Zwei Monate vor dem Volksstimmefest 2021 entdecken die Behörden Sprengstoff und Anschlagspläne auf das Volksstimmefest. Die Öffentlichkeit, geschweige denn die Veranstalter, werden erst 2023 beiläufig informiert. Willy Hämmerle fasst zusammen.
Juli 2021. Bei einer Hausdurchsuchung beim (vermeintlichen Online-)Neonazi Rudolf P. werden zufällig Waffen, Munition, Sprengstoff, „Feindeslisten“ und konkrete Anschlagspläne auf das Wiener Volksstimmefest der KPÖ gefunden.
Der ehemalige FPÖ-Funktionär ist durch die Verbreitung von Nazipropaganda in den Sozialen Medien auffällig geworden, ist gut vernetzt und zahlungskräftiges Mitglied der Identitären. Gefundene Videos zeigen die Detonation von selbstgebastelten Sprengkörpern, Entwürfe für eine Rohrbombe mit einem Tötungsradius von 15m (laut Gerichtsexperte) und Pläne, diese zwei Monate später beim Volksstimmefest hochgehen zu lassen.
Ein dreiviertel Jahr später wird der Mann verurteilt, seine Terrorpläne spielen im Prozess und der Medienöffentlichkeit aber keine Rolle. Ein bisschen stolz ist der Verfassungsschutz zwar schon, immerhin melden sie den Fund an Europol und den jährlichen Terrorismusbericht der EU, die Behörden erachteten es allerdings nicht für notwendig, der KPÖ als Veranstalterin Bescheid zu geben, ebensowenig den Personen und Organisationen auf den „Feindeslisten“ des Burgenländers. Der (natürlich „(selbst)radikalisierte Einzel-“)Täter sei ja schon gefasst, keine Gefahr. Erst im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 (präsentiert Anfang Mai 2023) ist die Rede von einem geplanten Anschlag, allerdings auch nur im Bericht selbst. In der Pressekonferenz kein Wort, in den etablierten Medien, außer einem wenig beachteten Ö1-Interview – nichts. Der Journalist Michael Bonvalot berichtete.
Wir vergleichen mit 2020. Ein Terrorist erschießt in Wien 4 Menschen und verletzt 20 weitere. Der Mann war amtsbekannt, verurteilt und stand unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Versuchte Munitionskäufe und Pläne, für den IS zu kämpfen, waren den Behörden bekannt, offensichtlich aber nicht brenzlig genug für tiefere Nachforschungen: die Observation wurde eingestellt, der Terrorist blieb – trotz Warnungen des ihn betreuenden Deradikalisierungsvereines – bis zu seinem Anschlag am 2.11. weitgehend unbehelligt.
Am 9.11.2020 trat Karl Nehammer, damals Innenminister, vor die Kameras und verkündete den Erfolg der „Operation Luxor“. In einer großangelegten Welle von Hausdurchsuchungen bei insgesamt 70 Personen (im Einsatz waren knapp 1000 Polizisten) seien die „Wurzeln des politischen Islam gekürzt“, der Muslimbruderschaft und der Hamas ein schwerer Schlag versetzt worden. Dieser „Erfolg“ war bitter nötig, lag doch im Raum, dass der unter seiner Verantwortung stehende Verfassungsschutz den Anschlag hätte verhindern können. Tatsächlich wartet man seitdem gespannt auf die Ergebnisse dieser Operation. Anschlagspläne, Waffenlager, zumindest ein politisches Manifest? Es gibt nichts. Stattdessen haben die Gerichte den Großteil der Hausdurchsuchungen für rechtswidrig befunden. Ein unterstelltes Naheverhältnis zu einer religiösen Sekte reicht wohl doch noch nicht aus, um unter Generalverdacht gestellt zu werden.
Wäre Rudolf P. ein Islamist, wäre dieser Fund ein größerer Erfolg gewesen als alle „Luxor“-Hausdurchsuchungen zusammen. Wir können uns sicher sein, dass wir wochenlang Pressekonferenzen ausgesetzt gewesen wären, in denen Nehammer uns gepredigt hätte, wie nur die umsichtigen Ermittlungen unserer Verfassungsschützer das Land vor dem islamistischen Terror bewahrten. Leider ist er nur ein Nazi. Während die extreme mediale Ausschlachtung des „Kampfes gegen den politischen Islam“ (seit 2018 im Mittelpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes) der rassistischen Spaltung Vorschub leistet, würde ein Kampf gegen den Rechtsextremismus die Einheit der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt stellen. Es passt halt nicht so gut ins Konzept.
(Funke Nr. 214/24.05.2023)