Die schwarz-grüne Regierung hält auch in der Teuerungskrise auf Biegen und Brechen zynisch an ihrem gescheiterten Ideal des „freien Marktes“ fest. So wundert es nicht, dass die SPÖ bei dieser sozialen Krise seit langem in den Umfragen wieder die Nr. 1 ist. Warum von der SPÖ aber nicht viel zu erwarten ist, analysiert Konstantin Korn.
Die Regierung setzt angesichts der massiven Teuerung weiterhin auf Einmalzahlungen (Klimabonus, Sonderfamilienbeihilfe…), weigert sich aber standhaft direkt in die Energiemärkte einzugreifen oder die Krisengewinner zur Finanzierung der kommenden sozialen Krise heranzuziehen. Zwar hatte der Kanzler noch im Mai in einem Anflug von Populismus kurz diese Maßnahmen ventiliert, dürfte aber dann von Kapitalseite schnell wieder in die Schranken gewiesen worden sein. Vielmehr bemüht sich die ÖVP nun, den Unternehmen auch in dieser Krise wieder das Geld in den Hintern zu schieben.
In der Zwischenzeit hat jeder von uns schon Benachrichtigungen bekommen, dass Strom und Heizen (egal ob Öl-, Gas- oder Fernwärmeheizung) horrend teurer werden. Für viele Familien ist die Situation schon jetzt existenzbedrohend, fast jeder muss den Gürtel enger schnallen. Die von Skandalen nur so geschüttelte ÖVP liegt daher völlig zurecht auf einem Tiefstand und wird sich davon auch nicht mehr so schnell erholen. Dass diese Regierung noch hält, ist rein das „Verdienst“ der Grünen, die weiterhin zum völligen politischen Ausverkauf bereit sind. Das beste Beispiel ist die Farce rund um die Inbetriebnahme des Fernheizkraftwerks Mellach, dessen neuerliche Umrüstung auf Kohle die Grünen fett subventionieren wollen.
Dieses völlige Regierungsversagen erklärt, warum die SPÖ plötzlich recht stabil in den Umfragen bei 30 Prozent auf Platz 1 liegt. Selbst dazu beigetragen hat sie nicht wirklich, denn von einer kantigen Oppositionspolitik ist weit und breit keine Spur. Aber angesichts der Versagerregierung legt sie trotzdem zu. Am Fußballplatz würde man von „Not gegen Elend“ sprechen, was sich derzeit in der Innenpolitik abspielt. Und die SPÖ sieht sich selbst wohl in erster Linie als Reservemannschaft, die endlich einlaufen soll, um die Kohlen aus dem Feuer zu holen und den Abstieg zu verhindern.
Rendi-Wagner & Co. haben ein Ziel: Zurück in die Regierung. Und die Chancen dazu stehen nach Jahren wieder gut. Die Teuerungskrise ist auf diesem Weg das entscheidende Qualifikationsspiel.
Wie will die SPÖ die Teuerung bekämpfen?
In der Sozialdemokratie werden vor allem zwei Forderungen immer wieder erhoben:
- Einführung eines Energiepreisdeckels bei Gas und Strom zur Entlastung der privaten Haushalte.
- Finanzierung dieser Maßnahme durch eine „Übergewinnsteuer“ auf Unternehmen, die ihre Preise erhöhen, ohne dass sie höhere Produktionskosten haben. So hat der Verbund seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 152% gesteigert, die OMV um 105%.
Diese Übergewinnsteuer ist quasi der Traum eines jeden moderaten Reformisten. Sie trifft, so die Argumentation des roten Thinktanks „Moment“, nur „böse“ Spekulationsgewinne und nicht jene „guten“ Profite, die aus klugen Investitionsentscheidungen stammen. Sie senkt nicht die künftigen Investitionen und kann auch nicht so leicht auf die Preise draufgeschlagen werden, und die Übergewinne sind von den Steuerbehörden leicht auszumachen. Eine „progressive“ SP-geführte Regierung bekommt also, ohne einen generellen Konflikt mit dem Kapital anzuzetteln, Geld in die Hand, mit dem sie „Politik für die Menschen“ machen kann.
