In der SPÖ in Oberösterreich wurde im letzten Monat die Parteispitze ausgetauscht, der neue Parteichef Michael Lindner kündigt eine Modernisierung an. Die Krise der SPÖ ist um eine Facette reicher, meint Martin Halder.

Das Ergebnis der letzten Landtagswahl im September 2021 gießt die Krise in Zahlen. Obwohl die FPÖ mehr als 10% verlor, stagnierte die SPÖ. Der einzige Wahlsieger war die reaktionäre Anti-Covidmaßnahmen-Partei MFG. Dabei ist der Vergleich zur Landtagswahl 2003 bezeichnend, wo die FPÖ eine ähnliche hohe Wahlniederlage erlitt, die SPÖ allerdings über 11% dazu gewinnen konnte.

Wie gewöhnlich begab man sich auf „Fehlersuche“. Für die bisherige Parteivorsitzende Birgit Gerstofer war bereits absehbar, dass sie die Partei nicht in die nächsten Wahlen 2027 führen würde. Doch schlussendlich wurde ihr Ende überraschend schnell von der Metallergewerkschaft entschieden.

Dietmar Keck, Nationalratsabgeordneter und Vorsitzender der SPÖ-Sektion voestalpine, forderte Anfang Februar den „sofortigen Rücktritt“ der Parteichefin und des Landesgeschäftsführers. Innerhalb von nicht mal einem Tag wurde dies in der Partei durchgesetzt.

Für diesen Vorstoß waren für Keck „zwei Eklats“ ausschlaggebend: Eine „geschmacklose“ Plakatkampagne, die mit Kindern für die Impfung warb, und eine von der Partei in Auftrag gegebene Nach-Wahlanalyse, die der SPÖ rät, die Stellung der Gewerkschaften in der Partei – insbesondere bei der Vergabe der Listenplätze – zu überdenken.

Dies zeigt zum einen das Gewicht der Gewerkschaft in der Sozialdemokratie, drückt allerdings den Krisenzustand sowohl der Partei als auch der Gewerkschaften gut aus: schwindende gesellschaftliche Unterstützung führt zu weniger Posten und stärken Reibereien um ihre Besetzung.

Die gepriesene gewerkschaftliche Mobilisierungsfähigkeit für die SPÖ ist in der Privatindustrie nicht mehr gegeben. Selbst in Wahlkreisen mit gewerkschaftlich gut organisierten Großbetrieben verlor sie an Stimmen.

Das Grundproblem der Gewerkschaft ist: Die Führung ist sichtlich von der breiten Arbeiterklasse isoliert und beschränkt sich auf ihre Rolle als passive Verwalterin der ständig neuen Krisen. In der Coronakrise wurde dies in allen Betrieben gut greifbar. Eine unabhängig von den Chefs formulierte Position zur Pandemiebekämpfung strebte die Gewerkschaft nie an. Der ÖGB mit seinen 1,2 Mio. Mitgliedern hat auch auf Überzeugungsarbeit für die Impfung verzichtet. Schon lange war es für die ArbeiterInnen nicht mehr so spürbar, dass sie einfach Spielball von Profitinteressen und politischer Demagogie (allen voran der Regierung) sind.

In diesem Kontext stieß sich Keck nicht nur am Sujet der Plakatkampagne der SPÖ OÖ, sondern überhaupt daran, dass man irgendetwas öffentlich zu einer polarisierenden Frage sagt. Keck hält‘s lieber so: Im Parlament im Sinne der politischen Stabilität der Regierung für die Impfpflicht stimmen, eine Werbung sich freiwillig impfen zu lassen geht ihm aber entschieden zu weit.

ArbeiterInnen sind nicht dumm. Doppelbödigkeit und parlamentarische Versteckspielchen haben in einer Arbeiterpartei nichts verloren. Die Arbeiterklasse braucht eine ehrliche und kampfbereite sozialistische Partei. In diesem Sinne ist in OÖ gar nichts passiert.

(Funke Nr. 202/23.2.2022)


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