Ein Kommentar zum Kampf in der SPÖ um den Parteivorsitz von Florian Keller, ehem. Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Vorarlberg.

Die Sozialdemokratie ist die traditionell wichtigste Organisation der Arbeiterklasse in Österreich. Sie hat tiefe Wurzeln in der Gesellschaft, kontrolliert die Gewerkschaften, die Betriebsratsbewegung und Teile des Staatsapparates. Das zentrale Problem der Arbeiterklasse in Österreich ist, dass die SPÖ sich seit Jahrzehnten in einer Zwangsehe mit dem Kapital befindet. Diese wird immer gewalttätiger, je weiter die Krise des Kapitalismus sich zuspitzt. Rendi-Wagner und Doskozil repräsentieren dabei verschiedene Strategien zur Fortführung der Zwangsehe, um die SPÖ auf Bundes- und Landesebene an die Futtertröge der Macht zurückzubringen und zu halten.

Unter der Führung von Rendi-Wagner hat sich die Opposition zur schwarz-grünen Regierung so insgesamt darauf beschränkt, die „staatstragendere“ und „vernünftigere“ Option zu sein, während sie ihr in tiefen Krisenmomenten zur Seite sprang – etwa indem sie in der Corona-Krise den Milliardengeschenken an das Kapital und den Lohnverlusten für die Arbeiter in der Kurzarbeit zustimmte.

Doskozil repräsentiert bei aller rhetorischen Kritik die gleiche Politik: Er begann seine politische Karriere als Verteidigungsminister in der Großen Koalition mit der ÖVP, um dann in die Landespolitik zu wechseln, wo er Landeshauptmann einer SPÖ-FPÖ Koalitionsregierung wurde. 2019 kritisierte er die Bundesparteispitze dafür, dass sie eine Koalition mit der Kurz-ÖVP ausgeschlossen hatte. Indem er der Antiflüchtlingsrhetorik und dem Rassismus Zugeständnisse macht, stärkt er zudem ein zentrales Spaltungsinstrument der Bürgerlichen.

Mit der Politik, die Rendi-Wagner und Doskozil repräsentieren, ist daher ein klarer politischer Bruch nötig. Das muss offen gesagt werden, anstatt rhetorisch die Linien zu verwischen: Sie stehen für die Fortführung einer Zwangsehe mit dem Kapital, deswegen lehnen wir ihre Politik und ihren Parteivorsitz ab.

Hier eine Versöhnung zu suchen und Zugeständnisse zu machen ist umso gefährlicher, weil das die Position der Linken selbst schwächt: Wenn etwa Andi Babler eine Koalition mit ÖVP oder FPÖ ablehnt, aber dem die Möglichkeit einer Koalition mit den NEOS und den Grünen entgegensetzt, verwischt das nur die reaktionäre Rolle der liberalen Geschmacksrichtung der bürgerlichen Politik und schafft Illusionen, dass die Zwangsehe mit dem Kapital mithilfe der „netteren“ Bürgerlichen vielleicht doch noch zu retten sei. Doch wir wissen: In einer gewalttätigen Beziehung ist der einzige richtige Schritt eine schnelle Trennung.

Für eine reinliche Scheidung

Die Linke muss daher dafür stehen, dass die dringend notwendige Scheidung mit den Bürgerlichen innerhalb und außerhalb der Partei möglichst schnell und klar vollzogen wird. Entweder man steht auf der Seite der Arbeiterklasse gegen das Kapital, oder auf der Seite des Kapitals gegen die Arbeiterklasse – eine Mittelposition ist unmöglich.

Die marxistisch geführte Sozialistische Jugend Vorarlberg hat einen Tag, nachdem Andi Babler seine Kandidatur zum Parteivorsitz bekannt gab, diese öffentlich unterstützt. Zwei Wochen später zog die SJ auch bundesweit nach. Seitdem folgten nicht nur weitere Gliederungen und Vorfeldorganisationen der SPÖ (etwa der VSStÖ), sondern auch prominente VertreterInnen der Parteilinken, wie etwa die Nationalratsabgeordnete Julia Herr.

Doch diese Unterstützung wird politisch oft äußerst halbherzig argumentiert. So erklärte etwa Paul Stich, der Verbandsvorsitzende der SJÖ, in einem Interview bei Puls 24: „das ist keine Entscheidung gegen Pamela Rendi-Wagner oder gegen Hans-Peter Doskozil, das möchte ich noch dazu sagen, sondern es ist schlicht und ergreifend eine offene Debatte und eine offene Frage, wem man am ehesten zutraut einerseits inhaltliche klare Kante zu zeigen und innerhalb der Partei Aufbruchsstimmung zu erzeugen“.

Auch auf Nachfrage, ob nicht Doskozil, der weiter in der Mitte positioniert sei und mit „klarer Kante“ bei Migrationsthemen eher dafür sorgen könne, dass die SPÖ „groß“ werde, wollte Stich sich nicht festlegen:

„Genauso wie die UnterstützerInnen von Hans Peter Doskozil gute Argumente haben, glaube ich, dass die UnterstützerInnen von Andreas Babler gute Argumente auf ihrer Seite haben, am Ende des Tages geht es auch darum, geeint als Partei diese Mehrheiten herzustellen, unabhängig davon wer jetzt die Person ist, die bei dieser Mitgliederbefragung an erster Stelle landet und vom Parteitag im besten Fall auch gewählt wird“.

In die gleiche Kerbe schlug Julia Herr in ihrem Unterstützungsstatement:

„Ich kenne alle 3 KandidatInnen und schätze sie nicht nur persönlich, sondern auch für ihre politische Arbeit, die Anerkennung verdient. […] Die Streitigkeiten der letzten Monate und Jahre müssen enden - es müssen wieder unsere Inhalte auf der Tagesordnung stehen! Ich werde Andi wählen, weil er glaubwürdig verspricht, die unterschiedlichsten VertreterInnen der Sozialdemokratie zu vereinen.“

Diese Herangehensweise der GenossInnen ist grundfalsch. Man muss offen sagen, dass ein Bruch mit den Bürgerlichen und ihren StellvertreterInnen in der Arbeiterklasse dringend nötig ist. Es gilt, Andi Babler gegen alle Widerstände des zentralen Parteiapparates zum Vorsitzenden der SPÖ zu machen.

(Funke Nr. 213/24.4.2023)


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