Wien hat viele Kleingärten. Die meisten sind ein Nebenprodukt der revolutionären Bewegung am Ende des Ersten Weltkriegs, als Arbeiterfamilien Land besetzten, um dort Kartoffeln und Gemüse anzubauen. Was als spontane Antwort auf die Hungerkatastrophe in Kriegszeiten begann, wurde später zu einem Herzstück des Roten Wien. Die Siedlerbewegung hatte revolutionäre Wurzeln, doch davon ist schon lange nichts mehr übrig. Die Kleingartenvereine sind insofern auch ein Symbol für die generelle Entwicklung der Sozialdemokratie, in der sich eine Gartenzwergmentalität breitgemacht hat.

Einige hochrangige Parteifunktionäre, allen voran der Donaustädter Bezirksvorsteher Nevrivy, dürften mit dem Kauf von Grundstücken in einem Kleingartenverein mächtig Kohle gemacht haben. Durch eine Umwidmung in Baugrund wurden die Grundstücke plötzlich doppelt so viel wert. Die SPÖ-Nationalrätin Bayr kaufte gleich zwei Grundstücke, eins davon zum Preis von stolzen 310.000 €. Mit einem durchschnittlichen Facharbeiterlohn für Funktionäre wäre ihr diese Investition wahrscheinlich nicht so leicht gefallen.

Mit der großen Korruption der Kapitalisten und der bürgerlichen Parteien können die rosaroten Parteigranden zwar nicht mithalten, aber dieses Beispiel zeigt sehr schön den Charakter der SP-Schickeria. Diese Bürokratie ist Teil des Staatsapparats und nutzt diese Stellung geschickt für geschäftliche Beziehungen und genießt dadurch auch Privilegien. In ihrer ganzen Praxis erscheint sie als eine soziale Schicht, die sich über die Arbeiterklasse erhoben hat.

Normalerweise wäre dieser Skandal nicht viel mehr als eine Schlagzeile im Regionalteil der Boulevard-Blätter. Doch die Schrebergartenaffäre ist mittlerweile eine Art Lackmustest für den neuen Parteivorsitzenden Andi Babler. Babler trat als Kandidat „der Basis“ an. Nach seiner Wahl suchte er aber in erster Linie ein friedliches Auskommen mit der Bürokratie, die ihm skeptisch bis ablehnend gegenüberstand. Seine Comeback-Tour war ein Ausdruck dieser Anpassung an den Parteiapparat. Statt inhaltlicher Einbindung der Basis und Diskussionen über die Demokratisierung der SPÖ und das Wahlprogramm gab es fast nur Volksfestbesuche und „Meet & Greet“-Events. So verflachte zusehends die Dynamik seiner Kampagne. Die inhaltlichen Kompromisse an die Bürokratie (z.B. beim Vermögenssteuer-Konzept) sorgten bei vielen Linken für Ernüchterung.

In der SPÖ kehrte wieder Routine ein. Der Skandal rund um den Kleingartenverein hat bei vielen Neumitgliedern, die wegen Babler beigetreten sind, aber für viel Empörung gesorgt. Viele alteingesessene Funktionäre, auch die, die Babler unterstützt haben, hätten sich mit den Geschäften des Herrn Nevrivy durchaus abgefunden, aber viele Neue äußerten lautstark ihre Entrüstung. Andi Babler reagierte nun auf den medialen Druck und diese Stimmung an der Basis und forderte Konsequenzen, falls sich die Vorwürfe gegen Nevrivy & Co. als richtig herausstellen.

Babler steht für einen Linksruck, für eine SPÖ, die die Interessen „der Vielen“ vertritt. Solange jedoch die Bürokratie in der Sozialdemokratie das Sagen hat, wird er dieses Versprechen nicht erfüllen können.

(Funke Nr. 217/26.9.2023)


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