Die Mitgliederbefragung der SPÖ erbrachte eine krachende Niederlage für die bisherige Parteiführung und die bisherigen Machtzentren der Partei. Jetzt den Kampf für einen sozialistischen Neustart intensivieren!
Vier ehemalige Parteivorsitzende, die sozialpartnerschaftlich orientierten Spitzen der Gewerkschaft und der Wiener Bürgermeister stellten sich vehement hinter Rendi-Wagner, aber die Mitglieder folgten dieser Linie nicht. Die Politik der Nicht-Opposition zur bürgerlichen Regierung im Inland und der Vasallentreue zur EU (und damit zur USA) als Teil des westlichen Imperialismus wurde abgestraft. Politikwissenschaftliche „Analysen“, die die Krise der SPÖ auf eine Krise der „Führungspersönlichkeit, Querschüsse und Mangel an Einigkeit“ reduzieren wollen, sind viel zu oberflächlich, als dass sie einen Lösungsansatz für die tiefe Krise der SPÖ bieten könnten.
Die Arbeiterklasse ist die stärkste aller Klassen und sie braucht eine Partei, die ihre Interessen kompromisslos formuliert und den Kampf um deren Durchsetzung organisiert und anführt. Die SPÖ ist aufgrund ihrer Geschichte und ihrer organischen Verbindungen mit der Arbeiterklasse die größte Arbeiterpartei in Österreich. Die Führung und der kleinbürgerliche Apparat der Partei aber stehen für die Stabilität des Kapitalismus und des bürgerlichen Staates, und dieser Widerspruch führt zu einer permanenten Krisenschleife. Die aktuelle Krise, die sich nicht zuletzt in einer tiefen Spaltung der Parteiführung ausdrückt, ist eine Chance, die sozialen Interessen der Arbeiterklasse vorwärts zu bringen.
Für die Führung der KPÖ Wien ist das ein Buch mit sieben Siegeln. In einer ungenießbaren Mischung aus politischer Ignoranz und Sektierertum spricht sie von einem Sieg Doskozils, bezeichnet den Klassenkampf innerhalb der SPÖ als „Quälen der österreichischen Bevölkerung“ (!?) und ruft linke SPÖler nun auf, ihr beizutreten. Löst dies etwa irgendein Problem Problem der Arbeiterklasse, oder vielmehr nur die Probleme der KPÖ-Wien-Führung? Demgegenüber stehen wir weiter für einen Kampf, um Babler zum Vorsitzenden der SPÖ zu machen, und für einen offensiven Kampf der gesamten Arbeiterbewegung (SPÖ und KPÖ) gegen die Bürgerlichen. In der gemeinsamen Praxis kann sich am besten zeigen, wer die besseren Ideen im Klassenkampf hat.
Eine Verliererin – zwei potentielle Sieger
In ihrem Abschiedsstatement gab die scheidende Parteivorsitzende Rendi-Wagner den Kurs vor, dass es nun darum gehe, die Einigkeit und die Geschlossenheit der SPÖ wiederherzustellen. Dies ist die Grundvoraussetzung, um wieder regierungsfähig zu werden. Damit erweist sich Rendi-Wagner bis zuletzt als getreue Dienerin der Industriellenvereinigung, die hinter den Kulissen hektisch an einer harmlosen, politischen Alternative zur kaputten amtierenden bürgerlichen Regierung arbeitet. Die Weiterführung dieses Weges, der nur den Kapitalisten und ihren Vertretern in der Arbeiterbewegung hilft, gilt es zu blockieren.
Die Anhänger von Landeshauptmann Doskozil und dieser selbst bestehen darauf, dass er gewonnen habe und dies demokratiepolitisch zu akzeptieren sei. Doskozil fordert jetzt die Hintanstellung von „Befindlichkeiten“, „Einheit“ und verspricht dabei, dass er die Breite der Partei in seinem Team abbilden werde. Offene Unterstützung erfährt er dabei von der Mehrheit der regionalen Parteiapparate (neben dem Burgenland auch Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Salzburg).
Andi Babler hielt dem entgegen, dass kein klares Ergebnis vorliegt und die Einheit der Partei nur über eine Stichwahl der Basis hergestellt werden kann. Als „Teil einer Mehrheitsfraktion“, also der Mehrheit der Stimmen gegen Doskozil, sieht er sich dabei nicht. Dies ist ein guter Ansatz.
