Die Inflation steigt und steigt. Die Kapitalisten wollen die Krisenkosten auf die Arbeiterklasse abwälzen. Die Arbeiterbewegung muss zum Gegenschlag ausholen – Yola Kipcak argumentiert für ein sozialistisches Anti-Krisenprogramm.
Die Sozialdemokratie hat die hohen Preise als zentrales Problem für die ArbeiterInnen in einem parlamentarischen Dringlichkeitsantrag am 6.4. aufgegriffen. Sie fordern ein Fünf-Punkte-Programm „für ein leistbares Leben“:
- Steuern auf Arbeit um 1.000€ pro Jahr senken
- Pensionserhöhung in Höhe der Inflation vorziehen
- Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% des Letzteinkommens
- Befristete Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Sprit, sowie
- Gesetzliche Rücknahme Richtwertmieten-Erhöhung um +6% per 1.4.
SPÖ: Bloß kein Klassenkampf?
Wir stellen fest, dass dieses Programm (bis auf Zinshausbesitzer) die Unternehmerprofite nicht antastet. Es zielt darauf ab, die Steuereinnahmen des Staates für einige Erleichterungen zugunsten der ArbeiterInnen zu nutzen. Doch Steuereinnahmen sind nichts anderes als Geld, das entweder aus Profiten oder Löhnen abgezogen wird. In der Realität bezahlen die ArbeiterInnen in Österreich etwa 80% der staatlichen Steuereinnahmen. Die Vorschläge der SPÖ laufen letztlich darauf hinaus, dass sich die Arbeiterklasse einen kleinen Teil ihrer Inflationseinbußen selbst kompensiert. Die linkeren Teile der Partei haben hier bisher auch keinerlei eigenständige Ansatzpunkte geliefert.
Die tatsächliche Ausbeutung findet aber nicht beim Steuerbuchhalter, sondern in der Lohnarbeit statt. Profite sind die unbezahlte der Mehrarbeit der Arbeiterklasse. Die Frage „Wer zahlt die Krise?“ lässt sich nur positiv beantworten, wenn man direkt in die Taschen der Kapitalisten greift, das heißt heute: den Klassenkampf führt.
Die Forderungen nach Preisobergrenzen im Energiebereich oder Abschöpfen der Übergewinne von Energiekonzernen – für sich genommen nur milde Einschnitte in die Unternehmensprofite – sind im SPÖ-Dringlichkeitsantrag enthalten, werden aber nicht offensiv eingefordert. Kein Wunder, denn sie umzusetzen erforderte eine direkte Konfrontation mit der Kapitalistenklasse, und die meidet die Führung der Sozialdemokratie wie der Teufel das Weihwasser.
Das gleiche gilt im Übrigen für die kleinere der Arbeiterparteien, die KPÖ, die in Graz die Stadtregierung anführt. Sie nützt zwar den rechtlichen Spielraum im Kapitalismus mit größerer Glaubwürdigkeit als die SPÖ und schließt sich etwa bei den Grazer Gemeindebauten nicht an die Mieterhöhung an. Doch auch die KPÖ Graz ordnet sich dem Sparzwang sang- und klanglos unter und will „alles daran setzen die Vorgaben des Landes Steiermark sowie unter Berücksichtigung einer möglichen Wiedereinführung des Stabilitätspakts zu budgetieren.“ Es „erwartet uns ein äußerst steiniger Weg“ kündigt KPÖ-Finanzstadtrat Eber an – wir werden im Juni sehen, wie „rot“ der Sparstift sein wird, den die KP im Budgetvorschlag anlegen wird. Die SPÖ Wien und die KPÖ Graz tönen unisono: Gegen Bundespolitik könne man eben nichts machen. So sieht die KPÖ Graz offenbar auch keinen über die Gemeindepolitik hinausgehenden Auftrag.
Das Reserveteam wärmt sich auf
Die SPÖ-Spitze ist dagegen bereit für mehr – aber von der falschen Perspektive aus: Sie will mitreden und vor allem mitregieren.
Das groß inszenierte SPÖ-Altkanzler-Treffen (27.3. mit Vranitzky, Gusenbauer, Kern, Faymann und Klima) hatte das Ziel, der SP-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner den Glanz einer Politikerin von Format zu verpassen. Das fehlende Charisma sollte durch das Hochleben der „guten, alten Zeiten“ unter SP-Kanzlerschaft wettgemacht werden. Eine Alternative zu Rendi-Wagner gibt es derzeit angesichts des wackligen Machtkompromisses zwischen verschiedenen SPÖ-Flügeln aus Sicht der Spitze scheinbar nicht.
