Die österreichischen Kapitalisten wollen staatliche Milliarden-Subventionen und dass die Regierung für sie den „Fachkräftemangel“ löst. Die Regierung will liefern – doch fürchtet, damit politische Instabilität und soziale Explosionen zu provozieren, schreibt Yola Kipcak.

Die österreichischen Kapitalisten befinden sich in einem globalen Wettstreit um Märkte und Profite. Deutschland und die USA kündigten bereits massive staatliche Gelder für die Wirtschaft an, damit „ihre“ Kapitalisten die Nase vorn behalten: In Deutschland der „Doppel-Wumms“ mit 200 Mrd. €, in den USA der „Inflation Reduction Act“ mit 500 Mrd. $.

In diesem Kontext werfen auch die österreichischen Kapitalisten ihre Propagandamaschine an. „Es geht um die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie,“ warnt der Chef der Industriellenvereinigung, einer Interessensvertretung österreichischer Großkapitalisten . „Was die österreichische und europäische Industrie jetzt braucht, ist ein nationales Instrument, das in seiner Wirkung gleichwertig mit dem deutschen Energiepreisdeckel ist. “

Die Message ist deutlich: Der Staat soll Geld für Unternehmen lockermachen, damit die Kapitalisten weiter Profite scheffeln können.

Gleichzeitig sehen sich die Unternehmen mit einem weiteren Problem konfrontiert: Es wollen sich nicht genug Arbeiter für die schlechten Bedingungen und Löhne ausbeuten lassen. Laut Schätzungen sind derzeit über 250.000 Stellen in Österreich unbesetzt, gegenüber etwa 320.000 Jobsuchenden, und im letzten Dezember gab es 8.262 offene Lehrstellen, aber nur 7.218 Lehrstellensuchende. Laut einer McKinsey-Studie vom September 2022 denkt ein Viertel aller Lohnabhängigen in Österreich ans Kündigen. In der Pflege haben ganze Dreiviertel die Absicht, den Beruf zu verlassen.

Das Kapital verlangt von der Regierung also nach einer Mobilmachung der „industriellen Reservearmee“, wie Marx den Pool an Arbeitslosen nannte, um die Löhne der konkurrierenden Arbeiter niedrig zu halten und flexibel auf sie zugreifen können. Dabei haben sie vor allem Teilzeitarbeitende (mehrheitlich Frauen), Pensionisten (die länger und auch in der Pension noch arbeiten sollen) und „qualifizierte Migration“ im Blick.

In der tiefen Krise lautet das Programm des Kapitals also: Krisenkosten auf die Massen abwälzen und Ausbeutung der Arbeiterklasse erhöhen. Die Angriffe von oben kommen ins Rollen.

Die Regierung versucht zu liefern …

Die Wunschliste des Kapitals politisch umzusetzen ist für die krisengebeutelte Regierung allerdings leichter gesagt als getan: Die Staatsfinanzen und soziale Unruhen bereiten ihnen Sorgen.

Um die Regierung neben anhaltenden Korruptionsskandalen am Leben zu erhalten, schüttete Schwarz-Grün in der Covid-Pandemie 47 Mrd. € an staatlichen Wirtschaftsförderungen aus. Diese waren so exzessiv, dass inzwischen selbst die EU-Kommission der österreichischen Regierung aufgrund unangemessener Überförderung von Unternehmen auf die Pelle rückt, da dies „marktverzerrend“ ist. So gibt auch Christoph Badelt, Präsident des österreichischen Fiskalrats (quasi der Budgetwächter der Staatsfinanzen) zu: „Kurzfristig hätten wir wirklich schon sehr viel gespart, wenn wir nicht zum Teil das Geld zum Fenster hinausgeschmissen [hätten]. Und das darf einfach nicht wieder vorkommen.“ Und: „Wir müssen jetzt wieder an die Stabilität der Staatsfinanzen denken.“

Klar ist jedoch aus Sicht der Bürgerlichen, dass diese Finanzstabilität nicht durch Eingriffe bei den Unternehmen geholt werden darf – im Gegenteil, diese sollen schließlich weiter subventioniert werden – sondern bei den Massen. Dafür steht insbesondere eine (Konter)reform bei den Pensionen ganz oben auf ihrer Liste.

Darüber hinaus will die bürgerliche Regierung aber auch das „Fachkräfteproblem“ für die Kapitalisten „lösen“. In etlichen Pressemeldungen der letzten Wochen erklären sie deshalb der Arbeiterklasse, dass ihr „Wohlstandsverlust“ ein notwendiges Übel ist, dass sie sogar noch mehr und intensiver arbeiten soll. Es häufen sich die Artikel und Meldungen von allerlei „Experten“, Journalisten und Politikern, in denen konservativen Hausfrauen, faulen Jungen und unsolidarischen Alten, die einfach nicht lang genug arbeiten wollen, ins Gewissen geredet wird.

