Nach der Regierungsbildung hat die SPÖ-Spitze beteuert, es würde zu keiner weiteren Verschlechterung im Pensionssystem kommen. Jetzt haben sich die Minister Buchinger (SPÖ) und Bartenstein (ÖVP) neben einer Verlängerung der „Hacklerregelung“ auf eine sogenannte „Pensionsautomatik“ geeinigt. Dahinter steckt ein gewaltiger Angriff auf das Pensionssystem und unser Recht auf eine Pension.
"Größte Pensionsreform aller Zeiten"
Diesem neuen System zufolge müsste der Sozialminister bei einer Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung um 6 Monate oder bei einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Beitragseinnahmen und Pensionszahlungen um einen Prozentpunkt Verschlechterungen im Pensionssystem vornehmen. Dazu hätte er mehrere Möglichkeiten: Anhebung des Pensionsantrittsalters, Erhöhung der Pensionsbeiträge, geringere Anhebung der Pensionen.
Die ÖVP ist mit dieser neuen Reform überglücklich, weil sich die Politik nun auf „objektiv messbare“ Faktoren stützen könne und Pensionsreformen nicht so leicht von politischen Widerständen verhindert werden könnten.
Erwin Buchinger tröstet sich und die Sozialdemokratie mit folgender Aussage: "Meine Experten gehen davon aus, dass es in den nächsten zehn Jahren bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung zu keiner Veränderung der Nachhaltigkeitsfaktoren kommen muss.“ Barteinstein hingegen, meint, dass 2013 erstmals dieser „Automatismus“ in Kraft treten wird.
Dabei gehen beide, von dem nicht sehr realistischen Szenario aus, dass die Konjunktur keinen Einbruch erleidet.
Der sozialdemokratische PensionistInnen-Vertreter Blecha spricht von „der größten Pensionsreform aller Zeiten“. Und weiters: „Sie setzt einen Verschlechterungs-Automatismus, der die junge und die ältere Generation voll trifft, in Gang. „Man muss wissen, dass künftighin die Rechenmaschine das Pensionsalter automatisch anhebt, der Computer die Pensionshöhe automatisch reduziert, dass man der EDV automatisch eine geringe Pensionsanpassung überlässt. Das Pensions-System wird damit in den entscheidenden Punkten grundlegend verändert. Seit Jahrzehnten ist das Regel-Pensionsalter unverändert, jetzt kann es über Nacht, per Verordnung eines Ministers, die der Computer ausspuckt und ohne Parlamentsbeschluss, hinaufgesetzt werden!"
Dieser Angriff auf unser Recht auf eine Pension, von der man leben und in Würde alt werden kann, muss verhindert werden. In den letzten Tagen hat sich in der SPÖ und im ÖGB Unmut gegen diese Reform geäußert. Gusenbauer musste am Wochenende sogar ein Sonderpräsidium einberufen, wo er zu „Nachverhandlungen“ mit der ÖVP gezwungen wurde. Doch die SPÖ-Spitze betont noch immer, dass sie „inhaltlich“ nichts an der geplanten Reform auszusetzen habe, dass aber in Zukunft das Parlament die Letztentscheidung über Verschlechterungen im Pensionssystem haben müsse. Mit anderen Worten: Sozialdemokratische Politik bedeutet den Willen, Sozialabbau und Pensionsraub mitbestimmen zu wollen! Niemand im SPÖ-Präsidium und aus der Gewerkschaftsspitze stellt wie schon bei der Pensionsreform 2003 die von den Bürgerlichen zur Diskussion gestellte Logik grundsätzlich in Frage. Es wird das Argument einfach akzeptiert, dass das jetzige Pensionssystem aufgrund der steigenden Lebenserwartung dauerhaft nicht finanzierbar sei.
In Wirklichkeit verschleiert diese Argumentation, dass es sich bei der Finanzierung der Pensionen um eine reine Verteilungsfrage handelt. Es stimmt, die Lebenserwartung steigt, die Zahl der PensionistInnen nimmt zu. ABER: die Gesellschaft wird auch immer reicher, die Arbeitsproduktivität der im Erwerbsleben stehenden Lohnabhängigen macht enorme Fortschritte. Das Problem ist nur, dass dieser gesellschaftliche Reichtum nicht in ausreichendem Maße zur Finanzierung des Sozialsystems herangezogen wird sondern nur die Profite der Konzerne und die Vermögen der Superreichen mehrt. Hier gilt es anzusetzen!
