Im Nationalrat ließ die Regierung die Schuldenbremse nun als einfaches Gesetz beschließen. Der Widerstand in den Reihen der Sozialdemokratie hat daraus aber einen Papiertiger gemacht. Aber welche Alternativen braucht's?

Der ursprüngliche Plan der Bürgerlichen schien genial. Ein Verfassungsgesetz sollte zukünftige Regierungen zwingen die Staatsverschuldung durch eine harte Sparpolitik zu bekämpfen. 2 wenn nicht 3 Milliarden Euro sollten jedes Jahr bei den öffentlichen Ausgaben gekürzt werden. Die bürgerlichen Oppositionsparteien sind zwar alle nicht prinzipiell gegen diese Schuldenbremse, fanden aber aus taktischen Überlegungen jede für sich Ausreden, sich jetzt noch nicht die Finger schmutzig zu machen. Somit war es ausgeschlossen, das Gesetz in den Verfassungsrang zu heben. Damit Werner Faymann aber der ÖVP und den Märkten wenigstens ein einfaches Gesetz (zum Zeichen des “guten Willens”) bescheren konnte, brauchte er zumindest die Unterstützung aus dem SPÖ-Klub. Ein Bericht aus der “Presse” zeigt, dass v.a. die GenossInnen aus der FSG die Pläne des Kanzlers und der Finanzministerin ordentlich zerflederten. Die Zustimmung der SPÖ-Abgeordneten war an ein paar Bedingungen geknüpft: Die Schuldenbremse dürfe nur zum Maßstab der Budgetpolitik werden, wenn es zu keinem Abbau des Sozialstaates, zu keinen Erhöhungen von Massensteuern und zur Einführung von Vermögenssteuern kommt.

Nachdem die österreichische Bundesregierung die Quadratur des Kreises noch nicht beherrscht, wäre die Schuldenbremse bei konsequenter Beibehaltung des restlichen Programms gestorben. Wir können uns natürlich sicher sein, dass im entscheidenden Moment, wenn dem österreichischen Kapitalismus das Wasser bis zum Hals steht, auch die Mehrzahl der SPÖ-Abgeordneten den Drohszenarien von Notenbankchef Nowotny mehr Gewicht beimessen wird als der eigenen Weltanschauung und den Beschlüssen, die in dieser Klubsitzung getroffen wurden. Klar ist aber, dass in den letzten Wochen die Grundlage dafür gelegt wurde, dass signifikante Teile der ArbeiterInnenbewegung künftigen Sparpaketen Widerstand entgegenhalten werden.

Neben der FSG und einzelnen Landesparteien haben vor allem die sozialdemokratischen Jugendorganisationen klar gegen die Schuldenbremse Position bezogen. Mit einem “Offenen Brief” und einer Protestaktion vor dem Bundesparteivorstand haben SJ, VSStÖ und AKS sogar die SPÖ-Abgeordneten aufgerufen im Nationalrat mit Nein zu stimmen. Das ist genau der richtige Weg, um in der ArbeiterInnenbewegung den Widerstand gegen die drohenden Sparpakete zu formieren.

Damit wären wir bei der Frage der politischen Alternative zur Schuldenbremse, die uns die Bürgerlichen als unumgänglich verkaufen wollen. Die SJ-Spitze will darauf eine “realistische” Antwort geben, die in Wirklichkeit aber die tatsächliche Realität des heutigen Kapitalismus völlig verkennt.

Die Schulden werden, frei nach unternehmerischem “Hausverstand”, als notwendiges Mittel zur Ankurbelung der Wirtschaft gesehen, mit der in Zukunftsprojekte investiert werden kann, die sich in der Folge als gut für die Konjunktur, die Beschäftigungslage, die Steuereinnahmen und somit für den Staatshaushalt erweisen würden. Schade nur, dass alle Regierungen, die Ratingagenturen, die Anleger auf den Finanzmärkten und die Wirtschaftsexperten so unvernünftig sind bzw. ideologisch motiviert handeln, dass sie das nicht einsehen wollen.

Dabei wird übersehen, dass mit Hilfe von Schuldenmachen in den letzten Jahren ein Raubzug gegen die ArbeiterInnenklasse geführt wurde. Milliarden schwere Bankenrettungen und Unternehmenssubventionen sicherten den Banken und Investoren ihre Gewinne während die SteuerzahlerInnen jetzt für die Sanierung des Budgets herhalten sollen. So lange die Zinslast für aufgenommene Kredite zu einem ständigen Anwachsen der Gesamtschulden führt, ist eine Politik im Interesse der Mehrheit nicht möglich. Statt die endlose Ausdehnung der Schulden zu fordern, sollten wir die Streichung der Schulden fordern, die durch die Zinsen schon mehrfach bezahlt wurden. Bei 5% des BIP´s das für Zinsleistungen draufgeht und ca 3% Jährlicher Neuverschuldung, wäre Österreich auch auf keine Geldgeber angewiesen. Das dann noch fehlende Geld für tatsächliche Strukturreformen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich könnte dann tatsächlich durch eine substanzielle Vermögensbesteuerung hereinkommen.

