder in einer Koalition mit Türkis noch mit Blau denkbar“ (Standard-Gastkommentar, 25.6.), wurde „Wenn die ÖVP […] ihr Programm ändert, dann freut’s mich und dann können wir auch gemeinsam in eine Koalition gehen“. Die geforderte Vermögenssteuer ist keine Koalitionsbedingung, sondern „muss man natürlich verhandeln“ (oe24, 12.8.). Insbesondere mit Blick auf eine mögliche schwarz-rote Koalition unter Sebastian Kurz ist diese Zweideutigkeit brandgefährlich.

Denn wohin der Druck der Bürgerlichen, der von der Löwelstraße unvermittelt auf Julia Herr weitergegeben wird, in der Praxis führen kann, zeigte die Karriere von Josef Cap. Nachdem er mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf 1983 als der linke Hoffnungsträger in den Nationalrat eingezogen war, fügte er sich schnell der parlamentarischen Logik und vertrat sowohl in den Arbeitskämpfen 1986 in der Verstaatlichtenkrise als auch in der Auseinandersetzung um das Sparpaket 1987 die Parteilinie. 1988 schließlich wurde er für diese Linientreue mit dem Posten des Zentralsekretärs der SPÖ belohnt.

Je klarer und offener wir unsere Ideen präsentieren und durchargumentieren, desto besser können wir diejenigen ArbeiterInnen und Jugendlichen, die den öden Politikersprech mit all den Lügen, die keiner mehr glaubt, satthaben, wirklich für den Sozialismus gewinnen. Je zaghafter und zweideutiger wir uns präsentieren, desto mehr Angriffsfläche bietet sich den Bürgerlichen. Daher hatte die Funke-Strömung in den SJ-Gremien auch den Antrag gestellt, den SJ-Wahlkampf mit klaren Forderungen, die Teil des SJ-Grundsatzprogramms oder der Praxis der letzten Jahre sind, zu führen:

  • Verstaatlichung von Banken und strategisch wichtiger Industrien unter demokratischer Verwaltung durch die arbeitenden Menschen
  • Rücknahme aller Verschlechterungen von Schwarz-Blau mit einem Kampf in Parlament und auf der Straße dafür
  • Gegen jede Koalition mit FPÖ, ÖVP und NEOS (siehe Funke Nr. 174).

Um ein sozialistisches Programm in der Arbeiterbewegung mehrheitsfähig zu machen, müssen wir es offen verteidigen. Statt dass wir uns auf die Institutionen des bürgerlichen Staates verlassen, gilt es, den Klassenkampf konkret zu unterstützen und zu fördern.

(Funke Nr. 176/28.8.2019)


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