Wenig subtil ist Wiens roter Bürgermeister Michael Ludwig: Er und der (nach Gernot Blümels unrühmlichem Abgang) designierte „neue“ ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer richten sich in der bürgerlichen Presse gegenseitig Liebesbotschaften aus. „Ex-Türkise auf Kuschelkurs mit Roten“ titelt die Presse am 3.2. und ortet eine Kursänderung „Richtung Große Koalition“. Die Klimaaktivisten in der Lobau hat Genosse Ludwig aus den Camps geklagt – der Weg ist frei für eine potenzielle Liaison mit den „christlich-sozialen“ Freunden.
Für Neuwahlen will man bereit sein, hoffnungsvoll werden Umfragen verfolgt, nach denen die SPÖ erstmals seit Jahren die ÖVP wieder überholt. Ob sich eine Mehrheit mit NEOS und Grünen ausgehen würde oder Rot-Schwarz, ist nicht entschieden. Der Wille ist jedoch da: Die SPÖ-Spitze präsentiert sich als „Reserveteam der Bourgeoisie“, wann immer die krisengebeutelte schwarz-grüne Regierung auch in sich zusammensacken sollte. (Dies zu Beschleunigen liegt der „konstruktiven Opposition“ jedoch fern.)
Was hier betrieben wird, ist eine völlige Desorientierung der Arbeiterbewegung in parlamentarischem Klein-Klein und eine ideologische Entwaffnung unserer Klasse. Wir stecken mitten in der tiefsten Krise des Kapitalismus. Ein Träumen von friedlichen Kompromissen mit dem Klassenfeind wird die Arbeiterklasse teuer zu stehen kommen. Das Kapital hat keinen Ausweg aus der Krise, doch in einem ist es sich sicher: Bezahlen sollen die ArbeiterInnen.
Die explosive Massenerhebung in Kasachstan im Jänner dieses Jahres, die gewaltige Protestwelle in Sri Lanka in den letzten Wochen, die Generalstreiks in der Türkei und in Griechenland, die gewerkschaftliche Organisierungswelle in den USA: das sind die Zeichen der Zeit, die auf „Klassenkampf“ stehen. Auf dem Protest der ElementarpädagogInnen in Wien am 21.3. brachte es eine Pädagogin auf den Punkt: „Wir sollten einmal die Woche streiken, bis unsere Forderungen erfüllt sind.“
Die einzigen, die sich diesen Tatsachen bewusst verschließen, sind die Führungen der Arbeiterbewegung selbst. Die Herrschenden bringen sich im Klassenkampf in Position – die Arbeiterklasse wird von ihrer Führung mit schweren Gewichten an den Füßen ins Rennen geschickt.
Für ein sozialistisches Anti-Krisenprogramm!
Die Proteste der ElementarpädagogInnen, der weitverbreitete Zorn unter den Belegschaften im Sozial- und Gesundheitsbereich, die Dreistigkeit der Unternehmer in den Frühjahrs-Lohnverhandlungen (Papier, Chemie, Elektronik) … es gibt genügend brennbares Material, um mit dem Unmut der Arbeiterklasse endlich auch den Klassenkampf von unten für eine Rettung und Verbesserung des Lebensstandards zu entfachen.
Die Aufgabe der Führung der großen Arbeiterorganisationen ist es, den Klassenfeind klar als solchen zu benennen – und den Kampf in den Betrieben und im Parlament um ein sozialistisches Anti-Krisenprogramm zu organisieren.
Ein Programm, für das es sich zu kämpfen lohnen würde und das auch breit mobilisierend wirken könnte, wäre dabei:
- Für eine gewerkschaftlich-politische Offensive zur Durchsetzung der 6%igen Lohnerhöhung und einer monatlichen automatischen Teuerungs-Anpassung durch einem General-Kollektivvertrag für alle Branchen
- Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich
- Gesetzliche Preisobergrenzen für Grundnahrungsmittel, Mieten und Energie, kontrolliert von Delegierten der Gewerkschaften
- Keinen Cent für Profit-Rettungsschirme der Unternehmer, keinen Cent für die Aufrüstung, keine Kriegskredite!
- Für ein gänzlich öffentliches Energie-, Gesundheits- und Sozialsystem!
Wenn die Kapitalisten mit Erpressungsversuchen wie Kapitalflucht, Abwanderung, Produktionsstopps und Werkschließungen reagieren, müssen wir entgegenhalten:
- Für die Verstaatlichung der Großkonzerne und -banken unter Arbeiterkontrolle!
- Weg mit der kapitalistischen Profitwirtschaft, für den Sozialismus!
(Funke Nr. 203/22.4.2022)