Am 12. Oktober wurde das geplante Bundesbudget für das Jahr 2023 vorgestellt. Florian Keller analysiert.
Der neue Finanzminister Magnus Brunner von der ÖVP hatte sich für seine erste Budgetrede vor dem Hohen Haus mit schweren und schicksalsschwangeren Worten vorbereitet: Von der „Verantwortung für morgen“ sprach er, genauso wie davon, dass wir uns nicht aussuchen könnten, in welchen Zeiten wir leben würden, wohl aber, wie wir mit ihnen umgehen würden. Doch wenn man sich von dieser schlecht geklauten Fantasyroman-Ästhetik nicht beeindrucken lässt, kommt in den Zahlen und Fakten des Budgets schnell die triste Realität des österreichischen Kapitalismus zum Vorschein.
Dabei wirkt die Situation auf den ersten Blick stabil: Die Schulden steigen zwar absolut an, doch höhere Einnahmen bilden ein Gegengewicht zu den gestiegenen Ausgaben. Durch das dieses Jahr erwartete Wirtschaftswachstum von 4,8% und die Inflation soll der Schuldenstand des Staates insgesamt sogar von 78,3 auf 76,7% der jährlichen Wirtschaftsleistung sinken.
Doch der Teufel steckt im Detail – und vor allem in den düsteren Perspektiven. Das Budget spiegelt das wider, doch die Diskussion der Parlamentarier zum Budget ist eine Elfenbeinturmdiskussion, die mehr verschleiert als offenlegt. Daher werden wir in der Folge versuchen, die Debatte anhand der realen Entwicklungen nachzuzeichnen.
Der österreichische Kapitalismus schaut in den Abgrund
Die schon erwähnte Inflation erklimmt immer neue Höchstwerte und liegt mittlerweile bei über 10%. Der wackelige „Aufschwung“ nach dem tiefen Wirtschaftseinbruch von 2020 droht schon wieder zum Erliegen zu kommen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen derzeit für das Jahr 2023 noch mit 0,2-0,3% Wachstum bei einer weiter hohen Inflation.
Der Arbeiterklasse in Österreich droht dadurch ein soziales Kettensägenmassaker. Und statt höheren Löhnen hat das österreichische Kapital in dieser Situation nur eine weitere Intensivierung der Arbeit anzubieten. Unter Druck einer internationalen Wirtschaftskrise und mit den extremen Energiekosten in Europa hießen Lohnerhöhungen, dass viele Betriebe ihre Produktion herunterfahren würden. Schon jetzt ist etwa die besonders energieintensive Düngemittelproduktion in Europa schon fast stillgelegt.
Steigende Ausgaben
Doch steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne und immer höherer Arbeitsdruck sind ein fertiges Rezept für eine Explosion des Klassenkampfes. Um also den „sozialen Frieden“ zu bewahren (das heißt auf gut deutsch: eine möglichst reibungslose Ausbeutung der österreichischen Arbeiterklasse zu garantieren), springt der Staat ein, wo der Markt versagt. Die krassesten sozialen Härten sollen gerade so weit abgefedert werden, dass die immer weiter steigende Wut keinen verallgemeinerten Ausdruck im Klassenkampf findet – etwa durch die Abschaffung der kalten Progression.
Brunner formulierte das in seiner Budgetrede so: Die Teuerung sei im Mittelstand angekommen, man würde die Menschen nicht im Stich lassen. Der ÖVP-Klubobmann Wöginger kann in seinem Debattenbeitrag sogar so weit gehen, dass er vorrechnet, der beschlossene Strompreisdeckel sei eine größere Entlastung als der, den der ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian ursprünglich gefordert habe.
Gleichzeitig schreit auch das Bürgertum weiter nach Unterstützungsleistungen, wie etwa mit der Forderung der Industriellenvereinigung nach Milliardenhilfen wegen den hohen Energiepreisen – schon jetzt ist 1 Mrd. € eingeplant. Das Ergebnis all dessen ist, dass die Staatsschuldenquote weiter hoch bleibt und immer noch 7% höher stehen wird als 2019 – VOR dem erwarteten Einbruch des Wachstums nächstes Jahr.
Inflation gegen Staatsschulden?