AMS-Chef Johannes Kopf fordert, dass geringfügig Angestellte ebenfalls Sozialversicherung und Steuern zahlen sollen und will den geringfügigen Zuverdienst für Sozialhilfeempfänger verbieten. Höhere bürokratische Hürden bei Anträgen für Sozialhilfeleistungen sind ebenso im Gespräch. Und Arbeitsminister Kocher wagte den Vorstoß, Teilzeitangestellten die Sozialleistungen kürzen zu wollen – musste aber angesichts der starken öffentlichen Gegenreaktion vorerst zurückrudern.

…fürchtet aber politische Instabilität und soziale Unruhen

Denn zum Unglück für die Kapitalisten sind reale Menschen keine willenlosen Arbeitsmaschinen, und so weiß auch Badelt: „Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation [hat] eine wirklich potenziell gefährliche gesellschaftspolitische Seite.“ „Dieses Thema wird sich wahrscheinlich noch verschärfen, je knapper das Budget wird. (…) Ich denke hier einerseits an die Pensionen, aber auch an die Pflege und letztlich auch an das Gesundheitswesen.“

Wenn Milliardenförderungen an die Wirtschaft fließen, aber gleichzeitig die Lebensgrundlage der Massen völlig ausgehöhlt wird, kann das zu sozialen Explosionen und unberechenbaren Wahlergebnissen führen. „Was wir wirklich brauchen würden, wäre ein Zusammenschluss der konstruktiven Kräfte, denen es nicht nur um kurzfristige populistische Effekte geht“, erklärt er.

Mit anderen Worten will die Bourgeoisie eine stabile Regierung. Um unbeliebte Angriffe auf die Massen durchzusetzen, denken immer mehr Bürgerliche offen über eine künftige SPÖ-Regierungsbeteiligung nach. Die SPÖ soll ihre dominante Position in der Arbeiterbewegung dafür nutzen, potenziellen Widerstand und Streiks in sichere Bahnen zu lenken. Die Verlässlichkeit der SPÖ im Sinne der Kapitalisten wird schon jetzt scharf beobachtet und getestet. Nicht umsonst warnt der Fiskalchef vor „populistischen Bewegungen, egal in welcher Partei die sitzen.“ Dies ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an die SPÖ, etwaige ‚Unruhestifter‘ in der eigenen Partei, die womöglich reale soziale Forderungen aufstellen könnten, ruhig zu halten.

Dafür streut er aber einige hilfreiche Hinweise, welche Themen sich für sozialdemokratische Wahlwerbung eignen, ohne den Profiten zu sehr auf den kleinen Zeh zu steigen: Über Vermögenszuwachssteuer könne man diskutieren. (Freilich zeigt jede geschichtliche Erfahrung hiermit, dass die Bürgerlichen sie entweder wissen werden zu verhindern, oder aber ihren ganzen Reichtum rechtzeitig mit allen Mitteln in Sicherheit bringen werden.) Auch über die Mietpreisbremse darf man „nachdenken“, und mehr Kinderbetreuungsplätze geben der Politik für die Unternehmer einen sozialen Anstrich.

Doch egal, wie schlau oder plump die politischen Vertreter der Kapitalisten versuchen werden, die Arbeiterklasse ruhig zu halten: Die objektiven Widersprüche ihres maroden Wirtschaftssystems lassen sich nicht sozialpartnerschaftlich wegwischen. In der tiefen Systemkrise wird die Bourgeoisie die Arbeiterklasse angreifen – und sie werden den Klassenkampf ernten.

Das größte Hindernis für die Arbeiterinnen und Arbeiter, diese Kämpfe zu gewinnen, ist allerdings ihre eigene Führung. Die bürgerliche Politik der SPÖ und der Gewerkschaftsführungen, die sich der Logik des Kapitals völlig unterordnen, muss durchbrochen werden. Das sozialistische Programm in der Arbeiter- und Jugendbewegung muss gestärkt werden: Für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, für eine gänzlich öffentliche, ausfinanzierte Daseinsfürsorge, und für eine Enteignung aller Großunternehmen und -banken – statt ein kaputtes Profitsystem zu subventionieren, brauchen wir eine demokratisch geplante Wirtschaft, die auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist.

(Funke Nr. 212/21.3.2023)


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