Angesichts der schwelenden Regierungskrise von Türkis-Grün und der tiefen Krise des Kapitalismus hätte der SPÖ-Parteitag am 26. Juni nicht zuletzt die Aufgabe gehabt, eine Kampfperspektive aufzuzeigen. Dieser Parteitag hat jedoch alle Schwächen der heutigen Sozialdemokratie offengelegt und eine neue Phase der innerparteilichen Krise eingeläutet, so Konstatin Korn und Emanuel Tomaselli.
Mit dem Slogan „Keine Koalition mit dem System Kurz!“ versuchte die Parteivorsitzende eingangs offensiv aufzutreten, doch selbst in dieser Formulierung versteckt sich die Hoffnung auf die selbstreinigenden Kräfte der ÖVP. Einig sind sich die verschiedenen Richtungen in der SPÖ, dass sie alle unbedingt zurück in die Regierung wollen.
Da sich aber in dieser Epoche des Kapitalismus keine Reformen herbeireden lassen, verliert die SPÖ an allen Ecken und Enden an politischer Bedeutung und gesellschaftlichem Rückhalt. Rendi-Wagner verkörpert als ehemalige Spitzenbeamtin dabei einen bürgerlich-liberalen Politikzugang. „Sozialer Aufstieg durch Leistung muss wieder möglich sein“, so die zentrale Botschaft der Vorsitzenden. Das geht an der Lebensrealität gerade der Jungen vorbei, die nur Bildungsnotstand, prekäre Jobs und Zukunftsängste kennen. Eine politische Kritik an dieser post-reformistischen wirtschaftspolitischen Ausrichtung, die durch ein wenig liberale Identitätspolitik geschmückt wird, war am Parteitag allerdings von keiner Seite zu hören. Ein gesamthafter, sozialistischer Gegenentwurf zur Linie von Rendi-Wagner wird derzeit von niemandem in der Sozialdemokratie vertreten.
Der Unmut an Rendi-Wagners Kurs wird deshalb am ehesten noch von jenen „bodenständigen“ Identitätspolitikern artikuliert, die glauben die „einfachen Menschen am Land“ gegen die „Avocado-essenden Homeoffice Urbanen“ (zit. Bergmann, Bürgermeister von Knittelfeld) ausspielen zu müssen, um wieder eine politisch erfolgreiche Sozialdemokratie hinzubekommen. Identitätspolitik à la Max Lercher (im Bündnis mit der SPÖ Burgenland und Kräften aus anderen Bundesländern) festigt letztlich aber nur die Spaltung der Arbeiterschaft und damit die Schwächung der organisierten Arbeiterbewegung. Wie ein Blick in Lerchers Heimatbundesland, die Steiermark, zeigt, ist diese Linie mit einer harten Spar- und Privatisierungspolitik durchaus vereinbar.
Rendi-Wagner erhielt auf dem Parteitag gerade einmal 75 Prozent der Delegiertenstimmen. Das von uns vorausgesagte „Hickhack zwischen Löwelstraße und Eisenstadt“, wurde nicht offen in politischen Debatten, sondern hinterrücks mit dem Stift in der Wahlkabine ausgetragen. Rendi-Wagners Parteitagsdebakel bedeutet, dass der lähmende inhaltsleere Kampf um die Ausrichtung der Sozialdemokratie in eine neue Runde geht, anstatt die organisierte Arbeiterbewegung als einigende Kraft gegen die Regierung und gegen Kapitalangriffe zu führen.
Diese Inhaltsleere drückte sich nicht zuletzt darin aus, dass reihenweise Delegierte frühzeitig den Parteitag verließen, bis die Beschlussfähigkeit nicht mehr gegeben war. Teile des Parteiapparats sahen darin die Chance, die Debatte über teilweise für die Bürokratie sehr unangenehme Anträge zu verhindern. Vor allem ein Antrag nach mehr innerparteilicher Demokratie, etwa die Direktwahl des Parteivorsitzes. Mit der Mitgliederwahl von Jeremy Corbyn zum Vorsitzenden der Labour-Party kehrte der Klassenkampf zurück in die britische Sozialdemokratie, eine solche Option soll in der SPÖ ausgeschlossen werden, so die Räson des traditionalistischen Spitzen-Apparates.
Angewidert von der bürokratischen Obstruktionspolitik und rechten Positionen (z.B. in der Frage eines erleichterten Zugangs zur Staatsbürgerschaft) aus dem Umfeld von Doskozil & Co. haben deklarierte Parteilinke auf und nach dem Parteitag eindeutig Stellung für Rendi-Wagner bezogen und reden von einer deutlichen Mehrheit für den „progressiven Mitte-Links-Flügel“.
Die Sozialistische Jugend stellt dabei keinen qualitativen Unterschied dar. Neben Minimalstforderungen (Matura abschaffen, freie Seezugänge, …) lautete ihre zentrale politische Losung „Neue Mehrheiten braucht das Land“, die vager nicht formuliert sein könnte und im Grunde die Perspektive einer rot-grün-pinken Koalition befürwortet. SJ-Vorsitzender Paul Stich meint, „Maßnahmen wie eine Arbeitszeitverkürzung, ein gerechter Beitrag von Milliardären oder eine Lehrstellengarantie für Jugendliche werden langfristig nur mit neuen Mehrheiten jenseits von Türkis und Blau möglich sein“. Abgesehen davon, dass in einer Koalition mit den liberalen, bürgerlichen Parteien diese Forderungen auch nicht umsetzbar sind, ist dieses Programm angesichts der tiefen Krise des Kapitalismus ohne harten Klassenkampf sowieso eine fruchtlose Utopie.
Niemand vertritt eine sozialistische Gesamtalternative, womit das aufblitzende politische Rest-Engagement ins Leere läuft. Der Aufbau eines klassenkämpferischen Pols in der Arbeiterbewegung ist wichtiger denn je. Wer diese Idee in der Arbeiterbewegung mehrheitsfähig machen will, sollte sich dem Funke anschließen und mit marxistischer Theorie und klassenkämpferischen Methoden eine scharfe Waffe für die kommenden Klassenkämpfe schmieden!
(Funke Nr. 195/1.7.2021)