Es wäre kein Problem, das Pensionssystem aufrechtzuerhalten, wenn vor allem zwei Bedingungen erfüllt würden: Wenn erstens jeder Mensch Arbeit hätte, wenn zweitens die Wertschöpfung der ArbeiternehmerInnen als Berechnungsgrundlage für die Pensionsversicherung herangezogen und dadurch die Rationalisierungsgewinner zur Kassa gebeten werden würden. Das Geld muss dort geholt werden, wo es zu finden ist - bei den Reichen! Dann wäre es möglich, dass Menschen mit 35 Beitragsjahren oder weniger in Pension gehen und diese auch noch genießen könnten. Die Einführung der Wertschöpfungsabgabe und die Vollbeschäftigung müssen daher an oberster Stelle bei den Forderungen der Gewerkschaften stehen.
Rund um ein solches Programm müssen wir in den Gewerkschaften und den Betrieben den Widerstand gegen diese neue Pensionsreform organisieren.
Regierungskrise
Dieser Konflikt hat jedoch massive Auswirkungen auf die Große Koalition. Erst zu Ostern haben ÖVP und SPÖ „gerade mal mit Ach und Krach“, wie Bartenstein es formuliert, einen Kompromiss gefunden. Aufgrund des Unmuts in der Sozialdemokratie, in der mittlerweile offen über die Nachfolge von Alfred Gusenbauer diskutiert wird, droht die nun getroffene Einigung in der Regierung zu Pensionsfrage zu scheitern. Für die ÖVP ist dies nur ein weiterer Beweis, dass die SPÖ „nicht regierungsfähig“ ist. Der Grund: Gusenbauer provoziert mit jedem „Umfaller“ die kritischen Geister in den eigenen Reihen, die er nur beruhigen kann, wenn er Zugeständnisse macht. Doch jedes kleinste Zugeständnis ist wiederum ein Vorwand für die ÖVP die Regierung in Frage zu stellen. Entweder Molterer, Schüssel & Co. können so einen Grund vorweisen für ein vorzeitiges Aufkündigen der Koalition oder sie schaffen es einmal mehr Gusenbauer und die SPÖ in der Öffentlichkeit als Umfaller-Partie darzustellen und zu diskreditieren.
Wie auch immer: diese Regierung ist von einer ungeheuren Instabilität gekennzeichnet. Beim kleinsten Windhauch muss sie zurückrudern. Diese Koalition ist auf Sand gebaut und wird die bevorstehenden Stürme nicht überstehen. Und diese zeichnen sich ab. Die jetzigen Ärzteproteste sind nur ein kleiner Vorgeschmack. Die ökonomischen Probleme werden immer spürbarer (Arbeitsplatzabbau, Werkschließungen, Inflation). Die Klassenwidersprüche spitzen sich unter diesen Umständen zu. Das muss über kurz oder lang Auswirkungen auf der politischen und gewerkschaftlichen Ebene haben. Schon die jetzige KV-Runde war nicht immer einfach, im Herbst könnte dieser Konflikt zwischen den Gewerkschaften und dem Kapital offen aufbrechen. Pensions-, Gesundheits- und Steuerreform – jedes dieser Themen könnte für die Regierung zum Stolperstein werden.
SPÖ-interne Debatten
Gusenbauer sitzt jedenfalls nicht gerade fest im Sattel. Der Bundesparteitag im Oktober könnte für Gusenbauer ein heißer Tanz werden. Schon am kommenden Wochenende droht nach der Schlappe in Niederösterreich das nächste Debakel bei einer Landtagswahl. In Tirol dürfte die SPÖ unter die 20-Prozent-Marke rutschen. Das wird einmal mehr die Diskussion über den Kurs der Parteiführung anheizen. Gusenbauer verfügt über kein As im Ärmel, mit dem er seinen KritikerInnen ruhig stellen könnte. Jedes kleinste Zugeständnis würde ihm die ÖVP abschlagen. Das heißt noch lange nicht, dass Gusenbauer am Parteitag gestürzt wird. Seine KritikerInnen wissen nämlich sehr genau, dass sie es auch nicht viel anders machen könnten, weil sie letztendlich für das selbe politische Konzept wie er stehen.
Der Aufbau einer organisierten linken Strömung in der Sozialdemokratie ist unter diesen Umständen von ganz besonderer politischer Bedeutung. Die Bedingungen dafür waren noch nie so gut. Die nächste Runde an offenen Klassenauseinandersetzungen und die nächste politische Krise ist nur noch eine Frage der Zeit. Die Sammlung der kritischen Kräfte in SJ, SPÖ und Gewerkschaften in Form einer organisierten Strömung ist der Schlüssel dazu, ob die Linke in diesen kommenden Kämpfen eine Rolle spielen kann oder nicht.