Vorbild ist die spanische Regierung, die solch eine Politik bereits umsetzt. Spanien hat eine Obergrenze beim Gaspreis eingeführt und will so die Energiekosten der Haushalte senken. Die privaten Energieunternehmen geben die Kosten des Gasdeckels jedoch auf die privaten Haushalte in Form höherer Strompreise weiter. Der Versuch, Kapitalinteressen und die sozialen Interessen der Arbeiterklasse unter einen Hut zu bekommen, löst die Energiekrise keineswegs.
In Deutschland ist der SPD sogar eine Übergewinnsteuer noch zu viel. Die ehemalige Parteivorsitzende Nahles meinte, im System einer sozialen Marktwirtschaft habe man darauf keinen Zugriff. So eine Steuer wäre nur in China oder in Russland umsetzbar, nicht aber in einem „demokratischen System“ (lies: in einem kapitalistischen System!). Für Kanzler Scholz ist diese Maßnahme auch kein Thema. Seine Beliebtheitswerte rangieren mittlerweile auch auf dem Niveau von Karl Nehammer.
Frage des Programms
Das wirkliche Problem ist aber, dass das sozialdemokratische Programm das Problem nicht an der Wurzel packt, sondern nur ein Symptom bekämpft.
Die Gretchenfrage ist, ob man glaubt, der „freie Markt“ sei das höchste Gut, oder ob man die Wirtschaft in den Dienst der Menschen stellt und so umbaut, dass man die Ursachen der Inflation löst – und dabei auch der Klimakatastrophe gegensteuert, die in diesem Sommer besonders spürbar wurde. Denn auch in dieser Frage ist entscheidend, nach welchen Kriterien die Energiewirtschaft funktioniert.
Der Energiesektor ist von zentraler Bedeutung für jede Ökonomie. 1947 wurde dieser Bereich in Österreich dementsprechend auch verstaatlicht. Das ist eine Voraussetzung, um diese Betriebe so zu führen, dass die Haushalte und Betriebe mit leistbarer Energie versorgt und auf der Grundlage eines rationalen Plans klimafreundlich umgebaut werden können.
Der niederösterreichische SPÖ-Chef Schnabl hat eine Wiederverstaatlichung der OMV zur Diskussion gestellt. In die öffentliche Propaganda der SPÖ fand diese Idee aber keinen Einzug. Und das ist auch nicht zu erwarten, denn eins will die SPÖ-Spitze auf keinen Fall: Die Bürgerlichen verschrecken. „Regierungsfähigkeit“ zu beweisen, ist immer noch das höchste Gut für die respektablen Genossen in der Löwelstraße und im Parlamentsklub.
Gerade in Wien werden sich in den letzten Wochen angesichts der Preissteigerungen bei der Fernwärme oder bei Wienstrom aber viele Arbeiterfamilien gedacht haben, wo der Unterschied liegen soll, wenn im Kanzleramt die SPÖ sitzen würde. Die Wiener SPÖ verhält sich nicht anders als die Bundesregierung. Sie erhöht die Richtwertmieten, die Gebühren und verliert kein Wort über die Preispolitik ihrer ausgegliederten Stadtbetriebe. Am Dogma des „freien Marktes“, dem sie seit Mitte der 1990er Jahre (Stichwort Liberalisierung der Energiemärkte) das Wort redet, hält die Sozialdemokratie eisern fest.
Wann, wenn nicht jetzt, ist aber die Zeit, dass die Arbeiterbewegung mit der kapitalistischen Logik bricht und ein sozialistisches Programm vertritt.
Ein solches Programm beinhaltet folgende Maßnahmen:
- Für eine gewerkschaftlich-politische Offensive zur Durchsetzung einer monatlichen, automatischen Teuerungs-Anpassung der Löhne durch einen General-Kollektivvertrag für alle Branchen!
- Gesetzliche Preisobergrenzen für Grundnahrungsmittel, Mieten und Energie, kontrolliert von Delegierten der Gewerkschaften!
- Keinen Cent für Profit-Rettungsschirme für die Unternehmer, keinen Cent für die Aufrüstung, keine Kriegskredite!
- Für die Arbeiterkontrolle über die Energieverteilung. Für ein gänzlich öffentliches Energie-, Gesundheits- und Sozialsystem und einen demokratischen Plan für die Energiewende!
(Funke Nr. 206/30.8.2022)