Die schwarz-grüne Bundesregierung hat angesichts der hohen Inflation Mitte Juni ein „Anti-Teuerungs-Paket“ vorgestellt und teilweise in Gesetzeskraft erhoben. Wir haben die Regierungspolitik genauer unter die Lupe genommen.

 Schwarz-Grün steht bislang auf dem Standpunkt, dass die Politik keine Maßnahmen setzen solle, die in die Preisgestaltung auf dem „freien Markt“ eingreift. Die Regierung könne nur versuchen, die privaten Haushalte, die angesichts der massiven Preissteigerungen immer mehr unter Druck kommen, zu entlasten. Dass die Menschen den Gürtel enger schnallen müssen und es zu einem „Wohlstandsverlust“ kommt, wird wie ein Naturgesetz hingenommen, dessen negative Wirkung man nur abfedern, aber nicht verhindern könne.

Die Regierung erhöht nun den Klimabonus (und verschiebt die Einführung der CO2-Steuer), sie wird eine Einmalzahlung gegen die Teuerung und Sonderzahlungen für BezieherInnen von Ausgleichszulage, Sozialhilfe, Studienbeihilfe usw. gewähren und 180 Euro mehr an Familienbeihilfe auszahlen (bei gleichzeitiger Kürzung des Schulstartgeldes für arme Familien!). Das „Anti-Teuerungs-Paket“ (Klimabonus, Einmalzahlungen für…) besteht im Wesentlichen also darin, dass der Staat der Bevölkerung Geldmittel überweist in der Hoffnung, dass diese damit noch Miete, Brot, Heizung und Treibstoff auf dem kapitalistischen Markt kaufen kann. Wir prophezeien, dass diese Geldmittel (eben, weil es nur Geldmittel sind) zum Zeitpunkt, wo sie zur Auszahlung gelangen, nur mehr einen mehr oder weniger großen Bruchteil dessen wert sein werden, was sie heute als Wert darstellen. Und dazu kommen noch Andeutungen des Finanzministers, dass sich die Regierung einen Teil der Ausgaben wieder zurückholen möchte über Selbstbehalte bei der Pflege und eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters.

Wir haben in der letzten Ausgabe unserer Zeitung die These aufgestellt, dass die Inflation im Herbst 2022 bei mindestens 10 Prozent liegen wird. Die neuesten Schätzungen des WIFO gehen genau in diese Richtung. Und zwar unter der Annahme, dass die Gasversorgung sichergestellt werden kann. Bei Gasmangel würde die Inflation, so das WIFO, sogar ca. 18 Prozent ausmachen! Die Regierung lässt sich mit ihrem Paket aber Zeit. Die steuerlichen Absetzbeträge des „Anti-Teuerungs-Pakets“ werden erst im nächsten Jahr wirksam. Die Wirksamkeit des „Energiebonus“ und des „Klimabonus“ tritt irgendwann zwischen Herbst 2022 und Sommer 2023 ein. Ob dies für das Leben der Menschen überhaupt noch von Bedeutung sein wird, hängt vielmehr von der Möglichkeit ab, ob es zwischen Herbst 2022 und Sommer 2023 (überhaupt noch, und falls ja zu welchem Preis) Strom, Gas und Benzin zu kaufen geben wird. Ähnliche Fragen stellen sich für die Produktion von Getreide und Dünger. Der Export von Getreide aus den ukrainischen Häfen, der einen Gutteil des weltweiten Getreideexports ausmacht, ist aufgrund des Kriegs nach wie vor unterbrochen, die Düngemittel produzierende chemische Industrie ist auf Gas angewiesen.

Die Bundesregierung steht diesen Vorgängen völlig macht- und hilflos gegenüber. Sie ist in der Frage der Gasversorgung völlig von der Kriegspolitik des russischen Regimes, vom Erpressungspotential des ukrainischen Regimes und der Haltung der deutschen Regierung abhängig. Die Bundesregierung ist hinsichtlich Benzin, Diesel (und Heizöl) ebenso abhängig davon, ob die OMV-ArbeiterInnen die stillstehende Raffinerie Schwechat wieder in Gang setzen können und wollen. Die ergriffenen Maßnahmen des „Anti-Teuerungspakets“ ändern an all diesen materiellen Umständen nichts. Die Abschaffung der kalten Progression, deren „Fan“ der ehemalige Vorarlberger Wirtschaftsbundfunktionär und heutige Finanzminister Magnus Brunner (lt. Aussage im österreichischen Nationalrat) geworden ist, kann als Versuch der politischen Stabilisierung durchgehen. Er reagiert damit auf den Unmut des Kleinbürgertums und bessergestellter Schichten der Arbeiterklasse, die unter zunehmendem Steuerdruck stehen. An den realen Verhältnissen würde diese Maßnahme zunächst einmal nichts ändern.

Während die Bundesregierung noch immer meint, man müsse mit kühlem Kopf die Entwicklung der Inflation beobachten, macht sich schön langsam selbst in Teilen der herrschenden Klasse die Einsicht breit, dass die Lage mittlerweile zu ernst ist. In der öffentlichen Debatte sehen wir dabei zwei gegensätzliche Herangehensweise: Während ein Flügel im Windschatten der Politik der deutschen Bundesregierung auf die Einsparung von Energie durch die Bevölkerung drängt (Absenkung der Raumtemperatur im Winter, Warmwasser nur zu bestimmten Zeiten), übernehmen mittlerweile erste Stimmen aus den Bundesländern (allen voran die ÖVP-Landeschefin von Niederösterreich) die Forderung nach dem Preisdeckel für gewisse Energieformen. Mikl-Leitner & Co. sehen sich gezwungen, auf den wachsenden Unmut in der Gesellschaft zu reagieren. Der WIFO-Chef zeichnete jüngst folgende Perspektive für den Winter: „Da schlummert gewaltiges soziales Konfliktpotenzial“. Und „Der Standard“ gibt seine Aussagen so wider: „Dann werde vieles nicht mehr nach marktwirtschaftlichen Regeln über die Bühne gehen. Es drohten ‚kriegswirtschaftliche Zustände‘, die die Menschen ‚auf die Straße treiben‘ könnten.“ (8.7.2022) Die herrschende Klasse wird sich dessen langsam bewusst und stellt sich die Frage, „was hält man aus“ (Ministerin Edtstadler).

Reagieren wird die Regierung aber nur unter Druck. Die österreichische Arbeiterbewegung wird spätestens mit den Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst Antworten auf diese Teuerungskrise liefern müssen, mit denen wir unseren Lebensstandard wirklich verteidigen können. Ein „weiter wie bisher“ ist unter diesen Bedingungen keine Lösung. Neben einer kämpferischen Lohnpolitik wird die Arbeiterbewegung dann auch nicht umhinkommen, mit der Vorstellung zu brechen, dass das Privateigentum an den Produktionsmitteln heilig sei.

(Funke Nr. 205/13.7.2022)


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