Auch die Feststellung, dass Österreich Exportüberschüsse aufweist und wir deshalb „nicht über unsere Verhältnisse“ leben, ist als Argument für einen Sozialstaat auf Pump nicht ganz schlüssig. Nicht nur weil Österreich nur durch den Tourismus und nicht durch den Warenexport eine positive Leistungsbilanz hat. Sondern auch, weil diese Logik impliziert, dass Länder wie Griechenland eben schon „über ihren Verhältnissen“ leben, wie das die bürgerliche Presse seit Monaten propagiert. Auch wenn das österreichische und deutsche Kapital im Vergleich zu anderen gut dastehen, so gilt das für die österreichische ArbeiterInnenklasse nur bedingt. Vielmehr kommen auf uns, wenn auch mit Verspätung, dieselben Angriffe auf den Lebensstandard zu wie in Südeuropa. Zu glauben, dass sich Österreich aus globalen Prozessen ausklinken kann und mit einer „vernünftigen“ Politik die Interessen sowohl der Herrschenden als auch der Beherrschten verwirklichen kann, ist ein fataler Irrtum.

Der “Hausverstand” des einzelnen Unternehmers ist ein schlechter Maßstab zur Bewältigung dieser Krise und kann eine marxistische Krisenanalyse nicht ersetzen. Der Kapitalismus funktioniert nach gewissen Gesetzmäßigkeiten und Regeln. Mit den Mitteln des Kredits, und nichts anderes sind auch Staatsschulden, wird seit einem Jahrzehnt versucht die Grenzen des kapitalistischen Systems auszudehnen. Diese Politik zur Verhinderung oder Abfederung der Krise ist nun selbst an ihre Grenzen gestoßen. Diesen Mechanismus hat Marx bereits im “Kapital” erklärt. Schulden müssen samt Zinsen zurückbezahlt werden. Dies gilt für private Haushalte, Unternehmen und auch für Staaten. Wenn die Gläubiger das Gefühl haben, dass ein Schuldner sein Geld nicht oder nur sehr schwer zurückzahlen kann, werden sie entweder keine Kredite mehr gewähren oder dafür mehr Zinsen (als Risikoaufschlag) verlangen. Die Rolle der Ratingagenturen ist es, den Gläubigern basierend auf der wirtschaftlichen Lage der Schuldner Empfehlungen zu geben.

Im Fall von Österreich sitzen die Gläubiger entgegen der Analyse im “Offenen Brief” der SJ nicht in Wiens Innenstadt oder am Wörthersee sondern zu 75% im Ausland. 15 Prozent der Staatsanleihen gehen nach Übersee, 55% in die Eurozone (vor allem an deutsche und französische Banken, Versicherungen, Pensionsfonds). Was jedoch stimmt, ist, dass die Zinszahlungen auf Staatsschulden unvorstellbare Geldsummen nach oben umverteilen. Deshalb fordern die sozialen Bewegungen in Italien, Griechenland und Spanien auch zurecht die Streichung der Staatsschulden. Eine neue Vermögenssteuer in Österreich wäre jedenfalls ein völlig unzureichendes Mittel, um diesem Umverteilungsmechanismus gegenzusteuern. Ganz zu schweigen davon, dass eine Vermögenssteuer nicht ausreichen würde, um den Finanzierungsbedarf des Staates zu decken. Diese Steuer hat einen großen Symbolwert im Verteilungskampf, aber sie ist nicht vielmehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Bis 2015 hat Österreich einen Finanzierungsbedarf von mindestens 105 Mrd. Euro für Neuverschuldung und Schuldentilgung (Refinanzierung). Die Abhängigkeit von den Finanzmärkten ist somit offensichtlich.
Die Vertrauenskrise auf den Märkten, die sich immer wieder schockartig entlädt, hat ihre reale Basis im Ausmaß der kapitalistischen Krise. Die Regierungen versuchen in ganz Europa mit Maßnahmen wie der Schuldenbremse das Vertrauen wiederherzustellen, d.h. sie wollen den Banken und Finanzinvestoren damit signalisieren, dass sie zu harten Sparmaßnahmen bereit sind und dass sie dem europäischen Integrationsprozess eine stabilere politische Grundlage geben können. Die Märkte spielten in den letzten Wochen deshalb “verrückt”, weil sie immer weniger an die Lösungskompetenz der Regierungen glauben.

Es stimmt und zeigt sich in Griechenland oder Portugal, dass diese Sparpolitik die Wirtschaft noch mehr in die Rezession führt. Für das jeweilige Kapital sind aber sozialstaatliche Einrichtungen, Kollektivverträge und hohe Löhne bzw. Regulierungen der Wirtschaft nur ein Hemmschuh im globalen Wettbewerb. Jeder bürgerliche Nationalstaat oder regionale Block (wie die EU) muss in diesem Konkurrenzkampf zu bestehen versuchen. Die Krise sehen die Bürgerlichen als Chance die politischen Fesseln, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern, abzulegen. Das ist der Antrieb des Klassenkampfs von oben in der gegenwärtigen Phase kapitalistischer Entwicklung.

Um ein passendes Programm gegen die Krise entwickeln zu können, müssen wir zuerst die realen Bewegungsgesetze und die Machtverhältnisse im Kapitalismus erkennen. Ewald Stadler (BZÖ) hat der SPÖ im Parlament angesichts der Forderung nach Vermögenssteuern vorgeworfen auf “Soft-Marxismus” zu setzen. Das ist natürlich eine dumme Polemik von Rechtsaußen. Von Tag zu Tag wird aber klarer, dass die Krise eine derartiges Ausmaß annimmt, dass homöopathische Mittelchen wie eine Vermögenssteuer nicht ausreichend sind und nur ein Programm zur Überwindung des Kapitalismus basierend auf einer marxistischen Perspektive einen Ausweg aus der kapitalistischen Barbarei weisen kann. Die sozialistischen Jugendorganisationen haben die Verantwortung ein solches Programm auszuarbeiten und in der ArbeiterInnenbewegung zu verankern. Das ist die beste Vorbereitung auf kommende Klassenkämpfe und soziale Bewegungen.


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