Der Kapitalismus steckt in einer tiefen Krise, die Bürgerlichen haben keine Antworten anzubieten, und ihre wichtigste Partei, die ÖVP, ist von Skandalen geschüttelt. Und was macht die SPÖ angesichts dieses aufgelegten Elfmeters?, fragt Konstantin Korn.
Sie ist unfähig den Ball ins Tor zu schießen. Alle wissen, dass die Kapitänin nicht kicken kann und den Ball nicht treffen würde. Aber bislang hat auch niemand aufgezeigt, der statt ihr die Verantwortung auf sich nehmen würde. Manchmal flüstert einer aus der zweiten Reihe hinter vorgehaltener Hand einem Reporter zu, dass es der Burgenländer Hans-Peter Doskozil viel besser könne. Im Team ist so viel Unruhe, dass sich in der Zwischenzeit der kleine Herbert Kickl den Ball schnappt und dem Kanzler Karli im Tor des schwarzen Regierungsteams ordentlich einheizt.
Auf den Zuschauerrängen sind längst alle der Meinung, dass man das rote Team vergessen kann, weil die haben sich doch schon in der Vergangenheit nie getraut, den Schwarzen ein Tor zu machen, aus Angst, dann nicht mehr mitspielen zu dürfen.
Staatspartei
Kurzum: In der tiefsten Krise des österreichischen Kapitalismus seit Jahrzehnten ist die Sozialdemokratie wie gelähmt. Obwohl sie in der Opposition ist, kann sie von der Schwäche der Regierungsparteien nicht profitieren. Bei den Landtagswahlen in diesem Jahr hat sie erdrutschartige Verluste hinnehmen müssen. Konnte man sich in NÖ noch damit trösten, dass der regionale Spitzenkandidat halt kein Wählermagnet war, zeigte sich in Kärnten, dass selbst ein recht beliebter Landeshauptmann Kaiser den Absturz nicht verhindern kann. Es ist offensichtlich, dass diese Wahlniederlagen genauso wie das Tief in den Meinungsumfragen auf Bundesebene das Resultat einer völlig falschen politischen Ausrichtung der Führung der SPÖ ist. Rendi-Wagner, hinter der mit der SPÖ Wien und der Gewerkschaftsfraktion bislang die beiden wichtigsten Machtblöcke in der Sozialdemokratie stehen, glaubte angesichts der Todeskrise der ÖVP ohne viel Zutun bei der nächsten Nationalratswahl ins Bundeskanzleramt einziehen zu können. In der Zwischenzeit zeigte sie sich bei jeder Gelegenheit staatstragend und putzte bei Großkonzernen und der Industriellenvereinigung die Klinken, um Zustimmung für ihre Politik zu bekommen.
Ihre Hintermänner im Wiener Rathaus und der ÖGB-Zentrale sehnen sich nach nichts mehr, als wieder Zutritt zu den Machtzentralen zu bekommen. Bei allen Krisenerscheinungen wollte man Ruhe bewahren und abwarten. Doch spätestens nach der Kärnten-Wahl gab es für alle ein herbes Erwachen. Mittlerweile ist klar, dass Rendi-Wagner auf Dauer nicht zu halten sein wird. Die bürgerlichen Medien von „Österreich“ bis ORF stochern genüsslich in den Wunden der SPÖ, die sich mittlerweile selbstzerfleischt.
Demokratisierung
Kann es aus dieser chaotischen Situation einen Ausweg geben? Der Konflikt lässt sich nicht mehr wegreden, wie dies die „Liesinger Partie“ seit Monaten versucht hat. Somit bleibt nur noch die Idee einer Entscheidungsschlacht, eines offenen Duells – und zwar möglichst rasch. Ein Ende mit Schrecken, statt Schrecken ohne Ende, lautet die Devise. Hinter der Forderung der Sozialistischen Jugend nach einem Sonderparteitag und einer Direktwahl des Parteivorsitzes steckt genau diese Überlegung. Zumindest ersteres wird mittlerweile auch von der Führung in Erwägung gezogen.
Als MarxistInnen unterstützen wir die Demokratisierung der Organisationen der Arbeiterbewegung. Corbyn in Großbritannien und jüngst Elly Schlein in der italienischen PD haben gezeigt, dass die Einbindung von Mitgliedern und SympathisantInnen in die Wahl der Parteispitze selbst in Parteien im absoluten Siechstadium (wie die Labour Party oder nun die PD, die genau genommen gar keine klassische sozialdemokratische Partei mehr ist) für linke Kräfte Spielräume eröffnen kann. Wir können davon ausgehen, dass der SPÖ-Parteiapparat keine allzu gewagten Experimente wagen wird, um die Kontrolle über die Partei zu bewahren.
Versäumnisse der Linken
Aber was noch viel schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass die Linken in der SPÖ seit über einem Jahrzehnt sich weigern, ein alternatives politisches Konzept zur Parteiführung zu formulieren und sich mit kleinen fortschrittlichen Projekten auf ihren eigenen Politspielwiesen begnügen. Die offene Konfrontation mit der Parteiführung scheuen sie alle, weil sie Angst haben um ihre Stellung und ihre materiellen Interessen. Es ist kein Zufall, dass man seit der Kärnten-Wahl von Leuten wie Julia Herr, Andreas Babler & Co. keine Stellungnahme gehört hat.
Die SJ ging zwar mit der Forderung nach einem Sonderparteitag und Direktwahl an die Öffentlichkeit. Aber wenn man bei ihrem Aufruf von einigen kapitalismuskritischen Worthülsen absieht, zeigt sie selbst keine Alternative auf – weder programmatisch noch personell. Ein Sonderparteitag oder eine Direktwahl löst noch keines der Probleme der Arbeiterbewegung. Unter den jetzigen Umständen wäre es ein Duell zwischen Rendi-Wagner und Doskozil (oder einem dritten Kandidaten, der für die Parteibürokratie stehen würde). Egal wer sich in diesem Duell zwischen Not und Elend durchsetzen würde, es ist ausgeschlossen, dass die SPÖ so „vom System zur Alternative“ wird, wie dies die SJ gerne hätte.
Die Arbeiterklasse und die Jugend braucht angesichts der multiplen Krisen des Kapitalismus eine Partei, die konsequent in Opposition zur Regierung und zum Kapital steht, die den Klassenkampf organisiert, die die Kämpfe gegen Klimakatastrophe, Frauenunterdrückung, Rassismus usw. mit einer revolutionären Klassenkampfperspektive verbindet und führt.
Nach Jahrzehnten als staatstragende Partei kann die SPÖ das nicht. Es gibt in dieser Partei keine Kräfte, die sich dieser Aufgabe stellen und eine dementsprechende Strategie entwickeln. Selbst die SJ definiert das Ziel der SPÖ in der Wiedererlangung von „Glaubwürdigkeit“, um „Mehrheiten jenseits von Schwarz-Blau herzustellen“. Ihre politische Perspektive bleibt somit eine rein parlamentarische Orientierung auf SPÖ-Regierungsbeteiligung (‚alles außer Schwarz-Blau‘) – also eine direkte Zusammenarbeit mit den Bürgerlichen. Indes steckt die parlamentarische Demokratie angesichts der Krise des Kapitalismus selbst in einer schweren Krise. Selbst wenn es gelingen würde, auf diesem Weg in die Regierung zu kommen, würde diese Sozialdemokratie sofort vor dem Druck des Kapitals in die Knie gehen.
Die Krise der Sozialdemokratie wird daher weitergehen, unabhängig davon, wer an der Spitze dieser Partei steht.