Wer sich im Vorfeld der Gremien nicht öffentlich geäußert hat, das waren die grauen Eminenzen der SPÖ Wien und der Gewerkschaftsspitze. Diese versuchen sich als Königsmacher und arbeiten daran, ihre politischen Interessen, die bisher von Rendi-Wagner wahrgenommen wurden, in der neugeschaffenen Situation im Hintergrund und durch „Überraschungen“ (Bundesgeschäftsführer Deutsch) durchzusetzen. Im Parteipräsidium am 23.5. fanden die drei Lager der Partei keinen Kompromiss, im Parteivorstand setzte sich Doskozils Lager mit der Ablehnung einer Mitglieder-Stichwahl und Abhaltung des Parteitages am 3. Juni mit 25:22 Stimmen knapp durch. Der Parteiapparat wird bis zuletzt manövrieren.
Basisbewegung durchstarten!
Eine tiefe Krise erfordert eine radikale Kur. Hinter den Kulissen, durch Abtausch von Interessen und Neubesetzung von Posten, kann die Krise nicht überwunden werden. Den lächerlichen Ruf des Doskozil-Intriganten Max Lercher nach Geschlossenheit und Unterordnung unter Doskozil lehnen wir ab. Genauso muss den Versuchen des Wiener Bürgermeisters, eine Politik der Klassenzusammenarbeit mit den Bürgerlichen jetzt im Babler-Lager zu verankern, ein fester Riegel vorgeschoben werden. Andi Babler wird dem vollen Druck des ganzen Parteiapparats ausgesetzt sein. Dahinter steckt das Interesse des Kapitals, die SPÖ als ihr politisches Reserveteam zu halten. Es gilt Andi Babler den Rücken zu stärken, um diesem Druck nicht nachzugeben. Die Arbeiterbewegung braucht das Gegenteil von faulen Kompromissen: das offene Benennen und die Überwindung der Probleme, die die Krise der Partei bedingen.
Die objektive Rolle der Sozialdemokratie für die Entwicklung des Klassenkampfes in Österreich – insbesondere ihre Dominanz in den Gewerkschaften – verlangt, dass MarxistInnen diese Partei nicht ignorieren oder ihrem Schicksal überlassen, sondern für einen sozialistischen Kurswechsel in der Arbeiterbewegung aktiv kämpfen müssen. Die hohe Teilnahme an der Mitgliederbefragung und v.a. der Neubeitritt von 10.000 Mitgliedern zeigen, dass Vielen der Kurs der traditionsreichen und größten Arbeiterpartei des Landes nicht egal ist. Die Basistour von Andi Babler versammelte Tausende, sein Ruf nach einer demokratischen Partei der Vielen löst Enthusiasmus und Zuversicht aus. Daran gilt es nun anzusetzen. Die Begeisterung muss sich in ein Projekt der aktiven Gestaltung neuer Verhältnisse in der Arbeiterbewegung wandeln – egal was der Parteiapparat dazu sagt.
Die von Babler zu Beginn der Mitgliederbefragung angekündigte Fortsetzung der Basistour und das Zusammenführen dieser Kampagne in eine Programmdebatte und einen demokratischen Parteitag im Herbst bieten den geeigneten Rahmen für eine breite Meinungsbildung über das notwendige Programm, das Profil der Partei und ihrer Ausrichtung.
Wir vertreten folgende Ansätze:
- Für die Demokratisierung der Arbeiterbewegung:
- Neuwahl der Delegierten zum kommenden Parteitag
- Basiswahl der Listen zu den kommenden Nationalratswahlen
- Facharbeiterlohn für alle SPÖ-Mandatare und Angestellten
- Für einen sozialistischen Kurswechsel:
- Für eine breite politisch-betriebliche Kampagne zur Durchsetzung einer automatischen Anpassung der Löhne und Sozialleistungen an die Inflation
- Für eine gewerkschaftlich-politische Kampagne zur Popularisierung und Durchsetzung der Arbeitszeitverkürzung auf 32-Stunden bei vollem Personal- und Lohnausgleich
- Für die Enteignung und Zusammenlegung aller Banken mit der Nationalbank und die Übernahme der Entscheidungsbefugnis durch Delegierte der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen
- Auf die Kraft der Arbeiterklasse bauen:
- Keine Zusammenarbeit mit den Bürgerlichen von ÖVP und FPÖ. Keine Illusion in den progressiven Charakter einer sogenannten „Fortschrittskoalition“ mit Grünen und Neos. Für eine kämpferische Einheitsfront von SPÖ und KPÖ.
Funke-Redaktion (23.5.2023)