Seit August 2020 ermittelt die Polizei in Wien gegen mehrere AntifaschistInnen, wovon einige, in Szene gesetzt wie Schwerverbrecher, am 25. und 27. April vor Gericht standen. Fabian Cisar über den Ermittlungs- und Prozessverlauf und den Charakter des bürgerlichen Staatsapparats.

 Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung, darunter Martin Sellner (einer der führenden Mitglieder der Identitären in Österreich), wurden im März 2020 von mehreren vermummten Personen mit Schlägen und Tritten attackiert. Auch wurde ein Lautsprecher entwendet, der bei einer Kundgebung der Sozialistischen Jugend (SJ) abgestellt wurde. Später entdeckten dieselben Identitären ihren Lautsprecher wieder und versuchten ihn sich von der SJ zu nehmen, wobei der Rechtsextreme Jakob Gunacker begann, Pfefferspray einzusetzen. Später wurde bekannt, dass ein weiterer ein Messer bei sich trug (jedoch meinte er vor Gericht, er wolle damit nicht auf linke Jugendliche losgehen, sondern er habe es vom vorherigen Waldspaziergang mit den Enkeln in der Tasche vergessen).

Diese zwei Auseinandersetzungen werden jetzt gerichtlich geklärt, wobei der Staat zu übertriebenen Maßnahmen greift, um ein Bild von „gefährlichen linksextremen GewalttäterInnen“ zu vermitteln. So waren im Gerichtssaal ein Bombenspürhund-Team und mehrere vermummte WEGA-Polizeieinheiten anwesend, wer in den Gerichtssaal wollte, musste durch extra Security-Checks gehen. Der Staat will damit einschüchtern – nicht nur die betroffenen Personen, sondern auch AntifaschistInnen, die sich solidarisch zeigen.

Die Polizei sprach vor Gericht immer wieder von „rechten“ Identitären, während sie kein Problem damit hatten, Personen als linksextrem zu bezeichnen. Obwohl die Identitäre Bewegung vom österreichischen Verfassungsschutz selbst als rechtsextrem eingestuft wird und deren Mitglieder Kontakte zu Neonazi-Netzwerken in ganz Europa haben.

Anfangs wurden die AntifaschistInnen von den Behörden der „Gründung einer kriminellen Vereinigung oder Organisation“ bezichtigt, eine Taktik, um uneingeschränkte Ermittlungen zu ermöglichen, was die Möglichkeiten von Repression erweiterte. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Ermittlungsparagraphen, diese werden nicht vor Gericht zur Anklage gebracht und dienen lediglich als Rechtfertigung.

So musste die Polizei keine Kosten scheuen, um gegen linke AktivistInnen vorzugehen und die betroffenen AntifaschistInnen bekamen den Repressionsapparat in all seiner Vielfalt zu spüren: punktuelle Observierungen, Festnahmen auf offener Straße oder auf der Arbeit und als Höhepunkt gab es eine Hausdurchsuchung durch eine schwer bewaffnete (!) Cobra-Einheit.

Punkte der Anklage sind Verdacht auf Sprengung einer Versammlung, (teilweise) versuchte Körperverletzung, (teilweise) versuchte schwere Körperverletzung und Waffenbesitz trotz aufrechten Waffenverbotes.

Eine Frage, die sich hier stellt, ist, wie die Angeklagten erkannt wurden, da alle Täter vermummt waren. Handelt es sich bei der Wiener Polizei etwa um Meisterdetektive? Nein, ganz im Gegenteil, viele der Angeklagten wurden nur aufgrund einer schwarzen North Face Jacke identifiziert! Es handelt sich um einfache Szenenkleidung, für die Polizei aber Grund genug, sie vor Gericht zu stellen. Die Beweise sind so dünn, dass das Verfahren gegen zwei der beschuldigten Personen bereits im Juni 2021 komplett eingestellt wurde.

Die Prioritäten im bürgerlichen Staat werden hier wieder einmal deutlich: Zum wiederholten Male werden AntifaschistInnen ohne konkreten Tatverdacht observiert, verfolgt und staatlicher Unterdrückung ausgesetzt, während zeitgleich Neonazis Waffenlager ausbauen. Der Wiener Verfassungsschutz hielt es für wichtiger, diese personell aufwendigen Observationen aufrecht zu erhalten, als einen Munitionskauf von einem bereits bekannten Islamisten zu untersuchen, der im November 2020 traurige Bekanntheit erlangte, als er in der Wiener Innenstadt mehrere Personen ermorden konnte.

Wir drücken unsere vollste Solidarität mit den betroffenen AntifaschistInnen aus und stellen fest, dass diese Einschüchterungsversuche ins Nichts geführt haben. Der Staat wird, wie wir bereits oft gesehen haben, linke AktivistInnen einschüchtern und mit Repression belegen zu versuchen. Was es deshalb braucht, ist der vereinte Kampf der Arbeiterklasse, nicht nur gegen die rassistische Hetze der Identitären sondern auch gegen das System, das sie schützt. Nur die ArbeiterInnen besitzen die Macht, das System in dem der Faschismus seine Wurzeln hat – den Kapitalismus – zu stürzen. Dafür sollten wir uns organisieren und kämpfen. Freiheit für alle politischen Gefangenen, hoch die internationale Solidarität.

„Wer gegen Nazis kämpft, der kann sich auf den Staat überhaupt nicht verlassen.“ – Esther Bejarano, Holocaust Überlebende und Antifaschistin.

(Funke Nr. 204/31.5.2022)


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