So bleibt für ein „weiter so“ im Budget nur die vage Hoffnung, dass die Probleme in der Zukunft wie von alleine verschwinden sollen – etwa, dass die hohen Staatsschulden als Nebeneffekt der Inflation einfach aufgefressen werden. Doch das ist vollkommen unrealistisch. Einerseits steigen die meisten Ausgabenposten mit den Staatsschulden, wenn nirgends eingespart werden soll. Aber auch das Finanzkapital selbst sorgt dafür, dass seine Profite weiter sprudeln und nicht einfach durch die Inflation „aufgefressen“ werden.
Kurz gesagt: Solange die Leitzinsen niedrig gehalten wurden, haben die großen Banken die Staatskredite einfach mit (noch billigerem) Zentralbankgeld finanziert. Doch eine Weiterführung dieser Politik würde die Inflation weiter extrem anheizen, was die gesamte Wirtschaft in den Abgrund ziehen würde. Werden die Leitzinsen aber erhöht, um der Inflation Herr zu werden (und es wurde schon damit begonnen), dann holt sich das Finanzkapital seine Profite eben durch die Weitergabe der höheren Zinsen. Schon im kommenden Jahr sollen sich die Zinszahlungen für Staatsschulden auf 9 Mrd. € fast verdoppeln – das sind immerhin fast 8% der gesamten Budgetausgaben, die so in den Rachen des Finanzkapitals wandern. Und solange die großen Banken und Konzerne in den Händen von Privateigentümern bleiben wird sich das auch nicht ändern – im Gegenteil!
Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft
Letztendlich wird sich also so sicher wie das Amen in der Kirche die Frage stellen: Wer muss zahlen für die Krise, die Arbeiterklasse oder das Kapital? Das jetzige Budget häuft nur die vorhandenen Widersprüche weiter auf. Davor warnen auch die „radikaleren“ Bürgerlichen: Sie vertreten die Position, dass kein Weg an harten Sparpaketen für die Arbeiterklasse vorbeiführen wird, dass die Zeiten des „Gießkannenprinzips“ der Förderungen vorbei sein muss und dass Sozialleistungen „zielgerichteter“ (das heißt: gekürzt!) eingesetzt werden müssen. Beate Meinl-Reisinger von den NEOS brachte diese Position in der Budgetdebatte mit der Aussage auf den Punkt, dass die Regierung die „Probleme in die Zukunft“ verschieben würde.
Nebenbei bemerkt betonte auch der FPÖ-Abgeordnete Fuchs in seiner Rede, dass das Budget „unverantwortlich“ sei und die Maastrichtkriterien nicht einhielte. So viel zum realen Inhalt der „sozialen Heimatpartei“!
Die SPÖ und die Gewerkschaften hätten eigentlich die Aufgabe, den notwendigen Klassenkampf auf Seiten der Arbeiterklasse zu führen. Doch anstatt die Budgetdebatte als Ausgangspunkt für einen Generalangriff auf die Kapitalinteressen zu verwenden, passiert das genaue Gegenteil: Die SPÖ orientiert auf eine Koalition mit den Bürgerlichen und will sich als „verantwortungsvollere“ Alternative für das Kapital präsentieren.
So intervenierte Finanzsprecher Jan Krainer in der Budgetdebatte, indem er festhielt: Hätte die Regierung auf die SPÖ gehört und schneller reagiert, wären viel geringere Ausgaben nötig gewesen. Die ganze Orientierung der Sozialdemokratie lässt sich in seiner Aussage zusammenfassen: „Je früher die Bundesregierung abdankt und jemand anderes sich um das Budget kümmert, desto besser für Österreich“.
Das ist unter Bedingungen der sich immer weiter zuspitzenden kapitalistischen Krise ein Weg in den Abgrund. Unter diesen Bedingungen kann eine zukünftige SPÖ-geführte Regierung nur eine Regierung des Generalangriffs auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse sein. Auf der Wunschliste des österreichischen Kapitals ganz oben steht hier insbesondere ein Angriff auf die Pensionen. Statt solchen Bankrotteuren braucht die Arbeiterklasse endlich eine Führung, die den Klassenkampf von oben mit einem entschlossenen Klassenkampf von unten beantwortet!
(Funke Nr. 208/25.10.2022)